Sag nicht, dass Du krank bist!

Guten Abend,

ich weiß nicht wirklich, ob ich in diesem Brett richtig bin. Vielleicht kann man meinen Artikel auch verschieben sollte ich falsch liegen.


Langsam komme ich an einen Punkt wo ein Weiterkommen wie bisher nicht möglich ist.

Ich stehe unter einem Druck, der mit katastrophal noch sehr schmeichelnd umschrieben ist.

In den letzten Jahren musste ich mehrmals ins Krankenkaus. Fieberschübe um 42° und einige andere Dinge. Man hat mich durch sämtliche Röhren geschoben, alle Körperflüssigkeiten und sonstiges untersucht, es wurde nichts gefunden. Ich hatte seit dem 12. September 2010 durchgehend Kopfschmerzen. Schmerzmittel brachten kaum etwas. Nach einer Stunde waren die Schmerzen wieder da.

Es kam soweit, dass ich mein Kind zum Vater gegeben habe, da ich durch meine „unbekannte Erkrankung“ nicht in der Lage war es zu versorgen und für es da zu sein wie ich es für angebracht halte. Zudem hat es gesehen wie ich zusammenbrach zuhause, mich Sanitäter versorgten und ich in einer Trage durch das Treppenhaus geschleppt wurde. Da war mein Kurzer noch keine 1,5 Jahre. Er hat seitdem Angst um mich, ich konnte nicht sitzen ohne, dass er sagte „Mama, bitte aufstehen.“ oder „Mama, bitte auf’n Arm.“ Mittlerweile ist es fast wieder normal, zwei Jahre später.

Ich habe in den fast 27 Jahren meines Lebens ein bisschen was mitgemacht, aber ich habe es - wie viele Verwandte immer so platt sagten „gut weggesteckt“. Vielleicht auch einfach nur beiseite geschoben und verdrängt.

Bis zu meinem 7. Lebensjahr gab es bereits mehrere Umzüge (älterer Bruder, Mutter). Nie in der Nähe eines Ortes. Es musste immer woanders sein. Ich wurde in Rheinland-Pfalz geboren, aber weiß nichts von meiner Geburtstadt (eher Kaff). Zwischenzeitlich hat uns unser Erzeuger wegen einer anderen verlassen. Mit ihr ist er heute noch zusammen. er interessierte sich nachdem er ging nicht für uns, ihre Tochter wurde seine Tochter. Er meldete sich freiwillig nie.

Ich habe zwei mal den Kindergarten gewechselt, zwei mal die Schule. Ich war eine gute Schülerin, aufgeweckt, interessiert.

Mit 10 hatte ich ein so genanntes Nahtoderlebnis. Das hat mein Leben natürlich besonders beeinflusst. Man ist schlagartig erwachsen, das Kindsein hat aufgehört.

Als ich 14 war starb mein Bruder. Mit 16 wurde ich sexuell missbraucht, wovon aber kaum jemand weiß. Der Täter war mein damaliger Freund, er starb kurz darauf, bei einem Autounfall. Ebenfalls mit 16 lernte meine Mutter, die seit der Trennung von meinem Erzeuger immer allein war, ihren jetzigen Lebensgefährten kennen. Einen Mann, den ich JETZT zu schätzen weiß, damals aber gar nicht mit ihm klar kam. Auf einmal zog er ein. Nichts passte. Meine Mutter, der ich eine Beziehung durchaus gönnte, wollte von mir nichts mehr wissen. Ich soll ihr das bisschen Leben was sie noch hat nicht auch noch versauen war ihre Aussage.

Sie ist mein schlimmster Feind und engster Vertrauter und das macht mich kaputt.

Er zog nach wenigen Woche wieder aus, wir mussten hinterhe ziehen, anderes Bundesland. Ich war schon fast glücklich in dieser einen Stadt, wir sind nur 3 Mal innerhalb der Stadt umgezogen. Da konnte ich den Kontakt zu meiner besten Freundin halten. Aber bei einem anderen Bundesland? Wir waren noch zu jung für Führerschein und Auto.

Ich hielt diese Entfernung zu meiner besten Freundin nicht aus. Ich fuhr so oft es ging mit dem Zug zu ihr.

Aufgrund des Todes meines Bruders habe ich ein grottenschlechtes Abschlusszeugnis, niemand stellte mich ein. Ich habe immer irgendwie gearbeitet, aber keine Ausbildung bekommen.

