Selbstjustiz erlaubt?

Hey Leute ich hab eine sehr diskussionsfördernde Frage für euch und zwar, in welchem Fall haltet ihr Selbstjustiz für gerechtfertigt, vorrausgesetzt alle legalen Mittel z.B. über den Staat Gerechtigkeit zu erlangen, versagt haben?

Erlaubt ist, was gefällt :wink:
Moin

Hey Leute ich hab eine sehr diskussionsfördernde Frage für
euch

Na, ob die sehr diskussionsfördernd ist, wollen wir mal abwarten :wink:

und zwar, in welchem Fall haltet ihr Selbstjustiz für
gerechtfertigt, vorrausgesetzt alle legalen Mittel z.B. über
den Staat Gerechtigkeit zu erlangen, versagt haben?

Das würde ich persönlich ganz individuell von Fall zu Fall entscheiden. Da gibts keine Präzidenzfälle oder sowas für mich.
Gruß,
Branden

Servus,

was michstört ist das Wort erlauben… das ist wie als würde man zu seinem Papa gehen und fragen, ob man was machen darf.

Heutzutage machen ja trotzdem Lete noch sowas wie Ehrenmord o.ä. was ich unter Selbstjustiz verstehe.
Nun hat jeder die Freiheit diese Selbstjustiz aus zu üben, jedoch haben andere was dagegen. Jemand der die Regeln des Lebens teilweise aufgestellt hat. Der Staat.
Du kannst deine Selbstjustiz vollziehen, aber musst auch die Folgen dafür tragen, im Sinne von Knast.

Wenn aber wirklich alles versagt hat und es keinen „Schiedsrichter“ mehr gibt und es nur noch ums Fressen und Gefressen werden geht, wer pfeift da schon auf Selbstjustiz? Niemand, sondern jeder versucht einfach dann nur noch zu überleben…

mfg,

Hanzo

Hallo Jannik Richter,

„Justiz“ sollte logisch immer gerechtfertigt sein, weil „juste“ „gerecht“ heisst. Also ist Selbstjustiz im strengen Sinn theoretisch gerechtfertigt, sie wird aber deswegen verhindert bzw. verboten,

  1. weil ansonsten die Rechtssicherheit und somit die Ordnung gefährdet ist. Man weiss ja oft nicht genau, was eigentlich natürliches Recht ist, sondern kann sich in vielem darüber streiten; also kann man sich viel weniger auf die Selbstjustiz als auf die öffentliche Justiz verlassen.

  2. aber selbst wenn es um Dinge geht, die von erdrückenden Mehrheiten als Recht verstanden werden wie z. B. eine Bestrafung für Mord, wird Selbstjustiz auch nicht zugelassen, weil der Staat das Gewaltmonopol beansprucht. Interessant ist daher die Überlegung, ob ein Staat sich nicht in eine gewisse Unordnung begibt, wenn er Gewaltmacht delegiert (z. B. an private Securitasfirmen).

  3. Man kann nun allerdings die Sache auch umgekehrt bezeichnen und sagen: Gerechtfertigte Handlungen seien eigentlich auch schon ein bisschen Selbstjustiz. Also z. B. die Notwehr, welche vom Gesetz klar als Rechtfertigung bezeichnet wird, ist auch eine leichte Form von Selbstjustiz; man spricht lediglich nicht davon, weil in der Notwehr die Rechtfertigung wichtiger genommen wird als die Eigenmächtigkeit, und statt dessen wird der Selbstjustiz auch zugerechnet, dass sie eben ungerechtfertigt sei (z. B. die Notwehr übertrieben wird). Juristisch spricht man dann auch von „Notwehr-“ oder „Notstandsexzess“. Selbstjustiz wird also deswegen verurteilt, weil sie exzessiv ist.

Ein klarer Spezialfall ist gegeben, wenn die Selbstjustiz nicht nur eine Überschreitung von Notwehr- oder Notstandsmassnahmen ist, sondern auch noch wie ein Prozess (also Justiz im ganz strengen neuzeitlichen Sinn) abläuft. Das ist dann Selbsjustiz in einem engeren, qualifizierten Sinn, z. B. wenn ein privates Schiedsgericht seine Entscheidung mit Gewalt durchsetzt.

