Schwerbehinderungsfeststellung nachträglich feststellen

Liebe Wissende,
Vor kurzem habe ich jemanden kennengelernt und ich kenne die genauen Umstände nicht, aber diese Person wurde vor langer Zeit als „Schwerbehindert 65%“ aufgrund psychischer Probleme eingestuft. Diese Person fühlt sich durch diese Einstufung stark benachteiligt. Und sie sieht auch keinerlei Grund noch immer in dieser Klasse eingestuft zu sein. Ich habe Anträge zur Feststellung von Behinderung gefunden. Aber keine Anträge in umgekehrter Richtung. Mit einer Schwerbehinderung ist diese Person beruflich in einer Sackgasse gelandet.

Wie verläuft der rechtliche Weg, diesen „Makel“ loszuwerden?

Viele Grüße
Stefanie Naiser

Es ist sehr selten, dass jemand seine einmal festgestellte Schwerbehinderung (= GDB 50 oder höher) loswerden will. Ein GDB endet nicht auf 5, sondern auf gerade 10er-Abstufung.
Berufliche Nachteile sollten durch die Behinderung eben nicht entstehen, die festgestellte Schwerbehinderteneigenschaft soll letztendlich davor schützen.
Rechtlich regulär vorgesehen ist der „Neufeststellungsantrag“. Wird in der Regel genutzt, um einen höheren GDB zu erreichen.
Müsste aber auch für eine „Herabstufung“ bzw. „Aberkennung“ der Schwerbehinderteneigenschaft zu nutzen sein. Bist Du sicher, dass es sich um Feststellung einer Schwerbehinderung handelt? Oder um Erwerbsunfähigkeit?
Das ist ja ein Unterschied.
LG

Hallo Amokoma1,
soweit ich das verstanden habe, fühlt sich die Person selbst absolut gesund und uneingeschränkt. Ich persönlich kann dazu gar nichts sagen, da ich sie nicht lange genug kenne und nicht weiß, wie sich die „Einschränkung“ bemerkbar macht.

Nachteilig wirkt sich die Einstufung für sie auf dem Arbeitsmarkt aus. Sie hat so gut wie keine Chance auf einen guten Arbeitsplatz. Sie arbeitet bereits seit langer Zeit in einer „Behinderteneinrichtung“ (Halbzeit) und wird natürlich staatlich unterstützt. In der Arbeit ist sie völlig unterfordert und möchte aus dem Job heraus. Die Einrichtung ist natürlich glücklich über „fähige Behinderte“ und möchten Sie nicht so einfach gehen lassen. (laut der Erzählung musste ich sofort an „einer flog übers Kuckucksnest“ denken. Aber wie bereits erwähnt - ich kenne nur eine Seite der Geschichte. Persönlich glaube ich, dass es ein extremer Schritt wäre, von einer Halbzeitstelle auf eine Vollzeitstelle umzuschwenken. Welche Eingliederungsmaßnahmen gibt es da denn?

Mit Behörden habe ich da allerdings auch sehr bezeichnende Erfahrungen gemacht. Sobald etwas nicht dem durchschnittlichen Ablauf entspricht sind die Angestellten von Behörden schnell überfordert.

Vielen Dank
Steffi

Man ist nicht verpflichtet, eine Schwerbehinderung in der Bewerbung anzugeben und beim Arbeitgeber geltend zu machen… Es ist zwar aus Gründen des Arbeits- und Kündigungsschutzes sinnvoll, aber man muß nicht.

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Super, das ist schon mal gut zu wissen!

Danke Dir!!!

Es gibt durchaus Punkte wo dies sinnvoll ist, beispielsweise sind öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn sie für die auszuübende Tätigkeit nicht von vorneherein ungeeignet erscheinen, es gibt zusätzliche Urlaubstage und dergleichen. Wenn der Bekannte über entsprechende Ausbildungen und Berufserfahrungen verfügt, wäre also eine Stellensuche im öffentlichen Dienst ein brauchbarer Ansatz.

Es gibt die Möglichkeit „ausgelagerter Arbeitsplätze“: Beschäftigung in einem regulären Betrieb zu dessen Arbeitsbedingungen mit Betreuung durch die WfbM.
Wenn die Person aber schon in der WfbM nur halbtags arbeitet, wird das seinen Grund haben.
Gerade Menschen mit psychischer Behinderung sind leider oft schlecht geeignet, sich als quasi „Hilfskräfte“ in ein funktionierendes System des allgemeinen Arbeitsmarktes einzuordnen.
In ihren Spezialbereichen sind sie oft Spitzenklasse, halten aber das dazu gehörende Drumherum menschlicher Beziehungen kaum aus.
Also sehr schwierig.

habe gerade danach gegoogelt:

Es kann Konsequenzen haben, wenn man nach einer Behinderung gefragt wird und dies dann verneint.
Da Sie in Jahrelang in einer Behinderteneinrichtung gearbeitet hat, wird dies vermutlich nicht ausbleiben :frowning:

Allerdings habe ich auch einen Artikel gefunden, in dem nicht geklärt ist, ob eine Frage diesbezüglich bei einem Vorstellungsgespräch überhaupt zulässig ist.

Was stimmt nun?

„das wird schon seinen Grund haben“ kann ich so nicht akzeptieren. Ich bin der Meinung, dass man durchaus nach vielen Jahren doch noch eine Chance bekommen sollte sich von einem unabhängigen Arzt untersuchen zu lassen.

Der Arbeitgeber hat sich zu vergewissern, ob der Bewerber körperlich und geistig befähigt ist, die betreffende Tätigkeit auszuüben. Dahingehende Fragen sind also zulässig und tunlichst wahrheitsgemäß zu beantworten. Aber die Art der Behinderung darf nicht erfragt werden. Und wenn nicht danach gefragt wird wird ist man zur Offenlegung nicht verpflichtet.

