Geht mir weg mit diesem Mist …
Ich hab auch noch einen:
Wie werden aus 99 Lehrerinnen 100 Lehrer?
Indem man einen Mann dazu stellt.
Das ganze Thema ist doch Unfug. Es beruht auf der Unterstellung, dass immer dann, wenn ein Substantiv des generischen Maskulins in die Hand genommen wird, damit immer auch eine Aussage über das natürliche Geschlecht des bezeichneten Subjekts getroffen sei (insofern als ausschließlich oder vorrangig dessen männliche Vertreter, weibliche hingegen gar nicht oder nur „mit“ gemeint seien). Das ist aber Unfug. Richtigerweise hängt das vom Kontext ab - und es gibt durchaus Kontexte, in denen tatsächlich eine Aussage über das natürliche Geschlecht getroffen sein soll (da nehme auch ich dann das „und -innen“ in die Hand bzw. den Mund). Vielfach - und ich würde meinen: in der Mehrzahl der Fälle, ohne dass ich das aber belegen könnte - ist das aber nicht so. Kleines Beispiel:
In der Bauordnung Nordrhein-Westfalens hieß es, glaube ich, einst (oder hätte es jedenfalls heißen können) über die Beteiligung von Nachbarn im Baugenehmigungsverfahren:
„Die Eigentümer angrenzender Grundstücke sind zu beteiligen.“
Es dürfte auf der Hand liegen, dass „Eigentümer“ in diesem Zusammenhang nicht vorrangig oder gar ausschließlich Männer, Frauen dagegen gar nicht oder nur stillschweigend, sondern ein bestimmtes natürliches Geschlecht überhaupt nicht bezeichnen (und auch nicht „mit-meinen“) soll. Wem das dennoch nicht gleich auf der Hand liegt, der sei daran erinnert, dass nicht nur Männer und Frauen sondern auch GmbHs, AGs, e.V.s, oHGs und dergleichen Inhaber von Eigentum und damit Eigentümer sein können. Obwohl sie weder (natürliches) Männlein noch Weiblein sind, sollen selbstverständlich auch diese beteiligt werden, wenn ihnen ein Nachbargrundstück gehört. Was an dieser Stelle von Bedeutung, ist mit anderen Worten allein die Fähigkeit, Inhaber der in den §§ 903 ff BGB beschriebenen Rechtsposition (das ist das Eigentum) zu sein. Sonst nichts. Auch nicht das Geschlecht.
Die Jünger des Gender Mainstreaming hat das aber nicht weiter beeindruckt. „Eigentümer“ meint - so will es das Dogma - nur Kerle, deshalb heißt die Vorschrift heute:
„Die Eigentümerinnen und Eigentümer angrenzender Grundstücke sind zu beteiligen.“ (§74 Abs. 1 BauO NRW)
Jetzt ist alles klar. Die mit dem ihr-wisst-schon-was zwischen den Beinen sind die Eigentümer, die mit dem anderen sind die Eigentümerinnen. Zweifel bei der Zuordnung klärt notfalls ein Blick in die Unterhose.
Nur die GmbHs und all die anderen, die sind jetzt - wenn man konsequent bleiben will - außen vor. Denn die haben keine Beine, zwischen denen etwas sein könnte, das sie für die eine (Eigentümer) oder die andere (Eigentümerinnen) Gruppe qualifizieren könnte. Dass zumindest die Juristen zu diesem ebenso logischen wie unerwünschten Ergebnis gleichwohl nicht kommen, verdanken sie einem Werkzeug, das sich Auslegung nennt und im Ergebnis dazu berechtigt zu sagen: hier hat der Gesetzgeber zwar Blödsinn formuliert (es geht hier nur um Männer und Frauen), aber er hat’s ja eigentlich gar nicht so gemeint (denn eigentlich geht es um alle Inhaber einer in §§ 903 ff BGB bezeichneten Rechtsposition, i.e. Eigentümer, und nicht nur solche, die Beine mit was dazwischen haben) …
Wenn du sicher sein willst, dass sich
alle angesprochen fühlen und zudem ein höflicher angepasster Mensch bist,
dann sag: Liebe Schülerinnen und Schüler.
siehe meine Änderung im Zitat.
Ansonsten dachte ich, dass die Leute, die sich über sowas noch
aufregen können, seit 50 Jahren ausgestorben sind.
Keineswegs, ich kann mich darüber nach wie vor ganz wunderbar aufregen. Nicht nur, weil ich das ganze Gehampel für den Ausdruck völliger sprachlicher Inkompetenz bzw. bewußter, tendenziöser Fehlinterpretation halte, sondern vor allem weil mir die sprachlichen Totgeburten, die dabei herauskommen, jeden Tag aufs Neue bei der Arbeit auf den Wecker gehen. Ich habe einfach keine Lust, jeden zweiten Gesetzestext dreimal lesen zu müssen, um ihn zu verstehen - nicht weil er rechtlich so kompliziert wäre, sondern weil irgendwer meinte klarstellen zu müssen, dass auch der hinterletzte Normtext nicht nur an die Adressaten, sondern auch an Adressatinnen gerichtet ist - obwohl daran niemand je ernstlich Zweifel hatte und die Änderung rechtlich auch völlig wirkungs- und bedeutungslos ist -, und damit einen kaum mehr durchschaubaren Wort- und Gliedsatzverhau geschaffen hat. Kleine Kostprobe:
Die Dekanin oder der Dekan und die Prodekanin oder der Prodekan werden vom Fachbereichsrat aus dem Kreis der Professorinnen und Professoren innerhalb der Gruppe der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer mit der Mehrheit der Stimmen des Gremiums gewählt. Zur Dekanin oder zum Dekan kann ebenfalls gewählt werden, wer kein Mitglied des Fachbereichs ist, jedoch die Voraussetzungen nach § 17 Abs. 1 Satz 2 erfüllt. Die Wahl nach Satz 1 und 2 bedarf der Bestätigung durch die Präsidentin oder den Präsidenten. Die Grundordnung kann vorsehen, dass die Dekanin oder der Dekan nach Ablauf ihrer oder seiner Amtszeit Prodekanin oder Prodekan wird. Die Amtszeit der Dekanin oder des Dekans und der Prodekanin oder des Prodekans beträgt vier Jahre, soweit die Grundordnung keine längere Amtszeit vorsieht. usw., usw. … (§27 Abs. 4 HochschulG NRW)
Geht mir bloß weg mit diesem Mist …