Fazit: Selbstjustiz ist immer ein bisschen gerechtfertigt, aber praktisch nie völlig gerechtfertigt, und sie kann vor staatlichen Gerichten keinesfalls Bestand haben, sondern ist ebenso schlimm wie eine eigene Tat (deren Motive ja auch berücksichtigt werden).

Gruss
Mike

.

Versuch einer Analyse
Hi Jannik.

… in welchem Fall haltet ihr Selbstjustiz für
gerechtfertigt, vorrausgesetzt alle legalen Mittel z.B. über
den Staat Gerechtigkeit zu erlangen, versagt haben?

Was heißt „versagt“ haben? Das setzt voraus, dass jemand (der vor der konkreten Entscheidung steht, Selbstjustiz zu begehen), 1) Gewissheit haben muss, dass ein Verbrechen geschehen ist, 2) er den Täter identifizieren kann und c) definitiv weiß, dass „der Staat“ von einer Strafverfolgung absieht oder diese gar nicht erwägt, aus welchen Gründen auch immer.

Da muss also einiges zusammenkommen, damit deine Frage eine Grundlage hat. Insbesondere Punkt 3) ist prekär. Wie kann ein Einzelner genau wissen, ob eine Straftat nie oder nicht mehr vom Gewaltmonopolträger Staat verfolgt werden wird?

Weiter: wenn dieser Jemand genau weiß, dass die Tat begangen wurde, dann kann er als Zeuge in Erscheinung treten. Deine Frage geht wohl davon aus, dass das geschehen ist und dass die StA und die Polizei der Aussage des Zeugen keinen Glauben schenkt.

Oder es fehlen einfach hinreichende Beweise (für die StA oder den Richter), um die Straftat, obwohl ein Verdacht besteht, zu verfolgen. Der Zeuge weiß also, dass die Tat begangen wurde, doch die Indizien und Beweise sind in summa zu schwach, um eine Verurteilung zu bewirken.

In diesem Fall besteht aber theoretisch die Möglichkeit, dass zu einem späteren Zeitpunkt doch noch ein Beweis gefunden wird, der zu einer Verfahrenswiederaufnahme führen kann. Diese Möglichkeit ist nie völlig auszuschließen.

Rein psychologisch ist es verständlich, dass der Zeuge dann ggfs. auf Selbstjustiz sinnt. Juristisch ist das nicht akzeptabel, und zwar mit gutem Grund, wie wohl jeder nachvollziehen kann.

Natürlich gibt es Grenzfälle, bei denen der Zeuge eine moralische Pflicht verspüren könnte, den davongekommenen Täter unschädlich zu machen. Beispiel: ein Sexualtäter gravierenderen Kalibers. In einem solchen Fall ist generell mit Tatwiederholungen zu rechnen.

Was aber kann der Zeuge tun, um das zu verhindern? Er müsste den Täter entweder töten oder tatunfähig machen (wie auch immer…). Die Frage ist hier, ob das in ethisch vertretbarer Relation zu den hypothetischen Verbrechen steht. Denn 1) kann der Zeuge nicht sicher wissen, dass der Täter seine Verbrechen fortsetzt und 2) sollten Sexualstraftaten im allgemeinen nicht mit Tötung bestraft werden.

Bei besonders gravierenden Taten (Vergewaltigung und schwere Misshandlung und/oder Mord) ist allerdings - so denke ich - von Seiten des Zeugen durchaus eine Selbstjustiz bis hin zum Tötungsakt in Erwägung zu ziehen, auch in einem Land, in dem es auf solche Taten keine Todesstrafe gibt.

Begründung: der Täter muss sich darüber im klaren sein, dass seine Taten bei Einzelpersonen solche Reaktionen bewirken können. Er hat sich bewusst in eine Situation begeben, die solche Reaktionen provozieren kann, insofern hat er dieses Risiko gewählt (indem er den Tat"gewinn" mit dem Risiko abwägte und sich nicht gegen, sondern für das Risiko entschied).

