Schläge & glückliche Kindheit?!?

Hi,

ein Freund von mir, den ich noch nicht so lange kenne, wirkt auf mich häufiger unsicher (dementsprechend, dass sein Selbstwertgefühl stabiler sein könnte). Zum Beispiel habe ich bereits einige male mitbekommen, dass er sich von Situationen in seinem Alltag (z.B. Straßenverkehr) oder von Aussagen seiner Mitmenschen persönlich angegriffen fühlt, obwohl das objektiv gesehen wirklich Humbug ist.
Auch weiß ich von ihm, dass er in seiner Kindheit geschlagen wurde.
So ging ich (als „alte Analytikerin“ :wink:) davon aus, dass er keine allzu schöne Kindheit hatte.
Als „Bestätigung“ diente mir noch die Theorie, dass Wut und Zorn -und so erlebe ich ihn öfters- ihren Ursprung in mangelnder kindlicher Zuneigung finden.

Gestern nun sagt jener, inzwischen über 50 J., im Gespräch, dass er eine glückliche Kindheit gehabt habe. Ein vehementes Widersprechen liegt mir auf der Zunge, kann mich gerade noch zusammenreißen und fragen, was denn ausschlaggebend dafür war, dass er seine Kindheit als glücklich bezeichne.
Die folgende Aufzählung umfasste -in meinen Augen- Äußerlichkeiten. Er erzählte mir von der Vorbereitung aufs Leben, sowohl beruflich als auch die Widrig- und Schändlichkeiten des Lebens betreffend.
Auf mein Nachfragen hin meinte er, dass er eine gute emotionale Stabilität mitbekommen habe.

Auf meinen Einwand, dass er ja von seinem Vater geschlagen worden sei, meinte er, „dass dies ja nur dann passiert sei, wenn er es auch verdient habe“. (Eine Grundsatzdiskussion darüber, dass es in meinen Augen kein „verdientes Schlagen“ gibt, fand ich in dem Gespräch unangebracht.)

Wer von euch kann mir nun erklären, wie es kommt, dass jemand, der als Kind geschlagen wurde (und nicht zu wenig), seine Kindheit als glücklich bezeichnet?
Wie kann jemand davon sprechen, dass die Schläge „ok waren, denn sie waren ja gerechtfertigt“?
Wird da verdrängt und beschönigt oder bin ich diejenige, die zu sehr in ihren Kategorien verhaftet ist und „Geister sieht wo gar keine sind“?

Neugierig grüßt
jeanne

Hallo Jeanne,

ich kann Dir vorab eine lesenswerte Internetseite empfehlen:

www.alice-miller.com.

Dies ist eine Psychoanalytikerin, die sich mit Gewalt und sexuellem Mißbrauch auseinandergesetzt hat. Hervorragende Leseproben und Artikel findest Du da. Völlig selbsterklärend und zu verstehen, beschreibt Sie die Situation der misshandelten Kinder.

Es ist ein normaler Prozess, daß Kinder sogar schlagende Eltern als „lieb“ und „nett“ beschreiben, weil si abhängig von den Eltern waren. Schläge gegenüber den Kleinen sind nicht normal und zeugen eher von der eigenen Ohnmacht, daß solltest Du Deinem Freund versuchen, verständlich zu machen. Kinder die in Gewalt aufwachsen, geben Gewalt weiter. So geht das die ganzen Generationen weiter. Deshalb ist es wichtig, das Gespräch zu suchen und das Problem endlich zu lösen…

Gruß
Michael

www.alice-miller.com.

Dies ist eine Psychoanalytikerin, die sich mit Gewalt und
sexuellem Mißbrauch auseinandergesetzt hat. Hervorragende
Leseproben und Artikel findest Du da. Völlig selbsterklärend
und zu verstehen, beschreibt Sie die Situation der
misshandelten Kinder.

Es ist ein normaler Prozess, daß Kinder sogar schlagende
Eltern als „lieb“ und „nett“ beschreiben, weil si abhängig von
den Eltern waren. Schläge gegenüber den Kleinen sind nicht
normal und zeugen eher von der eigenen Ohnmacht, daß solltest
Du Deinem Freund versuchen, verständlich zu machen. Kinder die
in Gewalt aufwachsen, geben Gewalt weiter. So geht das die
ganzen Generationen weiter. Deshalb ist es wichtig, das
Gespräch zu suchen und das Problem endlich zu lösen…

Hallo Michael,

Alice Miller ist ja gut und recht, aber auch nicht die Lösung für alles. Ich versteh schon, dass dich das
beeindruckt, sie schreibt ja auch beeindruckend, aber auch sie hat ihre Grenzen.
Dass dieser Freund der UP seine Kindheit als glücklich darstellt, ist ganz klar, das ist ein
Abwehrmechanismus. Er würde anders nicht damit fertigwerden, also redet er sie sich gut bzw. hat eine
glückliche Kindheit konstruiert. So was nennt man konstruierte Erinnerung, soviel ich weiß. Die
Abhängigkeit spielt natürlich auch eine Rolle.
Ich musste eigentlich einfach nur zum Ausdruck bringen, dass es mich ein bisschen nervt, wenn mit
Alice Miller hausiert wird. Nix für ungut. :wink:
Außerdem steht gar nicht fest (oder hab ich was überlesen?), ob der besagte Freund selber auch
gewalttätig ist.

Schönen Abend

1 Like

Hallo Corinna,

ich akzeptiere Deine Sichtweise, keine Frage.

Leider hängt sehr viel - wenn nicht alles - mit unserer Kindheit zusammen. Wir als Eltern bilden die Zukunft unserer Menschen heran, so sehe ich das. Kinder die lieben sollen, müssen als Kind geliebt worden sein. Kinder sind als Erwachsene erst zur Liebe fähig, wenn sie selbst erfahren haben, was Liebe ist.

