Hallo,
ebenfalls Nostalgiegeschichte: ich habe mich mit vier Jahren geweigert, in den Kindergarten gebracht zu werden. Ich durfte allein gehen - mein Opa verfolgte mich, von Hauseingang zu Hauseingang hüpfend und sich dort versteckend bis ich im Kindergarten war (ein knapper Kilometer Weg). Er hat das gemacht, bis ich in die Schule kam. Heute würde man den Mann einsperren oder zumindest hätte er des öfteren wegen möglicher pädophiler Neigungen bestimmt Ärger bekommen.
Schulweg war dann allein hin und nach Hause mit Freunden (wobei wir an einem Spielplatz vorbei mussten und dort oft bis zum Erbrechen (sic!) auf dem kleinen Karusell spielten. Wir hatten zuhause oft kaltes Mittagessen und Standpauken zu erwarten.
Heute arbeite ich in einer Grundschule. Allmorgendlich Verkehrschaos. Unsere Schule hat einen sehr weitläufigen Einzugskreis (da Versuchsschule) und nur minimale Busanbindung, das heißt, viele Eltern müssen die Kinder mit dem Auto bringen. Allerdings bringen auch viele Eltern, die das nicht müssten, weil sie nur 1km weit weg wohnen, die Kinder mit dem Auto. Das wird, so kommt es mir oft vor, als demonstratives „ich bin ein guter Elternteil“-Gehabe benutzt. Wahrscheinlich denken sie, sie tun den Kindern etwas gutes.
Allerdings stelle ich fest, dass der deutsche Normalfall - Kinder gehen allein nach Hause, bzw. um eins ist die Schultür erstmal zu und die keiner kümmert sich darum, ob und wie die Kinder heimkommen, bei vielen ausländischen Eltern auf totale Verwunderung stößt. Auch der Hinweis, dass eine Straßenbahnhaltestelle etwa 10min Gehweg von der Schule entfernt sei und die Kinder von dort - ohne eine breite Straße überqueren zu müssen - zur Schule laufen könnten, stößt auf - milde gesagt - oftmaliges Entsetzen: „Warum gibt es keinen Shuttle-Service von der Haltestelle zur Schule?!“.
Einerseits spielt der Sicherheitsgedanke mit (im Winter ist es ja zu Schulanfangszeiten auch oft noch stockdunkel / Verkehr überhaupt), andererseits geht die Tendenz schon dahin Kinder in Watte zu packen (Schulweg ist anstrengend/Wetter ist schlecht etc.). Dabei ist ein selbständer Schulweg für die Entwicklung von Schulkindern wichtig. Zum einen wegen des sozialen Kontakte (auch heute noch achtet unsere deutsche Nachbargrundschule darauf, Klassen nach Wohngebieten zusammenzustellen, um gemeinsame Schulwege zu ermöglichen und stellt auch Kontakte zwischen Eltern von Kindern in höheren Klassen her, die um die Ecke wohnen, wenn dieser Kontakt noch nicht besteht), zum anderen wegen der Bewegung nach dem fünfstündigen Stillsitzen.
Ein weiterer Nachteil ist, dass wir immer öfter damit konfrontiert werden, dass die Grundschüler die Umgebung überhaupt nicht kennen und wenn sie doch mal gezwungen sind, sich selbständig zu bewegen, sich verlaufen (letztes Jahr zwei total aufgelöste Schüler, die ihr Haus nicht fanden bzw. auf dem Schulweg zur Schule verloren gingen!).
Leider werden diese Vorteile immer weniger gesehen.
Gruß
Elke