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Bei jeder Bewerbung wird ein zumindest beruflicher Lebenslauf fällig. Wie soll da die Beschäftigung in einer WfbM erklärt werden?

ja… vermutlich ist das die Schwierigkeit. Wenn Sie es schafft den „Nicht-Behinderten-Status“ zu erreichen, würde dies die Situation entspannen und gilt von offizieller Seite als rehabilitiert.

Ich bin aber nicht wirklich mit der Situation richtig vertraut. Und wenn es Ihr wirklich wichtig ist - muss sie gegen die Behörden kämpfen. Aber ich bin mir auch nicht ganz darüber im Klaren, ob Sie sich dessen bewußt ist, welche Nachteile Sie damit auch in Kauf nimmt. Vermutlich muss Sie zunächst die Vor- und Nachteile abwägen.

Vielen Dank für Eure Info.

Hier noch Informationen zu diesem Neufeststellungsantrag:
http://www.hamburg.de/anerkennung/verfahren/2746128/neufeststellung/
Da heißt es: Feststellungen der Versorgungsämter über eine Behinderung, den Grad der Behinderung (GdB) und die gesundheitlichen Merkmale können geändert werden, wenn sich die Verhältnisse nach der letzten Feststellung wesentlich geändert haben (positiv oder negativ).
Der sieht z.B. in Hamburg so aus, wird in anderen Bundesländern aber ebenso sein.
http://www.hamburg.de/contentblob/115714/d124d6c2112f49f1d6e5c711288dd10f/data/neufeststellungsantrag-schwebrecht.pdf

wobei ich mich denn doch dagegen verwahren möchte, die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises als Strafmaßnahme und Schande zu bewerten!

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das ist völlig wertfrei… falls Du das falsch verstanden haben solltest. Aber wenn die Person sich benachteiligt fühlt und der Meinung ist, nicht in diese Klassifizierung zu passen, dann sollte dies doch möglich sein.

Ich finde es ausgesprochen mutig, zu sagen „ich möchte auf jegliche Unterstützung verzichten, weil ich nicht den Anspruch darauf erhebe“.

Ich drücke Ihr sämtliche Daumen, dass Sie Ihr Ziel erreicht.

Dann gibt es doch die Möglichkeit des „Neufeststellungsantrages“. Das Verfahren ist genauso, wie beim ersten Antrag. Es werden die letzten Gutachten der behandelnden Allgemein- und Fachmediziner eingeholt. Diese werden dann durch Versorgungsmediziner ausgewertet. Eine andere Sparte - die Versorgungsverwaltung - überprüft dann, wie sich die festgestellten Handicaps in der „Teilhabe am Leben“ praktisch auswirken. Endergebnis ist der GDB.
Wieso hilfst Du jemsndem, den Du kaum kennst?
Finde ich viel spannender.
LG

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Sprichst Du auf ein „Helfer-Syndrom“ an?

Nein, das habe ich nicht. Die Person hat sich anscheinend mich ausgesucht, weil ich selbst ein Kämpfer bin. Mit dem Thema bin ich allerdings überfordert. Aber mich interessiert natürlich auch, wie schwerfällig unser Behördengetriebe in diesem Fall ist.

Irgendwer hat hier eine völlig bekloppte Zuordnung unterschiedlicher Beiträge gebastelt.

was meinst Du?

Hallo,

die fragliche Person scheint selbst keine genaue Kenntnis der Möglichkeiten und rechte zu haben.
Es mag sein, daß es insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen (meistens völlig unberechtigte) Vorbehalte gegen die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen gibt.

Es gibt aber vielfältige Möglichkeiten von Fördermöglichkeiten - insbesondere durch AA und Integrationsamt - bis hin zum dauerhaften Lohnkostenzuschuß, um Arbeitgebern neben der Vermeidung der Strafabgabe die Beschäftigung von Schwerbehinderten finanziell zu „versüssen“.
Auch gibt es in vielen größeren Unternehmen eine Schwerbehindertenvertretung (SBV), die bei Bewerberverfahren umfangreiche Beteiligungsrechte hat, um eine behinderungsbedingte Diskriminierung zu verhindern.

Idealerweise versucht ein schwerbehinderter Bewerber bereits vor der Bewerbung herauszufinden, ob es in dem Betrieb eine Schwerbehindertenvertretung gibt. Falls ja, nimmt man mit dieser Kontakt auf. Die SBV kann dann bereits im Vorfeld der Bewerbung alle Möglichkeiten der Förderung prüfen und ggfs. in Zusammenarbeit mit den Reha-Trägern ein maßgeschneidertes „Paket“ zusammenstellen, das dann dem AG präsentiert wird.

Die Pflicht öffentlicher Arbeitgeber, geeignete schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen, findet sich übrigens in § 82 SGB IX
http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9/__82.html

Das die WfbM ihren eigentlichen Aufgaben der Qualifizierung für den sog. „ersten“ Arbeitsmarkt gerade bei „Leistungsträgern“ nicht immer nachkommen, ist leider durchaus richtig.

Allerdings können sich Schwerbehinderte bereits in dieser Phase der Orientierung hin zum ersten Arbeitsmarkt an die in jedem Stadt- und Landkreis vertretenen Integrationsfachdienste wenden, die idR diese Menschen bei der Integration in den ersten Arbeitsmarkt engagiert begleiten und betreuen und auch oft Tipps haben, wo eine Bewerbung erfolgversprechend sein könnte
http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9/__110.html

Viel Glück &Tschüß
Wolfgang