Gruß
Michael

Hallo Corinna,

Außerdem steht gar nicht fest (oder hab ich was überlesen?),
ob der besagte Freund selber auch gewalttätig ist.

Nein, du hast nichts überlesen.
Ich persönlich habe ihn noch nie gewalttätig erlebt.
Allerdings habe ich bereits häufiger den Spruch in bezug auf Kinder gehört: „Dem müsste man mal einen Klaps geben!“.
Ich denke also, in dem Moment, in dem er aktiv an der Erziehung von Kindern beteiligt wäre, wäre er nicht abgeneigt?!

Warum ich in diesem Moment nicht einharke, liegt daran, dass ich selber demgegenüber zwiespältig bin.
Schlagen ist definitiv tabu, keine Frage.
Aber ein Klaps?!
Meine Mutter hat mich mit tagelangem Schweigen gestraft.
Ich habe mir als Kind häufig gewünscht, sie hätte mir mal „eine runtergehauen“, weil klar war, der körperliche Schmerz geht schneller vorbei und er sitzt nicht so tief.

Nicht strafen sondern „Konsequenzen auf die Tat folgen lassen, die damit in Zusammenhang stehen“, so habe ich das in meiner Erzieher-Ausbildung gelernt. Ob das der Weisheit letzter Schluss ist, sei die eine Frage; dass das definitiv nur als Erzieher möglich ist, weil man man emotional nicht involviert ist und als Elternteil fast unmöglich, weil es jeglicher Spontanietät entbehrt, das steht auf einem anderen Blatt.

Aber zurück,
ja, das habe ich mir gedacht, dass er das im Rückblick verherrlicht.

Aber, so wie auch gestern abend, ertönt da in fetten Lettern:
Muss die Kindheit wirklich unglücklich gewesen sein?

Will heißen,
wir alle, die wir uns mit Psychoanalye, mit der Psyche des Menschen allgemein, befassen,
gehen davon aus, dass er unglücklich sein muss , eben aufgrund seiner Vergangenheit (und bzgl. meiner ganz persönlichen Analyse aufgrund seines Verhaltens).
Er sagt, dass er glücklich sei.

Ist da nicht was falsch??? Gehen „wir“ da nicht viel zu sehr nach der Theorie, dass das so nicht stimmen kann.
Der Umkehrschluss wäre doch fatal: Ich müsste ihm einreden: Nein, du bist unglücklich, du hattest keine gute Kindheit!
Das kann ja so auch nicht stimmen!

Immer noch verwirrt
grüßt jeanne

Hi,

ich kann wieder nur von mir selbst und von Mitmenschen ausgehen, die als Kinder geschlagen wurden.
Schlagende Eltern sind evtl. eher strenge, aber konsequente Menschen, zumindest wenn sie Schläge als
Strafe einsetzen. Das Kind durchschaut relativ schnell, wann es Schläge „verdient“ hat, und lernt dann
auch, dass das zuhause die normale Bestrafung ist. Das ist halt so, das stellt man nicht in Frage, und
wer später sagt, dass Schläge blöd seien, der beleidigt damit ja gleich meine Eltern.
Wenn also die Schläge von Außenstehenden in Frage gestellt werden, dann wird ja meine gesamte
Erziehung und mein Weltbild in Frage gestellt. Und auch ich selbst, denn es impliziert ja, dass aus mir
„nichts geworden“ sein kann, wenn ich mit Schlägen erzogen wurde.
Das führt dann auch dazu, dass ebendiese Kinder als Erwachsene schnell sagen „ein Klaps schadet nie“,
weil sie denken „hat mir ja auch nicht geschadet“ und „wieso sollten es andere besser haben als ich“.
Bzw. ist ein Schlag ja letzten Endes ein Zeichen von Schwäche, er wird dann eingesetzt, wenn sich
Mutter/Vater nicht anders zu helfen weiß. Insofern sind es eher schwächere Menschen, die mit dieser
Hilfe erziehen, und die so erzogenen Kinder sind auch wieder unterdrücktere Kinder, die eben später
genauso ihr Kind schlagen: weil sie sich nicht anders zu helfen wissen.
Was ich mir auch ncoh vorstellen könnte, ist, dass Strenge ein gewisses Behütet-sein hervorruft. Man
weiß genau, was man machen darf und was nicht, und das gibt Sicherheit.

Ich selber beschreibe meine Kindheit zwar im Nachhinein als weniger schön, aber über die Schläge
beschwert habe ich mich nie. Erstens gab es Schlimmeres, zweitens habe ich diese eben schon so früh
gelernt, dass sie zu meinem Weltbild gehörten, und drittens weiß ich, dass meine Eltern in dem Moment
wirklich schwach waren, und darauf würde ich im Nachhinein ungern herumreiten. Auch müssen
Schläge nicht unbedingt mangelnde Zuwendung bedeuten - und wer weiß, vielleicht ist es immer noch
ein größeres Zeichen von Zuwendung (denn die Schläge sind ja immer eine absehbare Reaktion auf
etwas, das man getan hat) als Eltern, denen alles egal ist, was das Kind macht.
Nicht falsch verstehen, ich würde auch alles tun, damit mir später mal nicht die Hand ausrutscht.
Allerdings frage ich mich, wie es vor hundert Jahren war, als Schläge angeblich an der Tagesordnung
waren. Gab es da nur verkorkste Kindheiten?

Gruß
Judith

Hallo,

Leider hängt sehr viel - wenn nicht alles - mit unserer
Kindheit zusammen.

Darüber ließe sich trefflich streiten. Zum einen negiert es den Bereich „Vererbtes“, zum anderen spricht uns diese These in ihrer Absolutät die freie Entscheidung ab.