Mehr möchte ich zu diesem Thema im Moment nicht sagen.

Eine andere Form der Selbstjustiz, die du aber nicht thematisierst, wäre z.B. der „Tyrannenmord“. Hier meint „Justiz“ das Menschenrecht bzw. eine demokratische Ethik. Ich halte diese Form der Selbstjustiz für absolut gerechtfertigt, allerdings muss der Begehende in diesem Fall genau wissen, was er tut.

Gruß

Horst

Hallo Jannik,

Du weißt, dass GG in einem bestimmten Fall Selbstjustiz erlaubt?

Gruß,
Andreas

Hallo Hanzo,

was michstört ist das Wort erlauben…

Ja, natürlich, „erlauben“ kann nur der Stärkere; insofern ist die Frage des UP paradox. Tauschen wir das Wort durch „zulässig“.

Heutzutage machen ja trotzdem Leute noch sowas wie Ehrenmord o.ä. was ich unter Selbstjustiz verstehe.

Diesem Verständnis kann ich überhaupt nicht folgen! Der sog. „Ehrenmord“ (ist ja auch ein hirnrissiger Ausdruck!) kann und darf nie unter „Selbstjustiz“ fallen, weil die Verletzung bloßer Konventionen oder Regeln ohne konkreten Schaden an Anderen die Motivlage bei Selbstjustiz, wie sie faktisch geschieht und verhandelt wird, in den meisten Fällen verkennt.

Wenn dir bei „Selbstjustiz“ als Erstes „Ehrenmord“ einfällt, dann hast du diese als Beobachter noch nie erfahren! Ehrenmord ist nicht Selbstjustiz, sondern massive Straftat, eben Mord.

In den meisten Fällen findet Selbstjustiz (von Mob-Aktionen mal abgesehen) statt durch Personen, die schwerste Verletzung erfahren haben. Die Aktion eines Gangsters, der von einem Kollegen aufs Kreuz gelegt worden ist, gehört ebensowenig dazu wie Beleidigung, die beim „Ehrenmord“ maximal geltend gemacht werden könnte.

Hingegen kann die Aktion einer Mutter, die der ewigdauernden Totfolterung ihrer Tochter beiwohnen musste, zu einer reaktiven „Selbstjustiz“ führen, die jedes um ethische Grundsätze bemühte Strafrechtssystem (wie z.B. das deutsche, das wahrscheinlich beste der Welt) vor Probleme stellt.
In diesem Sinne ist die Frage des Ausgangsposters wahrscheinlich zu verstehen. Und Selbstjustiz IST ein ungelöstes Problem, mit dem unsere Strafjustiz sich ja, vor allem nach dem Krieg in Jugoslawien, herumschlagen musste.

Jemand der die Regeln des Lebens teilweise aufgestellt hat. Der Staat.

Also: Der Staat stellt nicht die Regeln des Lebens auf! Behauptet er auch nicht. Er reguliert notwendigerweise einen bestimmten Verhaltensbereich. Gottseidank!

Nun hat jeder die Freiheit diese Selbstjustiz aus zu üben, jedoch haben andere was dagegen. […]

Sag mal, wovon redest du eigentlich? – Justiziell problematische Selbstjustiz wird NIE aus Freiheit ausgeübt. Und ob andere was dagegen haben ist eine Frage, die sich dem „Selbstjustiz“ Ausübenden niemals stellen wird.

Du kannst deine Selbstjustiz vollziehen, aber musst auch die Folgen dafür tragen, im Sinne von Knast.

Wirklich starker Bezug auf die Ausgangsfrage! Denjenigen, der problemträchtige Selbstjustiz ausübt (und nur um die geht es dem Ausgangsposter, denn er fragt ja nach deren Grenzen), den interessiert es überhaupt nicht, ob er in den Knast kommt. Dem geht es um das Überleben!! Und das ist nach erfolgreicher „Selbstjustiz“ selbst dann erreicht, wenn er danach aus der Gesellschaft sicherdauerhaft entfernt würde, also durch Exterminierung.

Du bist zu beglückwünschen, dass du mit dem Thema „Selbstjustiz“ nie in Berührung gekommen bist.