Mit 17 machte meine Mutter mich darauf aufmerksam ausziehen zu können, da ich ja nun Geld verdiene. Wieder ein Umzug. Es folgten noch etliche WG’s. Ich fand zwischenzeitlich zu meinem Erzeuger, zog nach 3 Wochen wieder aus, da er und seine Trulla sich als Alkoholiker rausstellten, die mich als Putze halten wollten.

Ich fing zwei Ausbildungen an, konnte sie nicht durchziehen. Ich schaffte die einfachsten Dinge nicht, ich konnte nichts aufnehmen, keinen Lernstoff, und wenn es nur 1 + 1 gewesen ist.

Dann begann ich eine Art Sozialphobie zu entwickeln. Wen wunderts?

Ich hatte Angst vor den einfachsten Situationen und ich hatte auf einmal einen furchtbar hohen Anspruch an mich selbst. Ich erwartete das Unmögliche von mir. Und wenn es nicht klappte dann war ich unglaublich wütend auf mich.

Mit 19 lernte ich den Vater meines Kindes kennen und war wie man so schön sagt auf den ersten Blick verliebt. Wir verbrachten einige schöne Jahre zusammen, es ging mir so gut wie nie. Dann wurde die Beziehung beendet, er hatte eine Affäre. Man lebt ja gerne das Dilemma aus der Kindheit nochmal durch.

Ich wußte noch nicht, dass ich schwanger war als es auseinander ging. Ich musste mir die furchtbarsten Sachen anhören, er war wie ausgewechselt. TREIB AB!!! LASS MICH IN RUHE! usw. …

Mit ihr ist er immer noch zusammen, sie haben nun Nachwuchs bekommen, wollen heiraten, unser Kind lebt bei ihm in dieser Familie. Ich muss wieder einen meiner Schutzmechanismen oder wie es zu nennnen ist angewandt haben. Ich wachte eines morgens auf und es war quasi über Nacht nichts mehr in mir. Ich fühlte keinen Schmerz mehr, wenn ich an ihn dachte. Es war wie weggeblasen.

Die Schwangerschaft über war ich alleine, so wie eigentlich immer, mache immer alles alleine aber habe mich nie drüber beschwert, es war eben so, richtete meine neue Wohnung (Umzug, hatte ich ja lange nicht mehr) alleine ein, schleppte die Möbel. Bei der Geburt war niemand für mich da, es kam mich keiner besuchen. Meine Mutter holte mich mit ihrem Freund ab (wohnen weiter weg), ich habe dann mein Baby gestillt und hingelegt, machte daraufhin ganz selbstverständlich den Haushalt, keine Feier für uns, niemand, der sich freute. Die Familie des Kindsvaters ist natürlich JETZT Feuer und Flamme für den tollen, süßen Enkel, den ich schon halb erzogen, windelfrei und die ein oder anderen Manieren beigebracht habe…

Als ich von der Schwangerschaft seiner Partnerin erfuhr brach alles für mich zusammen. Sie bekam all die Aufmerksamkeit, die ich mir so sehr gewünscht hatte für uns. Wenn wir wegen unseres Kindes telefonierten kamen natürlich auch andere Sachen zur Sprache. Und jeder Satz tut so furchtbar weh:

„Meine Frau hat Schmerzen. Der geht es heute gar nicht gut, ich werde das nachher mit dem einkaufen erledigen.“

Ich bin mit dem Kinderwagen bzw. einer Kindertrage im Winter durch knietiefen Schnee, jeden Tag, ich besitze keinen Führerschein also auch kein Auto.

„Schau mal, hier ist das Ultraschallfoto, gerade 16. Woche.“

Als ich in der 16. war wurde ich mit Hassnachrichten bombadiert.

Die Geburt hat mir körperlich nichts ausgemacht, was mich nicht wundert. Der Arzt und die Hebamme waren überrascht, 3 Mal pressen, fertig. Ich bekam keine Schmerzmittel, es ging zu schnell. Zu wissen, dass der Mann, den man liebt(e) gerade bei einer anderen ist während man sein Kind kriegt ist nicht so schön.

Gegenwart:

Vor einigen Tagen habe ich durch Zufall eine Reportage über Depressionen und Angstzustände gesehen. Ich habe mich nicht selbst diagnostizieren wollen, aber wie ich dort so einiges sah kam mir in den Sinn, dass meine Schmerzen nicht physischer Natur sind, sondern seelisch sind. Und so bescheuert es auch klingen mag aber als ich den nächsten Morgen wach wurde hatte ich diese furchtbaren Kopfschmerzen nicht mehr.

