Hallo liebe Gemeinde,
angenommen ein Autofahrer (außerhalb Probezeit) fährt über eine rote Ampel und wird geblitzt. Dank google weiß er, dass er vermutlich mit einem Fahrverbot zu rechnen hat, wenn er länger als eine Sekunde rot war als der Fahrer den Kreuzungsschutzbereich passiert. Nun hatte der Fahrer jedoch einen triftigen Grund die Kreuzung zu passieren. Außerdem ist der Entzug des Führerscheins eine mittelschwere Katastrophe für den Fahrer. Er verfasst also (obwohl Anhörungsbogen noch nicht da ist) folgenden Anhörungstext:
" Sehr geehrte Damen und Herren,
Ihr Schreiben vom (zukünftiges Datum) habe ich erhalten und möchte die Möglichkeit nutzen, mich dazu einzulassen.
Da die Blitzvorrichtung an dem maßgebenden Überwachungsgerät ausgelöst wurde und ich einen technischen Fehler im Zeitalter der Technik ausschließe, werde ich die Buße, weithin bekannt als mit Fahrverbot verbunden, hinnehmen müssen. Ich möchte jedoch nicht Versäumen, Ihnen die Gründe meines Fehlverhaltens darzulegen und das Ausmaß eines Fahrverbotes für mich zu beschreiben.
Am 01.08.2011 befuhr ich mit meinem Mitbewohner (Name Mitbewohner) die (Name Straße) in (Stadt). (Name Mitbewohner) leidet seit vielen Jahren an Diabetes mellitus Typ I, weswegen er auf mich als Mitbewohner –und Hilfeleister- angewiesen ist. Da ich mich schon lange gut mit (Name Mitbewohner) verstehe, komme ich dieser Aufgabe gern nach. Zur Zeit des Rotlichtverstoßes litt (Name Mitbewohner)an einer akuten Unterzuckerung. Das heißt, er brauchte zu diesem Zeitpunkt dringend Traubenzucker, um nicht in Ohnmacht zu verfallen. Da wir eigentlich nur kurz am Bahnhof eine Zugfahrkarte besorgen wollten, hatten wir es nicht für notwendig erachtet, seine Traubenzucker- Notfalltasche mitzunehmen. Da bei einem solchen- „hypoglykämischen Schock“ eine rasche Traubenzuckeraufnahme erfolgen muss, versuchte ich die „Gelbphase“ der Ampelkreuzung noch abzupassen. Im Nachhinein betrachtet verstehe ich, dass ich andere Verkehrsteilnehmer mit diesem Verhalten in Gefahr gebracht habe. Ich war jedoch in diesem Moment nur darauf bedacht, schnellstens zur Tankstelle (Bezeichnung Tankstelle) zu gelangen, um dort „Dextro Energie“- Traubenzucker zu kaufen, damit (Name Mitbewohner) seinen „Zuckerschock“ überwinden kann. Hätte ich jedoch eindeutig erkannt, dass die Ampel beim Überfahren bereits auf Rot steht, so hätte ich selbstverständlich noch angehalten. Da ich aufgrund meiner Körpergröße (knapp zwei Meter) über meinem Auto hängende Ampeln nur aus einer gewissen Distanz sehe bevor sie hinter meinem Autodach verschwinden, habe ich das Umschalten auf Rot leider nicht mehr wahrnehmen können. Ich lege Ihnen als Bestätigung eine Kopie der Schwerbehindertenfeststellung von (Name Mitbewohner) bei.