Ich wünsche dir, dass es weiter so bleibt.
Boris

hallo jannik, hey alter, was geht?

aber wie kommst du darauf, dass deine fungeile Frage auf ein so ernstes Thema diskussionsfördernd sein könnte? Und welche Diskussion fördernd?

Und wie kommst du darauf, das „Recht“ etwas mit „Gerechtigkeit“ zu tun haben könnte? Schätze, du peilst da was nicht.

„Gerechtigkeit“ ist ein idealer Begriff. Wenn es sie gibt, dann gibt es sie bei Gott.

Das „Recht“ hingegen ist ein System, das von Menschen geschaffen wird, um in der Handhabung, Verwaltung, Regulierung einer wie auch immer abgegrenzten oder äußerlich abgrenzbaren Menge von Menschen Regeln schaffen zu können, die es verhindern, dass irgendeiner dieser Zweibeiner nach Belieben irgend einem anderen dieser Spezies etwas zufügen darf, was diesem nicht so sehr gefällt. Es ist ein Regelsystem, und es ist dementsprechend permanenter Überwachung und Anpassung unterworfen. Deshalb entstehen z.B. bei uns, in Deutschland, praktisch alle paar Tage neue Gesetze oder Gesetzesänderungen. - Könntest du das in Einklang bringen mit „Gerechtigkeit“?

Was „Recht“ ist hat mit "Gerechtigkeit überhaupt nichts zu tun! Die schlimmsten Verbrechen der Menschheit waren rechtlich abgesichert, d.h. sie waren „Recht“. Recht wird durch Gesetze gemacht. Und wenn in den Gesetzen schriftlich niedergelegt ist, dass einem Dieb die Hände abgehackt werden, dann ist die Ausführung dieser Maßnahme rechtens. Ob sie gerecht ist?

Dies vorab skizziert und unter Hinwegsehung der so offenkundigen Paradoxie des Begriffs „Selbstjustiz“ zeigt sich, dass deine Frage auf einen individuellen Eingriff in ein gesetztes überindividuelles System mit höherem Moralanspruch (wegen stärkerer Wirkung auf viele Individuen) zielt.

Was nun als Antwort zu deiner Frage gerechter sei, die lapidare Abschmetterung Hannes’ 1) oder die ernstnehmende Antwort von [Edit: Name entfernt], vermag ich ob deiner Frage nicht zu beantworten. Ich könnte auch nur einen „Versuch“ starten, scheue aber doch die dazu erforderliche Mühe; vielleicht fühlte ich mich dann auch missbraucht.

In der Hoffnung, nicht ungerecht zu sein, grüßt dich
Boris

  1. Oh, so lapidar ist sie gar nicht! Entschuldige, Hannes! Der Hinweis auf Michael Kohlhaas ist ja förderlich. Solltest du lesen, Jannik, gibt’s bestimmt bei Reclam, für 3-4 Euro, müsste unter „Kleist“ stehen.

Servus,

Heutzutage machen ja trotzdem Leute noch sowas wie Ehrenmord o.ä. was ich unter Selbstjustiz verstehe.

Diesem Verständnis kann ich überhaupt nicht folgen! Der sog.
„Ehrenmord“ kann und darf nie unter „Selbstjustiz“ fallen, weil die :Verletzung
bloßer Konventionen oder Regeln ohne konkreten Schaden an
Anderen die Motivlage bei Selbstjustiz, wie sie faktisch
geschieht und verhandelt wird, in den meisten Fällen verkennt.

Wer stellt den die Regeln auf? Wenn man sich seine eigenen Regeln aufstellt und diese auf Andere überträgt, dann ist schon eine „Regelverletzung“ inbegriffen, die evt. auch jmd. Schaden kann.
Ein klassisches Beispiel ist das Fremdgehen. Geht die Frau fremd, bricht die Frau eine inoffizielle Regel zwischen Mann und Frau. Der Mann muss nicht unbedingt nach einer Liste:" Aha, Ehebruch, 5 Fausst schläge", sondern er handelt nach Gefühl und manche einfach nach blinder Wut.
Ob ich jetzt Mord oder Ehrenmord sage, ist kein großer Unterschied. Mord ist Mord und manche sehen es aus einem anderen Blickwinkel.
Selbstjustiz ist nicht immer eine lange Diskussion mit einem 5 Seiten monolog, wie man es aus „Maria Stuart“ kennt, sondern es geht auch in ein paar Sekunden, indem man überlegt und innerlich richtet.