Wir als Eltern bilden die Zukunft unserer
Menschen heran, so sehe ich das. Kinder die lieben sollen,
müssen als Kind geliebt worden sein.
Kinder sind als
Erwachsene erst zur Liebe fähig, wenn sie selbst erfahren
haben, was Liebe ist.

Und wieso glaubst du, dass Eltern, die ihre Kinder schlagen, diese nicht lieben? (NB: Ich bin für eine gewaltfreie Erziehung, es gibt für mich Erklärungen, warum Erwachsene Kinder schlagen, keine Entschuldigungen - dennoch frage ich mich, ähnlich wie Vorposter, ob diese rakikale Aussage so überhaupt stimmen kann.)

Gruß
Elke

Projektive Identifikation
Moin Jeanne
Die kennen wir doch balle, diese unmsere Pappenheimer, die uns von ihrer glücklichen Kindheit berichten, von ihren Eltern, die sich nur um ihr Wohlergehen kümmerten, die sich „krumm gelegt haben“, damit aus ihnen (den Kindern) etwas werden konnte und von den Schlägen, die ihnen nicht geschadet haben.
In zugespitztem Maßew findest Du das auch bei Menschen, die lange in Gulags, Konzentrationslagern oder Stasi-Haft waren. Die sind zum Teil gebrochene Persönlichkeiten; manche von ihnen „überleben“ psychisch nur, weil sie sich ein Stück weit mit dem Aggressor identifiziert haben. Damit ein Stück Macht übrig bleibt. Damit sie nicht zu nichts zerfallen.
Gruß,
Branden

naja…
hi,

wer was wie für sich bewertet muss die angelegenheit eines jeden selbst bleiben.

du versuchst erklärungen für dinge zu finden, die überhaupt nicht in deinen bereich fallen.

bist du vielleicht ärgerlich darüber, dass jemand seine kindheit als schön bezeichnet und seine täglichen übertreibungen als normales alltagsgeschehen annimmt?

es gibt keine psychologische erklärung dafür, gewissermassen auf meta-spekulatorischer ebene, warum eine person seine kindheit als glücklich bezeichnet, obwohl andere das anders sehen. die frage, warum DIR das wichtig ist, scheint besser erklärbar zu sein, da es sich bei dir um eine person handelt, die hier im forum etwas schriftlich von sich gibt, auf das man konkret eingehen kann.

Hai, Jeanne,

ich hatte mehr als eine Kindheit.

Da war einmal die mit meinem Papi. Mein Papi hat seinem Chef ein Ohr abgekaut, daß er seinen Urlaub übers Jahr verteilt an einem Tag in der Woche nehmen kann - damit wir mit dem Hort zum Schwimmen konnten. Mein Papi hat sich in einem anderen Jahr seinen Urlaub komplett in die Sommerferien gelegt, ein kleines Boot gekauft, seine blöde Freundin zuhause sitzen lassen und ist mit mir den ganzen Sommer auf den Berliner Seen geblieben. Mein Papi ist mit mir auf den Rummel gegangen und ich durfte alles solange fahren, bis mir schlecht war. Mein Papi ist jeden Nachmittag auf den Bauspielplatz gekommen und hat mir bei meiner Hütte geholfen. Mein Papi war ein toller Papi, mit dem man super spielen und toben konnte…

Und dann war da mein Erzeuger. Nachdem meine Mutter gestorben war, war er zunehmend in Kneipen, statt zuhause. Er ging immer arbeiten, doch reichte das Geld immer weniger weit. Manchmal ist er tagelang auf Sauftouren verschwunden, ohne Gedanken daran, daß da ein hungriges Kind sitzt. Ziemlich schnell hab ich gelernt, daß es besonders am Monatsende gefährlich wurde, wenn er in den Kneipen der Umgebung nicht mehr anschreiben lassen konnte. Mein Erzeuger hat mir am ersten Ferientag 6 Wochen Stubenarrest verpasst und als ich trotzdem zum Bauspielplatz bin, hat er mich abgeholt - auf dem Fahrrad sitzend und mich mit einer Reitgerte vor sich her prügelnd. Die einzige Schulnote, die ihn je interessiert hat, war eine 2 in Betragen in Reli - seinem Unmut gab er mit der Gerte Ausdruck. Meinen Wunsch, Abi zu machen und dann zu studieren, quittierte er mit „Wenn Du’n Stecher findest, der Dich solange durchfüttert…“

Ich bin mir ganz sicher, daß mein Papi mich liebt und ich hatte mit ihm eine wunderschöne Kindheit. Und ich bin mir ebenso sicher, daß mein Erzeuger mich immer als Belastung empfunden hat, die er am liebsten irgendwo in eine Tonne getreten hätte und meine Kindheit war durch ihn fürchterlich. Und beide sind eine Person…

Und da es außer dem noch die Schule und meine Tante und die Freunde gab, sag ich heute: insgesamt war meine Kindheit doch recht glücklich.

Gruß
Sibylle

Hallo,

Leider hängt sehr viel - wenn nicht alles - mit unserer
Kindheit zusammen.

Darüber ließe sich trefflich streiten. Zum einen negiert es
den Bereich „Vererbtes“, zum anderen spricht uns diese These
in ihrer Absolutät die freie Entscheidung ab.

Hallo eklastic,

warum sollte es die freie Entscheidung absprechen? Das Kind wird durch Erziehung oder besser gesagt durch Vorbilder geformt. So gesehen hätte niemand freie Entscheidungskraft, denn wir können uns als Kind nicht aussuchen wo wir leben und bei wem.

Und wieso glaubst du, dass Eltern, die ihre Kinder schlagen,
diese nicht lieben? (NB: Ich bin für eine gewaltfreie
Erziehung, es gibt für mich Erklärungen, warum Erwachsene
Kinder schlagen, keine Entschuldigungen - dennoch frage ich
mich, ähnlich wie Vorposter, ob diese rakikale Aussage so
überhaupt stimmen kann.)

