Hallo,
Das ist eine sehr interessante Frage, und die Frage nach „schweren“ und „leichten“ Sprachen hat schon Generationen von Linguisten beschäftigt. Die derzeitige bei Weitem überwiegende Expertenmeinung ist die, dass es keine leichten oder schweren Sprachen gibt. Für Kinder sind alle Sprachen gleichleicht zu lernen.
Indonesisch sieht beispielsweise extrem einfach aus, von der Grammatik, dem Lautinventar und überhaupt allem. Keine Flektion, keine Endungen, nüscht. Guckst du Arabisch, oder eben Ungarisch oder auch ruhig mal eine Khoisan-Sprache aus Südafrika (die mit den Klicks) oder eine der irrsinnig kompliziert aussehenden nordamerikanischen Sprachen, müsste man Denken, letztere Kinder brauchen doppelt bis dreimal so lange um überhaupt ansatzweise sprechen zu lernen. Das ist aber nicht der Fall. Alle Kinder lernen ihre Muttersprache gleich schnell. Nach etwa 6 Jahren beherrschen sie sie. Bitte jetzt keine Kommentare à la „Manche Deutschen beherrschen auch nach 20 Jahren ihre Muttersprache nicht.“ 
Und das liegt daran, dass eine Sprache ein sehr großes Gebilde ist, mit einem Lautsystem, einer Syntax (Satzbau und so), Morphologie (wie Wörter gebeugt und voneinander abgeleitet werden), Semantik (Bedeutung der Wörter) und so weiter…
Wenn du diese einzelnen Bereiche intersprachlich vergleichst, siehst du, dass die Morphologie von Indonesisch, Vietnamesisch, Englisch z.B. super unkompliziert bis z.T. gar nicht vorhanden ist. In diesen Sprachen wird das, was wir durch Flexionsendungen und Ableitungen ausdrücken, im Satz durch Wörter gemacht. Im Endeffekt ist das das gleiche. Die Morphologie von Georgisch, Russisch, Ungarisch, Navajo oder Quechua dagegen ist hochkomplex, mit tausenden Wortformen. Hier werden Informationen statt im Satz eben auf die Wörter des Satzes verteilt.
Um genau das selbe ausdrücken zu wollen, müssen also bei manchen Sprachen Wortungeheuer gebaut werden, anderswo viele Wörtchen im Satz benutzt werden. Im Endeffekt kommt es aber auf das gleiche raus.
Zurück zu Finnisch, Ungarisch und Türkisch: die Sprachen sind agglutinierend, als funktionieren vorwiegend nach dem Baukastensystem. Das ist uns Deutschen etwas fremd, deswegen müssen wir etwas umdenken beim Lernen, da unsere Sprache eben anders funktioniert. Es wird oft behauptet, Finnisch und Ungarisch seien wegen ihrer [hier Zufallszahl zwischen 12 und 17 einfügen] Fälle so besonders schwierig, aber am Ende ist es doch egal, ob man 17 Präpositionen oder 17 Fälle lernt. Ich kenne eine Sprache aus dem Kaukasus mit 126 Fällen (Tsesisch), und die Kinder dort sprechen ihre Sprache mit 3 Jahren genauso gut wie ein dreijähriges deutsches, englisches oder chinesisches Kind.
Was ich damit sagen will: objektiv gesehen sind alle Sprachen gleich komplex. Aber die bisher bekannten Sprachen haben einen großen Einfluss auf unser Empfinden von leicht und schwer. Ein Este hat kaum Probleme, Finnisch zu lernen, Ungarisch ist für Finnen auch kein so großes Hindernis. Uns Deutschen fällt Englisch und Niederländisch sehr leicht. Chinesisch mit seinen Tönen dagegen schwer. Thais haben Töne und eine dem Chinesischen recht ähnlich „einfache“ Grammatik, haben daher einen Vorteil und machen kaum Ton-Fehler. Es ist also immer subjektiv.
Aber selbst wenn es nicht so wäre: wieso sollten gerade Finnisch und Ungarisch die beiden schwersten Sprachen der Welt sein, auf der rund 7000 andere gesprochen werden. Warum nicht irgendeine auf Papua Neuguinea oder im Himalaya, von der kaum jemand etwas gehört hat?
Und du hast noch gefragt, ob es objektive Messmethoden gibt.
Jein. Es gibt keine objektive Methode, den Schwierigkeitsgrad einer Sprache zu bestimmen, weil der immer von den Sprachkenntnissen des Lerners abhängt (Beispiel: ich kann bereits Chinesisch, deswegen fand ich Thai supereinfach; deiner Frau dürften alle anderen Turksprachen superleicht fallen, weil die alle extrem ähnlich sind; viele wird sie sogar ohne weiteres verstehen können).
Es gibt aber objektive Ansätze, die Komplexität einzelner Teile der Grammatik zu messen, wie z.B. die Komplexität der Nominalflexion (wie viele „Slots“ hat das Nomen z.B. für Endungen, wie viele davon sind obligatorisch, wie viele Suffixe pro Slot gibt es, wie viele grammatische Kategorien werde pro Suffix ausgedrückt?), die des Verbs. Ich denke, solche Tests gibt es auch für die Syntax, da kenne ich mich aber nicht aus.
Die Ergebnisse sind aber eben mit Vorsicht zu genießen und sollten nicht als Maßstab für die Schwierigkeit gelten, sondern einfach als Maß für die Komplexität.
Und all das ist im Fluss. Syntax wird zu Morphologie („können wir“ > „kömmer“); die türkischen Personenendungen für die Verben und Nomen sind alle mal aus getrennten Wörtern entstanden, ähnlich wie in meinem Deutschbeispiel grad.
Ich denke, ein interessanter Maßstab für die scheinbare Leichtigkeit einer Sprache wäre noch die Anzahl und Art an Ausnahmen (Synkretismen z.B.). Wie du sicher bemerkt hast, gibt es im Türkischen fast keine Ausnahmen, trotzdem ist der Formenreichtum recht hoch. Im Englischen gibt es nur eine Handvoll Verbformen, dafür einige hundert unregelmäßige Verben.
Schließlich kann ich noch sagen: wenn du dir ein wirklich vollständiges Grammatikbuch einer beliebigen Sprache anguckst, hast du wirklich bei jeder Sprache einen ziemlich großen Wälzer von 600+ Seiten vor dir. Egal ob das Latein, Englisch, Deutsch, Ungarisch, Finnisch, Türkisch, Tsesisch, Navajo, Indonesisch oder Esperanto ist. Jede Sprache kann ja (fast) alles ausdrücken, benutzt nur eben andere Mittel dafür.
Dass ich so viel schreibe, muss wohl daran liegen, dass ich mich vor meiner Magisterarbeit drücke.
Viele Grüße,
P.S.: Wenn du Türkisch leicht und logisch findest, schau dir mal Esperanto an. Für uns Europäer ist das subjektiv extrem lernerfreundlich (muttersprachlich damit aufwachsende Kinder brauchen aber genauso lange wie bei netürlichen Sprachen) und es gibt keine echten Ausnahmen für die Regeln. Die Grundgrammatik kannst du an einem Wochenende lernen. Aber für die komplette Grammatik mit allen Sonderfällen und seltenen Konstruktionen bei denen die Logik die richtige Verwendung nicht eindeutig aus den Grundregeln erschließen kann, gibt es eben auch ein Grammatikbuch mit 696 Seiten.
Aber ich denke, Esperanto könnte dir als Sprache gefallen. 