Hallo,
hast Du wirklich den Eindruck, das sei eine negativ zu
wertende Gefühlsregung, wenn man von Leuten umstellt ist, die
neidisch sind und Vorschriften ins Feld führen, um ihren Neid
auszuleben?
Erst einmal gut biblisch:
Mt 5,22: Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnet, der ist des Gerichts schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Racha ! der ist des Rats schuldig; wer aber sagt: Du Narr ! der ist des höllischen Feuers schuldig.
Jetzt wäre dann weiter theologisch (!) zu fragen, wie wir mit den Forderungen der Bergpredigt umgehen, vor allem angesichts des Zornes Jesu in der genannten Stelle.
Aber ich dneke, das wäre eine andere Diskussion.
Selbstverständlich waren weder alle Gegner Jesu Juden, noch
waren alle Seine Freunde Heiden. Aber deswegen an den
Erzählungen zweifeln…?..
Da es hier (mir) um das Historische geht. gehört der Zweifel an einer Darstellung immer zur Methode.
Wichtig ist zu fragen, warum etwas wie geschrieben worden ist. Unsere Evangelien sind, wie der Name schon sagt, keine Tatsachenberichte und wollen das auch gar nicht sein. Sie sind alle unter dem Eindruck der Messionität und Gottessohnschaft Jesu geschrieben worden, sie w-o-l-l-e-n Verkündigung sein. Sie sind aber zu früh geschrieben, als sie völlig von der historischen Person hätten absehen können oder auch wollen. Sie sind nicht schon innerhalb einer sich später entwickelnden Dogmatik geschrieben worden.
Wir wissen heute, dass von Jesus v. Nazareth zunächst nur „Sprüche und Worte“ überliefert wurden, wobei der ursprüngliche Kontext zwar sicherlich miterzählt, aber nicht das eigentlich entscheidende war (man nehme unsere Perikope vom Heilen am Sabbat, auch ohne die Geschichte drumherum würde die Kernaussage ja verständlich bleiben). Nun haben sich die Evangelisten nicht vorgenommen, zu lügen, sondern sicherlich auch oft eine Idee des ursprünglichen Kontexts beibehalten, aber eben durchaus Übertragungen vorgenommen, wie es ihnen und ihrer Lebenswelt entsprach. Das ist ein völlig normaler Vorgang und es gibt kein literarisches Werk, selbst wenn es wissenschaftlich ist, das letztlich Vergangenes anachronistisch darstellt.
Letztendlich aber hast Du Recht, dass ich nicht nur ethisch,
sondern auch historisch gefragt habe. Mich interessiert
einerseits, ob es echte wissenschaftliche Gegenbeweise zur
Sache gibt, oder ob sie sich so abgespielt haben könnte bzw.
kann, wie wir es glauben. Dass die Gegnerschaft letztendlich
(bei den Passionserzählungen) nicht pharisäisch, sondern eher
sadduzäisch zu verstehen ist, finde ich einen sehr wichtigen
Hinweis von Dir, und es ist auch durchaus mit Recht zu fragen,
ob nicht das Ganze eine schreckliche Verquickung von Umständen
ist und nicht einem System, sondern dem Menschen mit seinen
Schwächen angelastet werden muss.
Deine frage verstehe ich nicht ganz. Aber angesichts dessen, was wir über das Judentum der damaligen Zeit wissen, wird es sicherlich Konflikte gegeben haben.
Zu existentiellen Konflikten (siehe meine Antwort an datafox) kam es mE allerdings erst nach der Zerstörung des Tempels.
Andererseits interessiert mich die Haltung des Judentums auch
zu den Erzählungen als ideelle Geschichten. Da es die Absicht
des historischen Jesus gewesen sein dürfte, zuallererst Juden
zu bekehren, müssten die Geschichten doch eigentlich so
gemünzt sein, dass Juden sie verstehen. Mich befremdet daher
die Distanz, welche sie haben, und ich frage schliesslich, ob
diese Distanz nicht eher das Ergebnis unserer Zeitgeschichte
(bzw. das Versagen weiter Teile des Christentums in jüngerer
Zeit) als ein echtes Missverständnis der neutestamentlichen
Geschichten oder ihres Zusammenhanges ist.
Die Trennung von Judentum und Christentum und ihre Gründe habe ich auch bei datafox erläutert. Jedoch ist die Neuorientierung des Judentums im zweiten Jahrhundert sicherlich keinesfalls mehrheitlich als Abgrenzungsprozess vom Christentum zu verstehen, sondern als eine eigenständige Orientierung, die wiederum jedoch die Unterschiede klarer hat hervortreten lassen (was aber kaum die Intention war).
Die Distanz ist allerdings nicht das Ergebnis unserer Zeitgeschichte, sondern der vergangenen ca. 1800 Jahre.
Zumindest im akademischen Bereich spielen Jesus von Nazareth und die früheste Jesusbewegung (= Urchristentum) mitterweile bei der Erforschung jüdische Religionsgeschichte eine sehr große Rolle, von der die wissenschaftlichen Theologien beider Fächer überaus profitieren.
Religiös wüßte ich selbst nicht, warum Jesus eine Rolle spielen sollte (das tun die anderen Messiasanwärter ja auch nicht) und ohne christliches Glaubensbekenntnis ist Jesus wahrscheinlich auch zu normal:wink: - und, wie Elimelech ja dargestellt hat, auch nicht besonders vorbildlich.
Liegt die Frage nicht so, dass man sagen müsste, es seien die
Christen, welche die Evangelien allzu judenfeindlich ausgelegt
hätten, und erst dann die Juden, von welchen zwar viele schon
in früher Zeit den Glauben an Jesus ablehnten, welche aber
ihre Argumente viel eher aus schlechter christlicher Küche
schöpfen müssen als aus eigenem Lesen des Neuen Testamentes?
Es ist natürlich so und man kann sich angesichts der Geschichte des sogenannten christlichen Abendlandes kaum wundern, dass es egal wem schwer fällt, das Neue Testament als glaubwürdige Grundlage einer sich selbst friedliebenden Religion zu lesen.
Da das Neue Testament ganz klar auf dem Bekenntnisboden (Jesus ist der Christus / Sohn Gottes) steht, bin ich unsicher, ob man es von einer anderen Anschauung heraus überhaupt „positiv“ als Glaubensbuch lesen könnte.
Daher halte ich grundsätzlich das, was man gemeinhin als „Interreligiösen“ Dialog bezeichnet, für methodisch schwierig. Das soll nicht heißen, dass man nicht voneinander berichten darf bzw. einander zuhören. Aber eine gemeinsame Basis, eine Offenheit, kann ich mE nur Herstellen, wenn ich auf das „Menschliche“ blicke. Solange ich also nicht der Grundüberzeugung bin, dass alle Andersgläubigen zu bekehren oder zu vernichten sind, bedeutet die Frage nach dem „Menschlichen“ wissenschaftlich die nach dem Historischen und damit der Frage, nicht nur warum, sondern auch wie Unterschiede und Konflikte entstanden sind. Jeder kann sich dann fragen, ob er seinen Glauben zum Sklaven eines allzu menschlichen Streit der Vergangenheit machen will. Vielleicht (aber ich fürchte, das ist eine Utopie) kann man dann seinen Glauben auch davor schützen, zur Motivationsmasse neuer Konflikte zu werden.
Grüße,
taju