Ein eventuell zu verhängendes Fahrverbot gegen mich kann ich aufgrund des begangenen Verstoßes nicht abwenden. Allerdings wäre dies für mich nicht nur mit „Entbehrungen“ verbunden, sondern beeinträchtigt meine Lebensführung und die von unbeteiligten Dritten im erheblichen Maße. Hierzu möchte ich Ihnen folgendes anführen:
Meine pflegebedürftige Großmutter (90 Jahre alt) lebt allein in (Stadt 50 km weiter weg). Ich als einzig in (Bundesland) verbliebener Angehöriger betreue sie regelmäßig. Unter anderem erledige ich die Einkäufe, kümmere ich um finanzielle Geschäfte und halte ihr die Wohnung sauber. Um die Gesundheitssorge kümmern sich professionelle Pflegekräfte. Aufgrund meiner Vollzeit- Berufstätigkeit erledige ich diese Geschäfte in den späten Nachmittagsstunden. Bei Entzug des Führerscheines ist dies nicht mehr im benötigten Maße möglich. Um sich für die Zeit eine Haushälterin zuzulegen, fehlt leider das Geld, wobei ich dieser Haushaltshilfe auch nicht die Vermögenssorge meiner Oma anvertrauen würde. Im Falle eines unvorhergesehenen Notfalls (Krankenhausaufenthalt oder schlimmer), der meine Großmutter betrifft, müsste ich zudem schnellstens in (Stadt 50 km weiter) vorstellig werden.
Auch würde es die alte Dame zutiefst verunsichern, wenn ihr die Gewissheit fehlt, dass ich im Notfall umgehend erreichbar für sie bin und helfen kann., da sie psychisch nicht mehr die stabilste ist.
Zur Nachvollziehbarkeit dieser Aussage teile ich Ihnen die Adresse der Pflegestation mit, von der meine Oma betreut wird. Dort könnten Sie sich im Bedarfsfall von der Richtigkeit meiner Aussage überzeugen:
(Adresse Pflegestation)
(Daten Oma)
Als weitere schwerwiegende Konsequenz eines eventuellen Fahrverbotes möchte ich ebenfalls die selbstbestimmte Fürsorge für meinen Mitbewohner (Name Mitbewohner) anführen. Wie bereits oben erwähnt, leidet dieser an schweren Diabetes. Es macht sich also notwendig, im Falle eines „hypoglykämischen Schocks“, welche leider trotz ausgereifter medizinischer Versorgung noch viel zu oft auftreten, notfalls auch mit Auto bereit zu stehen um im Notfall seinen Facharzt für Diabetologie konsultieren zu können.
Weiterhin teile ich Ihnen mit, dass ich ab September 2011 ein berufsbegleitendes Studium beginnen werde, welches bei einem Institut durchgeführt wird, was am Rande von (Name Stadt) liegt (Straße Institut) und mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr schlecht zu erreichen ist. Dieses Studium soll unter anderem Freitags nach dem Arbeitsdienst stattfinden. Da zwischen Arbeitsende und Studienbeginn nur ein Zeitfenster von 30 Minuten liegt, ist mir zum Zeitpunkt noch unklar, wie ich dies ohne Fahrzeug und angewiesen auf den öffentlichen Nahverkehr bewältigen soll. Die ersten Vorlesungen gleich zu verpassen, sehe ich als sehr nachteilig für den Fortgang des Studiums. Sollte hierzu ein Nachweis erforderlich sein, so bitte ich um kurze Mitteilung über die Art des Nachweises.
Zuletzt teile ich Ihnen mit, dass ich einen gewissen Anteil Außendiensttätigkeiten während meiner Arbeitsausübung wahrnehmen muss. Ich kann momentan noch nicht absehen, wie mein Arbeitgeber auf den befristeten Wegfall dieser Arbeitsleistung reagieren wird. Bevor ich diesen jedoch über das Strafausmaß in Kenntnis setze, warte ich erst Ihre Entscheidung ab.
Ich bitte Sie, Ihre Entscheidung bezüglich eines Fahrverbotes unter Beachtung der o. g. Gesichtspunkten noch einmal zu überdenken. Ich sehe mein Fehlverhalten ein und bereue zutiefst den begangenen Fehler. Für Rückfragen stehe ich Ihnen jederzeit gerne unter
(Telefonnummer) zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen …"
Rechnet ihr dem Verursacher Chancen auf „Gnädigkeit“ aus? Er kann alles was er geschrieben hat belegen.
Danke für eure Antworten…
Danke aber!