Warum Eltern Kinder schlagen interessiert das Kind noch nicht, da es die Zusammenhänge noch nicht begreift. Das Kind erfährt aber Emotionen dabei. Eltern die schlagen wurden selbst geschlagen. Oft zieht sich das über Generationen hinweg, bis dieser „Bann“ gebrochen wird. Ob man das als Liebe bezeichnen kann, wenn jemand schlägt? Mag sein, daß solche Eltern noch zu Liebe fähig sind, aber welches Kind kann Schläge als Liebe verstehen? Wenn es das als Liebe so lernt, so erhält das Kind eine völlig falsche Vorstellung von Liebe und wird diese an seine eigenen wieder weitergeben. Leider denken viele Erwachsene, daß man seine Eltern ehren soll, ist schon seit Urzeiten das 4. Gebot. Und dieses Gebot ist nicht haltbar, wenn man zuschlägt. Es ist ein Unding, von geprügelten Kindern zu erwarten, sie sollen Ihre Eltern lieben.

Gruß
Michael

Hallo Mikhael,

warum sollte es die freie Entscheidung absprechen? Das Kind
wird durch Erziehung oder besser gesagt durch Vorbilder
geformt. So gesehen hätte niemand freie Entscheidungskraft,
denn wir können uns als Kind nicht aussuchen wo wir leben und
bei wem.

So wie du es formuliert hast, hat es einen Absolutheitsanspruch: Wer eine besch** Kindheit/Erziehung hinter sich hat, kann später nur besch** Entscheidungen treffen.
Gerade dein Diktum: „Wer Kinder schlägt, wurde selbst geschlagen.“ ist in seiner Einfachheit einfach falsch. Es negiert die Möglichkeit, dass jemand diesen Kreislauf durchbricht. Auch kenne ich zwei konkrete Fälle, Eltern, die als Kind nicht geschlagen wurden, und dennoch heute eine Erziehung mit Klapsen und Kochlöffelschläge praktizieren (bevor jemand aufschreit: beide Mütter leben in Südafrika, wo sowas erlaubt ist - d.h. ich kann zwar reden, aber mich nicht wirklich einmischen).

Ob man das als Liebe bezeichnen
kann, wenn jemand schlägt?

Das ist eine seltsame Logik. Es kann aber durchaus sein, dass das eine, das andere nicht ausschließt. Ich möchte nicht allen Eltern, die ihr Kind mit Schlägen/Klapsen erziehen, automatisch die Fähigkeit zu lieben absprechen.

Es ist ein Unding, von geprügelten Kindern
zu erwarten, sie sollen Ihre Eltern lieben.

Das wiederum ist ein ganz anderes Thema. Liebe ist überhaupt nie einzufordern und zu erwarten. Dass es bestimmte Religionen /Geisteshaltungen gibt, die Liebe für einforderbar halten, hat nichts mit der Diskussion hier zu tun.

Gruß
Elke

Hallo Elke,

ich erhebe keinen Absolutheitsanspruch auf meine Zeilen. Vielleicht klingt es für Dich nur so. Es ist überhaupt schwer im Internet seine Meinung „normal“ zu präsentieren. Man sieht keine Mimik, nichts dergleichen, nur Worte. Und Worte können gewaltiges ausrichten.

So wie du es formuliert hast, hat es einen
Absolutheitsanspruch: Wer eine besch** Kindheit/Erziehung
hinter sich hat, kann später nur besch** Entscheidungen
treffen.

Das meine ich nicht so, oft gehen Kinder einen ganz anderen Weg.
Aber leider sagen die Statistiken in der Mehrheit der Fälle bei geschlagenen und sexuell mißbrauchten Kindern leider das Gegenteil aus.

Gerade dein Diktum: „Wer Kinder schlägt, wurde selbst
geschlagen.“ ist in seiner Einfachheit einfach falsch. Es
negiert die Möglichkeit, dass jemand diesen Kreislauf
durchbricht.

Wie gesagt, auch eine völlig gegenteilige Reaktion kann der Fall sein.

Auch kenne ich zwei konkrete Fälle, Eltern, die

als Kind nicht geschlagen wurden, und dennoch heute eine
Erziehung mit Klapsen und Kochlöffelschläge praktizieren
(bevor jemand aufschreit: beide Mütter leben in Südafrika, wo
sowas erlaubt ist - d.h. ich kann zwar reden, aber mich nicht
wirklich einmischen).

Das stellt meines Erachtens wiederum einen Ausnahmefall dar. Kinder lernen durch kopieren von Verhalten der anderen.

Das ist eine seltsame Logik. Es kann aber durchaus sein, dass
das eine, das andere nicht ausschließt. Ich möchte nicht
allen Eltern, die ihr Kind mit Schlägen/Klapsen erziehen,
automatisch die Fähigkeit zu lieben absprechen.

Ich spreche es nicht allen ab, stelle aber in Frage, daß Liebe mit Prügel zu tun hat.

Das wiederum ist ein ganz anderes Thema. Liebe ist überhaupt
nie einzufordern und zu erwarten. Dass es bestimmte
Religionen /Geisteshaltungen gibt, die Liebe für einforderbar
halten, hat nichts mit der Diskussion hier zu tun.

Es hat viel mit der Diskussion zu tun, denn Kinder werden von Anfang an meist in irgendeine Religion getrieben. Schon der Staat legt großen Wert auf seine Steuereinnahmen. Und die BRD war und ist noch ein christliches Land, die 10 Gebote werden noch gelehrt und somit sitzt das 4. Gebot tief in uns.