Somit würde Ehren/mord, meiner Ansicht nach, zu Selbstjustiz gehören.

Wenn dir bei „Selbstjustiz“ als Erstes „Ehrenmord“ einfällt,
dann hast du diese als Beobachter noch nie erfahren! Ehrenmord
ist nicht Selbstjustiz, sondern massive Straftat, eben Mord.

  1. Nein, Ehrenmord war nciht mein erstes Beispiel, nur es war nicht Konkret genug. Selbstjustiz kann auch eine Kritik sein, die aber nicht sehr viel zulauf finden würde oder einfach nur jmd. mit Eiern beschmeißen, da dieser etw. getan hat.

  2. Wer sagt, dass Selbstjustiz immer StGb gerecht ist?
    Ein real existierendes Beispiel:
    Eine Frau wird von 3 Leuten belästigt und geschlagen, um sie auszurauben.
    Ein Mann der Kampfsport beherscht geht vorbei und schlägt die Leute in die Luft.
    Selbstjustiz => Männer behandeln Frauen schlecht, ich muss eingreifen!

Nun hatte die Frau Anzeige erstattet gegen die Männer, zieht sie jedoch später zurück, da die Männer sie höchstwahrscheinlich bedroht haben.
Nun zeigen die Schläger, den „Helden“ wegen gefährlicher Körperverletzung an.

Ist das „gerecht“? Hatte der Mann nicht intuitiv das richtige getan? Nun hatte er selbst gerichtet und wird dafür bestraft, die Frau beshcützt zu haben…

Jemand der die Regeln des Lebens teilweise aufgestellt hat. Der Staat.

Also: Der Staat stellt nicht die Regeln des Lebens auf!
Behauptet er auch nicht. Er reguliert notwendigerweise einen
bestimmten Verhaltensbereich. Gottseidank!

„Er kontrolliert mich nicht, aber er sagt mir was ich zu tun haben muss!“ … die Freiheit im Käfig…

Nun hat jeder die Freiheit diese Selbstjustiz aus zu üben, jedoch haben andere was dagegen. […]

Sag mal, wovon redest du eigentlich? – Justiziell
problematische Selbstjustiz wird NIE aus Freiheit ausgeübt.
Und ob andere was dagegen haben ist eine Frage, die sich dem
„Selbstjustiz“ Ausübenden niemals stellen wird.

Was ich meine ist. Jeder darf machen was er will und richten wie er will. Diese Freiheit hat er und kann er ausüben(z.B. Ich helfe jetzt der Frau).
Nur anderen gefällt dieses Urteil nicht immer(z.B. dem Staat).

Du kannst deine Selbstjustiz vollziehen, aber musst auch die Folgen dafür tragen, z.B. im Sinne von Knast.

Wirklich starker Bezug auf die Ausgangsfrage! Denjenigen, der
problemträchtige Selbstjustiz ausübt (und nur um die geht es
dem Ausgangsposter, denn er fragt ja nach deren Grenzen), den
interessiert es überhaupt nicht, ob er in den Knast kommt. Dem
geht es um das Überleben!! Und das ist nach erfolgreicher
„Selbstjustiz“ selbst dann erreicht, wenn er danach aus der
Gesellschaft sicherdauerhaft entfernt würde, also durch
Exterminierung.

Wer hat denn gesagt, dass man über die Folgen nachdenkt? Ich habe gesagt, dass man die Folgen tragen muss, da der Staat immer über dem Bürger stehen wird.
Wenn es keinen Staat oder Folgen gibt und keiner die Regeln aufstellt, außer einer selbst, dann ist er gezwungen Selbstjustiz zu praktizieren.