Ich sprach mit meiner Mutter. Das erste Mal in meinem Leben habe ich ganz offen gesagt „Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr.“

Ich erklärte ihr wie ich mich fühlte, damit kann sie nicht umgehen.

„Es könnte sein, dass ich depressiv bin, oder irgendeine andere seelische Erkrankung habe.“

„Ja, wie jetzt. Was soll das heißen?“

„Ich will eine Therapie.“

„Du bist bisschen überarbeitet, das ist alles. Wenn man alles alleine macht dann ist man schon mal fertig und müde. Ich weiß wovon ich da rede. Ruh’ dich bisschen aus, dann sieht die Welt wieder anders aus. Mach dir ein schönes heißes Bad…“

„… mit einem Bad ist es nicht getan, Mama.“

„…“

„Ich kann nicht mehr. Ich _kann_ nicht mehr.“

„Du darfst nicht sagen, dass du krank bist, hörst du? Du kriegst dein Kind nie wieder. Die nehmen dir das Kind weg, wenn die das wissen.“

Das hat gesessen. Mein höchstes Gut ist mein Kind. Nicht nur wegen mir sondern auch für mein Kind will ich, dass es mir besser oder überhaupt mal gut geht. Aber ich kann es nicht ertragen, wenn mein Sohn wirklich nicht mehr bei mir leben dürfte.

Ich habe nie den Mut gehabt zu einem Arzt zu gehen und zu sagen, ich bauche Hilfe. Ich fühle mich eigentlich nun fast so weit. Ich habe mittlerweile einen guten Hausarzt, dem ich vertraue. Ich glaube nicht, dass ich morgen arbeiten gehen werde, ich möchte eigentlich zu ihm. Aber ich weiß nicht was gemacht werden muss. Ich brauche eine Therapie. Aber einen Therapieplatz bekommt man in diesem Jahr wohl nicht mehr als Kassenpatient. Vielleicht Einweisung, ich habe keine Ahnung von sowas.

In erster Linie will ich nur nicht, dass mir mein Kind weggenommen wird oder ich es nur noch unter Aufsicht irgendwelcher Leute sehen darf.

Danke, dass man sich die Zeit genommen hat. Schönen Abend noch.

Hallo

Du hast ja ziemlich detailliert geschildert und auch selbst reflektiert. Da bleiben eigentlich keine Fragen offen.

Du solltest auf jeden Fall mit deinem Hausarzt darüber reden. Er wird dir Vorschläge machen was die nächsten Schritte sein können.

Wenn du eine Therapie brauchst, heist das nicht, dass du dein Kind für immer verlierst. Wenn dir die Therapie helfen sollte, wirst du dich wieder um dein Kind kümmern können. Du hast es ja schließlich selbst zu seinem Vater gegeben weil du dich momentan nicht drum kümmern kannst. Von daher ist deine Angst, wegen einer Therapie das Sorgerecht verlieren zu können, eher paradox. Denn eine Therapie ist eher die Vorraussetzung dafür, dass du dich wieder um dein Kind kümmern kanns.

Hallo,
Du bist stark! Du schaffst das. Dein Lebenslauf war steinig und zeigt jetzt seine Spuren, aber ich bin ganz fest davon überzeugt, dass Du aus der Krise herauskommst. Waum? Weil Du Deinen Willen nicht verloren hast, weil Du in der Lage bist zu reflektieren und (ganz unwichtig eigentlich) in der Lage bist einen derart emotionalen Brief zu gliedern, so dass es einem sehr leicht fällt Dir zu folgen und zu verstehen.

Du machst es ganz richtig: Du hast Dein Kind erstmal in Sicherheit gebracht. Höre nicht auf Deine Mutter und lasse Dir helfen! Lasse Dich erstmal im Krankenhaus auf das Organische durchchecken und wenn physische Ursachen ausgeschlossen sind, mache eine Therapie. Welche für Dich geeignet ist, wird man Dir sagen.

Viel Glück und Kopf hoch!

Hallo kosh,

ich kenne eine Menge Eltern, die beim Facharzt für Psychiatrie ein und aus gehen. Da treffe ich sie im Wartezimmer. Beim Therapeuten sicher auch. Allein, dass es Familientherapie (die ich hier nicht empfehlen sondern als Beispiel anführen möchte) gibt, zeigt doch dass psychische Probleme per se kein - absolut kein - Grund sind, jemandem das Kind wegzunehmen.

