Dann erkläre mal, warum du ständig mit zweierlei Maß misst?
Wieso ständig? Und wieso zweierlei Maß? Ich will lediglich darauf hinaus, daß man mal abwarten sollte, was bei der ganzen Sache herauskommt. Daß sich einige lieber das Maul vorab zerreißen und urteilen, ist natürlich nichts neues. Ich finde es allerdings weiterhin amüsant - und auch ein bißchen anmaßend. Steht doch das alleinige Urteil der Uni Bayreuth zu, die am Ende auch als einzige über die notwendigen Informationen verfügen wird. Auf deren Entscheidung könnte man natürlich warten, wenn es nicht so langweilig wäre.
Viel spannender ist es, sich zum Fachmann für Doktorarbeiten aufzuspielen und dementsprechend fachmännisch zu Guttenbergs Handeln (über das man natürlich schon jetzt bestens informiert ist) zu analysieren und zu verurteilen.
Ein Verhalten, das sich hier immer wieder beobachten läßt. Manchmal sind derartige Meinungsäußerungen sofort als falsch und auf Unwissenheit basierend zu entlarven, manchmal dauert das ein bißchen, weil die notwendigen Informationen noch nicht verfügbar sind. Wenn es dann so weit ist und sich der Sachverhalt auf einmal komplett anders darstellt, ist die Karawane schon längst weitergezogen und interessiert sich nicht mehr für ihr Geschwätz von gestern.
Nicht selten frage ich mich, wie so handelnde Menschen eigentlich ihr tägliches familiäres und berufliches Leben meistern. Möglicherweise agieren sie dort aber ganz anders und dann stellt sich als nächstes die Frage, wieso das so ist, d.h. wieso man bei Politikern und anderen Personen im öffentlichen Leben auf der Basis von Informationsbröckchen und ohne dem Betreffenden die Gelegenheit einzuräumen, den Sachverhalt darzustellen, vernichtende Urteile fällen kann.
Andererseits kann man den Leuten kaum einen Vorwurf machen, kopieren sie doch nur das Verhalten der Medien. Während in den ersten beiden Tagen dort noch die Frage gestellt wurde, wieso und von wem das Thema gerade jetzt (u.a. vor der Wahl in Hamburg) lanciert wurde, sprangen spätestens seit Mittwoch alle Medien voll auf den Zug auf und verstiegen sich in die absurdesten Spekualationen und Forderungen. Deutschland verlange Aufklärung, eine Stellungnahme, eine Entschuldigung und/oder seinen Rücktritt. Wer ist Deutschland? Die Leute, mit denen ich sprach, waren der gleichen Ansicht wie ich: abwarten und die Uni Bayreuth entscheiden lassen. Für so etwas haben alledings weder die Medien noch viele der Mitdiskutanten Zeit.
Die Krönung war dann heute morgen bei der Bundespressekonferenz zu erleben. Dort wurde allen Ernstes der Abbruch der Veranstaltung verlangt, nur weil sich Seibert und Moritz nicht in der Lage sahen, Kommentare zur Causa zu Guttenberg abzugeben und lieber mit dem normalen Programm der Pressekonferenz fortfahren wollten.
Aufstände im Vorderen und Mittleren Orient? Uninteressant! Viel wichtiger ist doch, was ein Minister vor vier Jahren in seiner Doktorarbeit gemacht oder nicht gemacht hat.
Und genau da kommt der Punkt ins Spiel, der mir an zu Guttenberg von Anfang an gut gefiel: er geht auf die Kameltreiberei und den Aktionismus der Medien gar nicht erst in nennenswertem Maße ein. Er strebt nach Aufklärung, bevor er wüst austeilt, zurücktritt oder andere undurchdachte Schritte nur aufgrund des Drucks der Medien unternimmt.
Mit zweierlei Maß oder selektiver Wahrnehmung hat das nichts zu tun, sondern nur damit, daß ich meine Meinung erst dann bilde, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen. Aus dem Grunde habe ich an der ein oder anderen Stelle daraufhin hingewiesen, daß sich der Sachverhalt nicht zwangsläufig so dramatisch darstellen muß, wie es hier und in den Medien einige darstellen.
Daß ich damit nicht viel erreiche, war mir schon klar, aber vielleicht ist hier doch noch der ein oder andere dabei, der sich dem wütenden Sturm der dauerentrüsteten Doktorarbeitsexperten entziehen kann bzw. möchte.