Hanzo

Das „Recht“ hingegen ist ein System, das von Menschen
geschaffen wird

Was du da behauptest, ist rechtspositivistisch. Der Rechtspositivismus ist aber alles andere als unumstritten. Die deutschen Gerichte gehen immerhin von der Radbruch’schen Formel und damit (auch) von der Existenz überpositiver Normen aus (Naturrecht). Und ja, Gerechtigkeit und Recht haben miteinander zu tun. Nach Radbruch ist Gerechtigkeit die Idee des Rechts und ein Teil davon. So bemisst er die Zugehörigkeit von Normen zum Recht auch nach der Gerechtigkeit, wobei selbstverständlich nicht die Formel gilt, alles, was ungerecht ist, ist auch sofort Unrecht.

3 Like

Fazit: Selbstjustiz ist immer ein bisschen gerechtfertigt,
aber praktisch nie völlig gerechtfertigt

Wie du an anderer Stelle selbst so schön gesagt hast: Man kann nicht ein bisschen schwanger sein, sondern man ist es oder eben nicht. Und so ist das auch mit der Rechtfertigung, m.E. im religiösen, jedenfalls aber im rechtlichen Kontext.

Ich konnte deine Ausführungen nicht vollständig nachvollziehen, weil du einige Termini anders zu verwenden scheinst, als ich sie kenne, aber es schwingt in deinem Text mit, dass du Rechtfertigungsgründe wie Notwehr „auch“ als Selbstjustiz betrachtest. Das ist so nicht richtig, wenn man unter Selbstjustiz das versteht, was Wikipedia sagt:

„Selbstjustiz bezeichnet das außergesetzliche Vorgehen von nicht dazu Berufenen gegen eine Straftat oder eine andere als rechtswidrig oder ungerecht empfundene Handlung. Die Selbstjustiz widersetzt sich dem Gewaltmonopol des Staates und ist in diesem Rahmen strafbar. Der Staat behält sich das Recht der Bestrafung als Dritter selbst vor. Daher wird das Pendant der Selbstjustiz auch als „Fremdjustiz“ bezeichnet.“

Selbstjustiz meint doch im Grunde, dass eine rechtswidrige Tat gerächt werden soll. Genau dieser Gedanke spielt aber bei der Notwehr überhaupt keine Rolle, jedenfalls nicht im deutschen Recht. Das zeigt sich unter anderem daran, dass eine Notwehrhandlung nur gerechtfertigt sein kann, wenn sie das relativ mildeste Mittel darstellt, den Angriff sicher zu beenden. Allein die Beendigung des Angriffs ist also die Zielrichtung. Das gilt auch für den subjektiven Tatbestand. Wer nicht in Verteidigungsabsicht handelt, kann nicht durch Notwehr gerechtfertigt sein.

1 Like

Hallo Mevius,

ich konzediere Dir, dass Notwehr nicht immer eine Form von Selbstjustiz darstellt, ja ich hatte dies eigentlich sogar stillschweigend vorausgesetzt weil als eher selbstverständlich erwartet. Es gibt jedoch Fälle von Notwehr und insbesondere Notstand, die der Selbstjustiz nahe kommen, ja sogar unter gewissen Voraussetzungen nicht von ihr zu unterscheiden sind; und die Selbstjustiz ihrerseits ist regelmässig durch Motive gekennzeichnet, die auch Abwehr von Gefahren (Notstand) oder sogar Angriffen (Notwehr) bedeuten, ansonsten spricht man nicht eigentlich von Selbstjustiz, sondern einfach von einer neuen Tat.

Allein die Beendigung des Angriffs ist also die Zielrichtung.

Bei Notwehr ganz selbstverständlich. Also darf ein Richter, der nicht die Beendigung des Angriffs als Ziel der Tat erkennen kann, nicht mehr auf Notwehr erkennen. Wenn jedoch Selbstjustiz - wie in vielen Fällen - zum Zweck hat, gewisse Angriffe oder Gefahren abzustellen, dann kann man sie regelmässig auch unter dem Aspekt der Notwehr bzw. des Notstandes betrachten. Sie wird durchaus oft in Verteidigungsabsicht durchgeführt. Dort, wo sie allein dem Rachegedanken dient, ist ein Grenzfall gegeben, allerdings zielt ja auch Rache auf die letztlich legitime Berücksichtigung eines Motivs, nur tut sie es eben mit illegitimen Mitteln.