Gruß
Michael

Provokative Antwort:
Wir schreiben das Buch unseres Lebens täglich neu. Ist unsere und nur unsere Entscheidung. Und manche Entscheidung ist halt wichtig, um leben, vielleicht überleben zu können…

ein Freund von mir, den ich noch nicht so lange kenne, wirkt
auf mich häufiger unsicher (dementsprechend, dass sein
Selbstwertgefühl stabiler sein könnte). Zum Beispiel habe ich
bereits einige male mitbekommen, dass er sich von Situationen
in seinem Alltag (z.B. Straßenverkehr) oder von Aussagen
seiner Mitmenschen persönlich angegriffen fühlt, obwohl das
objektiv gesehen wirklich Humbug ist.

Nun dies ist Deine Einschätzung. Wie objektiv ist sie aus seiner Sicht? Hat es ihm bisher geschadet? Ist ja manchmal auch eine Überlebensstrategie. Ok, mitunter lästig …

Auch weiß ich von ihm, dass er in seiner Kindheit geschlagen
wurde.
So ging ich (als „alte Analytikerin“ :wink:) davon aus, dass er
keine allzu schöne Kindheit hatte.
Als „Bestätigung“ diente mir noch die Theorie, dass Wut und
Zorn -und so erlebe ich ihn öfters- ihren Ursprung in
mangelnder kindlicher Zuneigung finden.

Hm, also dann müsste ich der ausgesprochene Agressiviker sein! Vater, hohes Tier, gesoffen. Mutter, dieses Leben so nicht ertragen könnend, gesoffen. Nur ich hatte nix. Außer den Anblicken, wenn mein Vater meine Mutter schlug und den Schmerzen und den Gefühlen von Entwürdigung, wenn ich was auf den Hintern fing.

Gestern nun sagt jener, inzwischen über 50 J., im Gespräch,
dass er eine glückliche Kindheit gehabt habe. Ein vehementes
Widersprechen liegt mir auf der Zunge, kann mich gerade noch
zusammenreißen und fragen, was denn ausschlaggebend dafür war,
dass er seine Kindheit als glücklich bezeichne.

Meine provokative Frage: Was geht Dich das an? Hat er Dich gebeten, ihm zu helfen? Helfen dürfen bzw… sollten wir nur, wenn wir darum gebeten werden. Ungebetene Hilfe kann manchmal die größere Strafe sein. Sorry, ich empfinde es so.

Die folgende Aufzählung umfasste -in meinen Augen-
Äußerlichkeiten. Er erzählte mir von der Vorbereitung aufs
Leben, sowohl beruflich als auch die Widrig- und
Schändlichkeiten des Lebens betreffend.
Auf mein Nachfragen hin meinte er, dass er eine gute
emotionale Stabilität mitbekommen habe.

Nimm es doch hin, ist vielleicht seine Stütze oder gar seine Wahrheit für ihn.

Auf meinen Einwand, dass er ja von seinem Vater geschlagen
worden sei, meinte er, „dass dies ja nur dann passiert sei,
wenn er es auch verdient habe“. (Eine Grundsatzdiskussion
darüber, dass es in meinen Augen kein „verdientes Schlagen“
gibt, fand ich in dem Gespräch unangebracht.)

Danke, eine gute Entscheidung.

Wer von euch kann mir nun erklären, wie es kommt, dass jemand,
der als Kind geschlagen wurde (und nicht zu wenig), seine
Kindheit als glücklich bezeichnet?
Wie kann jemand davon sprechen, dass die Schläge „ok waren,
denn sie waren ja gerechtfertigt“?
Wird da verdrängt und beschönigt oder bin ich diejenige, die
zu sehr in ihren Kategorien verhaftet ist und „Geister sieht
wo gar keine sind“?

Wenn Du ihm helfen willst, so schaffe ihm Situationen, in denen er selber erkennen kann, was für ihn Phase ist. Konfrontierst Du ihn mit seinem so furchtbaren Kindheitserlebnissen, dann kann es geschehen, dass er ausrastet. Und dieses - verzeih mir - kann ich gut nachvollziehen …

Hier hilft nur Liebe, Verständnis, Zuneigung und Akzeptanz.

Hallo alpha,

ich finde dein posting anmaßend.
In meinen Augen ist es eine Unsitte, nicht auf eine Frage zu antworten, sondern den Fragesteller pseudozuanalysieren, was ihn zu der Frage veranlasst. Würfe ich den Ball zurück, müsste ich dich jetzt fragen, warum du so reagierst? Habe ich da ein Thema angeschnitten, das mit dir zu tun hat?

Aber auf diese Spielchen habe ich keine Lust, daher hier meine Antworten:

Seit nunmehr 20 Jahren interessiere ich mich dafür, warum der Mensch ist wie er ist, was bringt er mit, was hat welche Auswirkungen auf ihn, welche Möglichkeiten hat er, an sich etwas zu verändern, ich will sein Handeln und sein Fühlen verstehen, etc, etc…
Und genau aus diesem Grunde ist es mir ein Bedürfnis, zu verstehen, wie ein Mensch, der als Kind massiv geschlagen wurde, seine Kindheit als glücklich bezeichnen kann.
Nicht anderes, nichts weiteres.
Wenn du meine postings aufmerksam gelesen hast, dürfte dir nicht entgangen sein, dass ich sogar betont habe, dass ich ihm mit Sicherheit keine schlechte Kindheit einreden werde oder aufdrücken will.

wer was wie für sich bewertet muss die angelegenheit eines
jeden selbst bleiben.

Im Grunde stimme ich überein, allerdings kann ein Austausch, ein Hinterfragen auch anregend sein.

du versuchst erklärungen für dinge zu finden, die überhaupt
nicht in deinen bereich fallen.

In welchen meinen Bereich fallen sie nicht?
Meinen Bereich als neue Bekannte, als Zuhörerin?
Sie fallen definitiv in meinen Bereich, nämlich in den der Person, die ich dir oben beschrieben habe!

bist du vielleicht ärgerlich darüber, dass jemand seine
kindheit als schön bezeichnet und seine täglichen
übertreibungen als normales alltagsgeschehen annimmt?