Schon gar nicht wenn dieser jemand, so wie du, derart nachvollziehbar seine Situation analysiert und derart nachvollziehbar argumentiert und handelt.

Sprich mit deinem Hausarzt über den Verdacht von Depressionen, besorg dir gegebenenfalls eine Überweisung zum oben genannten Facharzt, und organisiere dir eine Therapie, ich würde da einen Psychologen mit Ausbildung zur Psychotherapie empfehlen (Erfahrungswert meinerseits). Ev. hat auch der Facharzt, den du ja aufsuchst, diesbezüglich eine Empfehlung für dich. Lass dich nicht vom Hausarzt mit Medikamenten abspeisen, gehe unbedingt zum Facharzt.

Ich denke dies ist der Weg binnen einiger Wochen, ev. durch (temporäre) medikamentöse Unterstützung, wieder die Kraft zu finden, dich ausreichend um deinen Sohn zu kümmern. Die einzige Frage wird wohl sein, falls Medikamente ins Spiel kommen, ob du noch stillst :wink: und dem ist ja nicht so.

Der wesentliche Punkt ist, dass du dir einen Therapeuten/eine Therapeutin für eine Einzel-Gesprächstherapie suchst bei dem/der du nach und nach aufarbeitest, was dir über die Jahre zugemutet wurde.

Dein Posting kam spät in der Nacht, und da (wiederum erfahrungsgemäß) die Gedanken umso dunkler werden, je schwärzer die Nacht wird, möchte ich dich nicht allein gelassen wissen: Falls also der Druck an irgendeinem Tag/Abend zu stark werden sollte lass ihn mal ab, wenn du magst per PM (private message) über das Briefsymbol an mich. Ich bin aber nicht die ganze Nacht auf, und antworte sobald nach dem Aufstehen der Kaffee wirkt. Bzw. falls alle Stricke reißen sollten hilft auch hier. Bevor dir die Gedanken über den Kopf wachsen ist das eine Option, wie ich meine.

Du hast dich enorm durchgekämpft, das ist schon Hochachtung wert, kein Wunder, dass dann mal die Puste raus ist. Nimm jede Hilfe die du bekommen kannst - vor allem professionelle - und lass jene, die dich nach unten ziehen, vorerst außen vor.

Grüße
fliegerbaer

Noch ein Gedanke
Hallo und Guten Morgen,

was mir in deinen Ausführungen gefehlt hat ist, ob der Vater die letzten 2 1/2 Jahre in irgendeiner Form Alimente für euren gemeinsamen Sohn gezahlt hat. Falls nicht wäre das unbedingt eine Frage im Rechtsbrett wert.

Es mag momentan evtl. zu viel für dich sein und wie ein zusätzliches Problem aussehen, oder wie ein zusätzlicher Streit, den du jetzt nicht brauchen kannst, aber aus finanzieller Sicht und in Bezug auf Einfordern der Dinge, die dir zustehen, verliere es nicht aus den Augen.

Grüße
fliegerbaer

Hallo,

danke für die Antworten. Finanzielles war nie ein Problem seitens des Vaters.

MfG

Guten Morgen und Danke,

ich war bereits beim Arzt und bin jetzt krankgeschrieben. Ich habe zwar eine Überweisung bekommen und 3 Adressen, aber allein bei denen werde ich nicht vor Anfang nächsten Jahres einen Termin bekommen. (wohne in H)

Damit war natürlich zu rechnen, Therapeuten sind ja ausgebucht ohne Ende. Ich kenne in Hannover keine Anlaufstelle wo ich kostenfrei diese Dinge alle besprechen kann. Ich möchte das gerne so schnell wie möglich machen, ich weiß, dass die Praxen platzen vor Anfragen, aber ich weiß nicht wie ich das schaffen soll bis dahin. Oder wie es zu überbrücken ist.

MfG

Hallo Kosh,

eins vorab: Ich finde es bewundernswert, dass Du es überhaupt so weit geschafft hast und auch jetzt noch in der Lage bist zu reflektieren und zu handeln. Alle Achtung!