Gruss
Mike

Zustimmung
Hallo Mevius,

ich teile Deinen Gedanken, allerdings wäre Rücksicht auf gewisse Facetten zu nehmen. Boris schrieb

Deshalb entstehen z.B. bei uns, in Deutschland, praktisch alle paar
Tage neue Gesetze oder Gesetzesänderungen

und das bedeutet natürlich, dass immer mehr Fallgruppen nur unter bestimmtem Blickwinkel betrachtet werden dürfen statt unter allen relevanten Gesichtspunkten. Der Arzt, der zu schnell fährt, weil er noch ein Kind retten geht, bezahlt seine Busse. Sie ist ihm zwar vielleicht ziemlich egal, aber ob sie gerecht ist, hängt davon ab, wie gefährlich die Situation im Strassenverkehr wirklich war und nicht davon, ob die Blechkiste funktioniert, die seine Geschwindigkeit gemessen hat.

Wenn also Radbruch meint, nicht alles, was ungerecht sei, sei auch Unrecht, dann kann er durchaus auch Gesetze meinen, d. h. es gibt nicht nur Ungerechtes, das kein Unrecht ist, sondern sogar Ungerechtes, das Recht ist.

Gruss
Mike

1 Like

Da mir noch immer nicht ganz klar ist, was du überhaupt meinst, kann ich dir nicht einfach widersprechen. Ich will das Thema nun auch nicht ewig fortführen. Unter deutschen Rechtsgesichtspunkten haben Notwehr und Selbstjustiz aber nichts miteinander zu tun.

1 Like

und das bedeutet natürlich, dass immer mehr Fallgruppen nur
unter bestimmtem Blickwinkel betrachtet werden dürfen statt
unter allen relevanten Gesichtspunkten. Der Arzt, der zu
schnell fährt, weil er noch ein Kind retten geht, bezahlt
seine Busse. Sie ist ihm zwar vielleicht ziemlich egal, aber
ob sie gerecht ist, hängt davon ab, wie gefährlich die
Situation im Strassenverkehr wirklich war und nicht davon, ob
die Blechkiste funktioniert, die seine Geschwindigkeit
gemessen hat.

Das hat aber nichts mit dem Rechtspositivismus-Naturrechtsstreit-Streit zu tun. Das Ergebnis lässt wie fast alle anderen Ergebnisse auch durch Anwendung positiver Gesetze erzielen. Siehe dazu § 16 OWiG:

http://www.juraforum.de/gesetze/owig/16-rechtfertige…

d

Wenn also Radbruch meint, nicht alles, was ungerecht sei, sei
auch Unrecht, dann kann er durchaus auch Gesetze meinen, d. h.
es gibt nicht nur Ungerechtes, das kein Unrecht ist, sondern
sogar Ungerechtes, das Recht ist.

Richtig. Trotzdem ist Gerechtigkeit für die Gültigkeit von Gesetzen ein Maßstab, denn

  1. können extrem (!) ungerechte Gesetze als „unrichtiges Recht“ keine Gültigkeit beanspruchen, und

  2. gehört ein Gesetz, das Gerechtigkeit nicht einnmal anstrebt, nicht zum Recht.

Soweit Radbruch.

Keine Zustimmung
Hallo Mevius,

Das Ergebnis lässt wie fast alle anderen Ergebnisse auch durch
Anwendung positiver Gesetze erzielen

natürlich nicht. Auch der genannte Arzt kann sich nicht auf Notstand berufen, weil er nämlich normalerweise nicht angehört wird.

gehört ein Gesetz, das Gerechtigkeit nicht einmal anstrebt, nicht
zum Recht

Ist es gerecht, dass man auf der Strasse rechts fährt und nicht links? Nein, wenigstens gewiss nicht gerechter, als wenn das Gegenteil der Fall wäre. Dann gehört also das Gesetz, das aussagt, man habe rechts zu fahren, nicht zum Recht?