Nein, ich bin überhaupt nicht ärgerlich darüber, ich möchte es einfach nur verstehen! (Wie ich bereits schrieb)

es gibt keine psychologische erklärung dafür, warum eine person seine
kindheit als glücklich bezeichnet, obwohl andere das anders
sehen.

Doch, lies mal das posting von Branden. Der kann dir das Phänomen bei Bedarf auch sicher noch näher erklären, falls es dich interessiert.

die frage, warum DIR das wichtig ist, scheint besser
erklärbar zu sein, da es sich bei dir um eine person handelt,
die hier im forum etwas schriftlich von sich gibt, auf das man
konkret eingehen kann.

Noch Fragen?

Gruß, jeanne

2 Like

Hallo Dineu,

Zum Beispiel habe ich
bereits einige male mitbekommen, dass er sich von Situationen
in seinem Alltag persönlich angegriffen fühlt, obwohl das objektiv ::gesehen wirklich Humbug ist.

Nun dies ist Deine Einschätzung. Wie objektiv ist sie aus
seiner Sicht? Hat es ihm bisher geschadet?

Wenn sich jemand persönlich angegriffen fühlt, weil jemand im Kreisverkehr nicht blinkt, oder weil bei einem Spaziergang durch Feld und Flur ein Unbekannter nicht „Guten Tag“ sagt, sorry, aber da reicht ein Hauch an Objektivität, vor allem wenn betreffende Person zugibt, dass sie sich darüber ärgert, weil sie sich persönlich angegriffen fühlt.

Meine provokative Frage: Was geht Dich das an?

Siehe meine Antwort an alpha.

Hat er Dich gebeten, ihm zu helfen?
Helfen dürfen bzw… sollten wir nur,
wenn wir darum gebeten werden. Ungebetene Hilfe kann manchmal
die größere Strafe sein.

Ich will ihm nicht helfen. Wüsste auch nicht bei was. Danke der Nachfrage.

Grüße, jeanne

hi

Oft zieht sich das über Generationen hinweg, bis
dieser „Bann“ gebrochen wird.

das ist einer der Gründe weswegen ich keine Kinder wollte … ich wollte „meine“ Kindern das ersparen - ich hatte Angst evtl. genauso zu werden wie meine Mutter

Ob man das als Liebe bezeichnen kann, wenn jemand schlägt?

sicher nicht !

Es ist ein Unding, von geprügelten Kindern
zu erwarten, sie sollen Ihre Eltern lieben.

und es wird immer und immer wieder von einem erwartet :frowning:( auch zu bverziehen, aber es gibt Dinge die kann ICH nicht verzeihen

Erwartet wird es aber wohl nur von Menschen, die selber nicht geprügelt wurden - du glaubst nicht wie oft ich entsetzte Äusserungen bekomme und schräg angesehen werde, wenn ich sage, dass ich meine Mutter nicht leiden kann und dass es mir vollkommen egal ist, ob sie heute oder in 5 jahren stirbt - es IST mir aber egal … Die Antwort ist immer: aber es ist doch deine Mutter

ja na und ?!?!?!?! Ich habe sie mir nicht ausgesucht und hätte ich sie mir aussuchen können, wäre hätte ich sie mir auch nicht ausgesucht

Dafür hänge ich sehr an meinem Vater (der mich nie geschlagen hat) und ich hänge sehr an meiner (Ex)Schwiegermutter (!!)

Gruß H.

Hi,

Hi zurück,

ein Freund von mir, den ich noch nicht so lange kenne, wirkt
auf mich häufiger unsicher (dementsprechend, dass sein
Selbstwertgefühl stabiler sein könnte).

Dh. erstmal nur, Du schätzt ihn höher ein als er sich selbst einzuschätzen scheint.

Zum Beispiel habe ich

bereits einige male mitbekommen, dass er sich von Situationen
in seinem Alltag (z.B. Straßenverkehr) oder von Aussagen
seiner Mitmenschen persönlich angegriffen fühlt, obwohl das
objektiv gesehen wirklich Humbug ist.

„Objektiv“ von Dir nur gesehen oder auch von anderen?

Auch weiß ich von ihm, dass er in seiner Kindheit geschlagen
wurde.

Menschen mögen Verletzungen auf psychischer und körperlicher Ebene unterschiedlich erleben. Inwiefern und inwieweit er hier was verdrängt, lässt sich nicht einfach einschätzen, wobei ich es doch sehr mutmaße. Geburtsschmerzen sind teils auch schnell vergessen. Sicherlich ist hier der Hintergrund ein anderer, da bei der körperlichen Züchtigung zu den körperlichen Schmerzen die Strafe kommt.

Die Frage ist, inwiefern „Strafe“, die nur als Straßmaßnahme angewendet wird, tatsächlich hilft? Wieviele Menschen sitzen im Gefängnis ihre „Strafe“ ab und haben aus ihrer Tat / ihrer Taten nichts gelernt und machen vielfach nach Entlassung wie gehabt weiter.

Dass ein Mensch alters- bzw. wenigstens gemäß seiner Reifeentwicklung Verantwortung für sein Tun übernehmen sollte, steht außer Frage. Doch Strafen von sogenannten Erziehungsberechtigten auf körperlicher Ebene halte ich für fatal.

So ging ich (als „alte Analytikerin“ :wink:) davon aus, dass er
keine allzu schöne Kindheit hatte.
Als „Bestätigung“ diente mir noch die Theorie, dass Wut und
Zorn -und so erlebe ich ihn öfters- ihren Ursprung in
mangelnder kindlicher Zuneigung finden.