Schau mal, ob Dir der ein oder andere Link weiterhilft:
http://www.psychotherapiesuche.de/
http://www.deutsches-depressionsportal.de/index.php
http://www.depressionen-depression.net/pages/selbsth…
http://www.deutsche-depressionshilfe.de/?r=p
Vielleicht kann Dein Arzt Dir im Rahmen einer Kur einen Platz besorgen. Die hier genannten Adresse wären auch für Dich passend:
/t/klinik-fuer-kur/6870524

Gruß
M.

Generationenfrage und Tabu-Themen
Hi!
Zum Thema: Depressionen und wie die Umgebung damit umgeht. Mehrere Gedanken, die auch auf eigener Erfahrung beruhen.

Sagt man, es gehe einem nicht gut und man habe Depressionen, so bekommt man meist die immer selbe (hilflose und wenig hilfreiche) Reaktion:
das wird schon wieder, guck mal, wie gut es Dir eigentlich geht, ich kenne jemanden, dem geht es noch viel schlechter.
Meine Antwort: Das ist kein Wettbewerb, wem es noch schlechter geht. Man möchte einfach wahrgenommen werden, wenn es einem nicht gut geht und nicht verglichen mit schlimmeren Fällen. Plumpe Aufmunterungsversuche sind nicht hilfreich. Das Gegenüber kann das verstehen oder auch nicht, das muss man lernen und sich entsprechende Gesprächspartner suchen.

Und im Grunde muss Dir einfach klar werden: Das kann kein Freund, kein normaler Mensch. Du brauchst einen Profi. Also: nimm all Deine Energie zusammen und geh zum Arzt! Dabei wiederum kann Dir ein Dritter vielleicht helfen, Dich begleiten. Ansonsten gibt es viele Anlaufstellen: Beratungsstellen, Kirchen, psychologische Ambulanzen.

Ich sprach mit meiner Mutter. Das erste Mal in meinem Leben
habe ich ganz offen gesagt „Ich kann nicht mehr, ich will
nicht mehr.“

Völlig falsche Ansprechperson.
Deine Aussage muss ihr wie eine Anklage vorkommen, sie muss sie ablehnen, sonst müsste sie ja ihre Schuld an Deiner Lage anerkennen.

Außerdem sollte Dir klar sein, dass die ältere Generation (viele davon, nicht alle natürlich) es nie gelernt hat, über Gefühle zu sprechen. Das gilt als persönliche Schwäche.

„Du darfst nicht sagen, dass du krank bist, hörst du? Du
kriegst dein Kind nie wieder. Die nehmen dir das Kind weg,
wenn die das wissen.“

Das ist mal Quatsch.
Wenn Du zeigst, dass Du Verantwortung für Dein Leben übernimmst, wird das Jugendamt oder Familiengericht das anerkennen. Verantwortung übernimmst Du, wenn Du Deine Krankheit anerkennst und Dich um deren Behandlung kümmerst.

Ich habe nie den Mut gehabt zu einem Arzt zu gehen und zu
sagen, ich bauche Hilfe. Ich fühle mich eigentlich nun fast so
weit. Ich habe mittlerweile einen guten Hausarzt, dem ich
vertraue. Ich glaube nicht, dass ich morgen arbeiten gehen
werde, ich möchte eigentlich zu ihm. Aber ich weiß nicht was
gemacht werden muss. Ich brauche eine Therapie. Aber einen
Therapieplatz bekommt man in diesem Jahr wohl nicht mehr als
Kassenpatient. Vielleicht Einweisung, ich habe keine Ahnung
von sowas.

In erster Linie will ich nur nicht, dass mir mein Kind
weggenommen wird oder ich es nur noch unter Aufsicht
irgendwelcher Leute sehen darf.

All dies sagst Du dem Arzt genau so, wie Du es hier schreibst. Wenn Du das Gefühl hast, Du kommst nicht weiter, geh zu einer der Ambulanzen!

Noch was, von mir und rückblickend: Du musst natürlich klären und sehen, was Dir alles so widerfahren ist. Du darfst Schuldige suchen und klar adressieren. Aber Du solltest irgendwann an einen Punkt kommen, an dem Du sagen kannst: All dies ist jetzt vorbei, ich blicke nach vorn und nehme mein Leben selber in die Hand. Weißt Du, Du hast nur das eine davon. Und um immer rückwärts auf all das Üble zu blicken, dazu ist es viel zu schade.

Lass Dir helfen! Und zwar von Leuten, die das können, erwarte das nicht von Deiner Mutter.

Viele gute Wünsche
kernig