Gestern nun sagt jener, inzwischen über 50 J., im Gespräch,
dass er eine glückliche Kindheit gehabt habe. Ein vehementes
Widersprechen liegt mir auf der Zunge, kann mich gerade noch
zusammenreißen und fragen, was denn ausschlaggebend dafür war,
dass er seine Kindheit als glücklich bezeichne.
Die folgende Aufzählung umfasste -in meinen Augen-
Äußerlichkeiten. Er erzählte mir von der Vorbereitung aufs
Leben, sowohl beruflich als auch die Widrig- und
Schändlichkeiten des Lebens betreffend.
Auf mein Nachfragen hin meinte er, dass er eine gute
emotionale Stabilität mitbekommen habe.

Die emotionale Stabilität scheinst Du ja nicht immer bei ihm zu sehen. Konfrontierst Du ihn in entsprechenden Situationen, in denen Du ihn als unsicher erlebst? Wobei es auch die Frage ist, will er da überhaupt hinsehen und sich mit sich auseinander setzen?!

Wer als Kind nicht die Erlaubnis hatte negative Gefühle äußern zu dürfen, sei es Enttäuschung, Wut und Ärger, auch auf die Eltern, wird da teils sicherlich allein Schwierigkeiten haben dran zu kommen. Hätte z.B. Kritik an Prügeln in der Kindheit noch weitere oder gar härtere Strafen bedeuten können, man ist ja abhängig als Kind, kann diese Angst vor Strafe bishin vorm Verlassenwerden im Erwachsenenalter immer noch wüten, auch wenn es dafür gar keine realistische Grundlage mehr geben mag.

Auf meinen Einwand, dass er ja von seinem Vater geschlagen
worden sei, meinte er, „dass dies ja nur dann passiert sei,
wenn er es auch verdient habe“. (Eine Grundsatzdiskussion
darüber, dass es in meinen Augen kein „verdientes Schlagen“
gibt, fand ich in dem Gespräch unangebracht.)

Ein sich etwas verdienen hat für mich nicht nur mit einem zurecht sondern auch mit was Positivem zu tun. Was ist das Positive an Prügel? Weshalb sind Körperstrafen in Deutschland nun verboten? Weshalb hatte er denn Prügel bekommen?

Was genau abgelaufen ist, weiß hier ja niemand. Wurde mit ihm im Vorfeld, vor der körperlichen Züchtigung, gesprochen? Inwiefern hatte sein Vater nur eine unterschiedliche Vorstellung von dem was richtig oder falsch ist als er und inwieweit wurde er hier möglicherweise auch nur aufgrund unterschiedlicher Weltbilder verprügelt, eben weil er als der Schwächere ausgeliefert und abhängig war, und ihm sein Vater seinen Stempel von richtig und falsch nur aufdrücken wollte? Wieoft konnte er einsehen, dass er etwas falsch gemacht hatte? Und konnte er auch was draus lernen, das ihn in seinem Willen und Ausdruck nicht einschränkte?

Selbst ist „Strafe“ bzw. das Tragen von Konsequenzen zurecht, so kann ich in einer physischen Bestrafung keinen Gewinn sehen. Und vor allem hätte er das was er möglicherweise daraus gelernt hat, nicht auf andere Weise auch verstehen und lernen können? Vor allem auf eine Weise die ihn eventuell weniger einschüchtert das Leben seiner Natur gemäß anzupacken und zu leben. Wer gestraft wird bzw. in Angst vor Strafe lebt, wird oftmals auch gehemmter sein sich auf das Leben einzulassen, sich auszuprobieren bzw. bestenfalls Dinge heimlich tun. Daraus könnten wieder andere Konflikte entstehen.

Wer von euch kann mir nun erklären, wie es kommt, dass jemand,
der als Kind geschlagen wurde (und nicht zu wenig), seine
Kindheit als glücklich bezeichnet?

Ich kann hier nur mutmaßen. Wie gesagt, vielleicht hat sich im Laufe der Jahre sein Blick verklärt, vielleicht negiert er die Prügel, weil ihn andere Dinge noch mehr verletzten. Ich denke, dass jemand der meint Prügel haben ihm nicht geschadet und auch ein paar positive Entwicklungen in seinem Leben aufzählt, sich vermutlich nicht mit dem was war auseinander setzen möchte. Festzustellen dass er auch ohne Prügel hätte etwas erkennen und dazu lernen können, z.B. in dem man ihm was erklärt und in einem angemessenem Rahmen die Konsequenzen seines falschen Handelns tragen lässt, was meist schon Strafe genug ist, würde wohl noch schmerzlicher sein. Gerade wenn man sich als Kind schon verletzt und verprügelt gefühlt hat, wird man wohl einige Abwehrmechanismen entwickeln dieses Gefühl nicht nochmal spüren zu müssen.

Wie kann jemand davon sprechen, dass die Schläge „ok waren,
denn sie waren ja gerechtfertigt“?

Vor einigen Jahren stand eine afrikanische Frau in Deutschland vor Gericht, da sie ihre Tochter beschnitten hatte und diese dabei verblutet war. Obwohl sie selbst diese grausame und wohl auch
äußerst schmerzhafte Verstümmelung erfahren hatte, tat sie dies ihrer Tochter an. Sie weinte und suchte sich immer wieder mit den Worten zu verteidigen, sie hätte das machen müssen. Sie habe nicht anders gekonnt. Scheinbar konnte sie nicht das was in ihrem Herkunftsland Tradition ist hinreichend hinterfragen bzw. in Frage stellen, und sich ihre eigene Meinung bilden. Und obwohl sie hierzulande aus dem fernen Afrika niemand hätte zwingen können, übernahm sie selbst diese Rolle.

Wird da verdrängt und beschönigt oder bin ich diejenige, die
zu sehr in ihren Kategorien verhaftet ist und „Geister sieht
wo gar keine sind“?

Wenn Du ihm die Frage stelltest, ob er das was er durch seine Prügel „gelernt“ hat, hätte auch anders lernen können, und er das bejaht, drückte dies doch schon etwas von einem Verdrängen und Beschönigen aus. Wenn er es so sehen möchte und sich damit arrangiert hat, so ist das seine Angelegenheit. Wenn es Situationen gibt, in denen er z.B. weniger selbstsicher auftritt oder in denen er unangemessen wütend reagiert, kann man bestenfalls nur mal nachfragen, was in ihm da vorgeht…

Wenn man so Autobiografien hört oder liest, sind die ja meistens allerbestens gewesen. Vor Jahren hörte ich ein Interview mit Karlheinz Böhn der mich als Schauspieler nicht interessierte und erst mit seiner Aktion „Menschen für Menschen“ meine Aufmerksamkeit etwas auf sich zog.

In diesem Interview erzählte er, dass er sich mal das Leben nehmen wollte. Er hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten. Sein Vater hatte darauf bestanden, dass die Pulsadern von einem befreundeten Arzt ohne Narkose wieder zugenähnt werden müssen. Er äußerte im Interview, so ich mich recht erinnere, das wären so immense Schmerzen gewesen, dass er deshalb nie mehr hätte einen Selbstmordversuch machen mögen. Hier ein kleiner Auszug:

"Ich war abends mit Sissi spazieren, vergaß, dass ich den Hausschlüssel hatte und ließ meine Eltern eine Dreiviertelstunde vor der Tür warten. Als ich mit schlechtem Gewissen ankam, sagte meine Mutter: „Das werden wir dir nie verzeihen.“

Und deshalb haben Sie sich umbringen wollen und mit einer Rasierklinge die Pulsadern aufgeschnitten?

Ich war so verzweifelt. Zum Glück hat mich das Hausmädchen rechtzeitig gefunden.

Haben Sie später mit Ihrer Mutter darüber gesprochen?

Nein, nie." http://www.abendzeitung.de/magazin/2752

Welche Grausamkeit, welcher Sadismus, welcher Irrsinn in mancher „Familienidylle“ doch innewohnt.

Kann es da verwundern, dass ein Mensch angesichts solcher Erlebnisse später für sich daraus im Positiven entwickelt, sich für andere Menschen einzusetzen? Natürlich muss man nicht selbst Leid erfahren um anderen Menschen in ihrer Not und ihrem Leid helfen zu können. Meiner Meinung nach kann jedoch daraus eine erhöhte Empathie und Akzeptanz sowie Hilfsbereitschaft erwachsen, schwächeren und konfliktbeladenen Menschen helfen zu wollen und dies bei entsprechender Ausbildung / Erfahrung auch tun zu können.

Ciao,
Romana

Neugierig grüßt
jeanne

Hart reagierst Du …
… doch, warum? Ok, Du hast eine Frage gestellt. Gesehen habe ich sie, auch geantwortet:

Wir schreiben das Buch unseres Lebens täglich neu.
Ist unsere und nur unsere Entscheidung. Und manche
Entscheidung ist halt wichtig, um leben, vielleicht
überleben zu können…

Galt dies nicht? Wenn nein, warum?

Wenn sich jemand persönlich angegriffen
fühlt, weil jemand im Kreisverkehr nicht blinkt, oder weil bei
einem Spaziergang durch Feld und Flur ein Unbekannter nicht
„Guten Tag“ sagt, sorry, aber da reicht ein Hauch an
Objektivität, vor allem wenn betreffende Person zugibt, dass
sie sich darüber ärgert, weil sie sich persönlich angegriffen
fühlt.

Ok, ist so. Jedesmal, wenn ich in einer Straße ein Auto vorlasse, obwohl es - bedingt durch geparkte Fahrzeuge - auf mich warten müsste, finde ich es ok. Stehe ich auf der Gegenseite, so kotze ich mitunter ab, wenn der Andere sein Recht wahrnimmt.

Aber dies ist meine Einschätzung, mein Erleben, meine Reaktion. Mal so, mal so. Es ist also meine Einschätzung, wie ich es erlebe. Nur - so lerne ich auch …

Meine provokative Frage: Was geht Dich das an?

Siehe meine Antwort an alpha.

Tat ich …

Hat er Dich gebeten, ihm zu helfen?
Helfen dürfen bzw… sollten wir nur,
wenn wir darum gebeten werden. Ungebetene Hilfe kann manchmal
die größere Strafe sein.

Ich will ihm nicht helfen. Wüsste auch nicht bei was.
Danke der Nachfrage.

Schade …

LG
dineu

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Hi

Wird da verdrängt und beschönigt oder bin ich diejenige, die
zu sehr in ihren Kategorien verhaftet ist und „Geister sieht
wo gar keine sind“?

Andere Zeiten, andere Empfindungen! Wer damals als Kind geschlagen wurde dachte: Es gehört zum Leben und ist gut gemeint! Wer heute geschlagen wird denkt: Es ist Misshandlung und muss angezeigt werden.

Deinem Freund glaube ich die Geschichte der schönen Kindheit aufs Wort. Denn die Prügel waren nur Tadel seines Ungehorsams, aber nicht der Bestandteil seiner Kindheit. Er erinnert sich an das Lob, die Umarmungen, die Belohnungen usw. Das war angenehm. Für die unangenehmen Begleiterscheinungen hat er eine Rechtfertigung die in sein Weltbild passt. Lass sie ihm, so wie sie sind.

Nicht ein jeder wird prügelfrei die Bühne des Lebens betreten. So manch einer wird seine körperliche Gewalt erlebt haben und doch versuchen das Beste daraus zu machen. Analytiker hin oder her. Sehr weit vom asozialen Leben entfernt. Auch wenn das asoziale Leben die Mehrheit ist.

Gruss
Paula
Nie geschlagen worden