Gruss
Mike

1 Like

Hallo Mevius,

Da mir noch immer nicht klar ist

und mir ist nicht klar, warum es Dir nicht klar ist.

Jeder Täter hat doch ein Motiv. Genauso der Täter der Notwehr und genauso auch der Täter der Selbstjustiz. Das Motiv allein kann also weder die Selbstjustiz von einer neuen Tat unterscheiden noch die Rache von der Notwehr. Es braucht schon eigene Merkmale (bei der Notwehr einen Angriff, bei der Selbstjustiz eine Straftat oder bei der Rache eine verwerfliche Vortat).

Gruss
Mike

natürlich nicht.

Verzeih mir, guter Dahinden, aber das ist keine Frage, über die man geteilter Ansicht sein kann. Das Gesetz habe ich dir genannt. Gegen einen Bußgeldbescheid, den man für nicht rechtmäßig hält, legt man Einspruch ein, dann wird vor dem Amtsgericht verhandelt, und rate mal, wem man da rechtliches Gehört gewährt…!

Auch der genannte Arzt kann sich nicht auf
Notstand berufen, weil er nämlich normalerweise nicht angehört
wird.

Wie du ja vielleicht schon mitbekommen hast, bin ich Jurist. Nun will ich nicht sagen, dass Juristen einfach alles wissen; nein, das nicht. Aber so ein paar Dinge wissen sie berufsbedingt ja doch. Der Arzt kann eine Spritze sitzen, der Lehrer kennt im besten Fall die Inhalte seines Faches, der Bäcker kann backen, na, und wir Juristen wissen halt über die eine oder andere Rechtsfrage ganz gut Bescheiid.

Ich kenne z.B. Art. 19 IV S. 1 GG und garantiere dir, dass jemand, der einen Bußgeldbescheid erhält, die Möglichkeit hat, sich dazu umfassend - sogar vor Gericht - zu äußern. Das geschieht auch ständig, weswegen deine Behauptung, das sei „natürlich nicht“ der Fall, schlicht und ergreifend widerlegt ist.

gehört ein Gesetz, das Gerechtigkeit nicht einmal anstrebt, nicht
zum Recht

Ist es gerecht, dass man auf der Strasse rechts fährt und
nicht links? Nein, wenigstens gewiss nicht gerechter, als wenn
das Gegenteil der Fall wäre. Dann gehört also das Gesetz, das
aussagt, man habe rechts zu fahren, nicht zum Recht?

Selbstverständlich haben, je nach Staat, auch Links- und Rechtsfahrgebote die Gerechtigkeit im Sinn, denn sie wollen den Straßenverkehr „gerecht“ regeln. Die ganze Rechtsordnung soll nichts anderes, als das Miteinander der Menschen zu ermöglichen und eben gerecht zu regeln. Es versteht sich von selbst, dass nicht bei jedem Gesetz sofort auf den ersten Blick einleuchtet, dass es letztlich auch etwas mit Gerechtigkeit zu tun hat.

Dir ist aber natürlich auch klar, dass Radbruch etwas ganz anderes meint, nämlich Gesetze, mit denen nicht versucht wird, eine gute Ordnung herzustellen, sondern die schlicht verbrecherisch sind. Ein Gesetz etwa, das anordnet, Millionen Menschen z.B. wegen ihrer Hautfarbe zu töten, wäre in Radbruchs Sinne Unrecht.

Es gibt zwei Möglichkeiten: Du verstehst Radbruch nicht, dann bitte ich dich, dich damit zu beschäftigen. Du verstehst Radbruch, willst ihn aber kritisieren; dann tu das, aber ich stehe momentan für solche Diskussionen nicht zur Verfügung und und schon gar nicht mit solchen offensichtlich polemischen Einwänden.

1 Like

Hallo Mevius,

gegen einen Bussgeldbescheid, den man für nicht rechtmässig hält,
legt man

normalerweise keinen

Einspruch ein

schon deswegen, weil sonst höhere Kosten drohen.

Das geschieht auch ständig

Wir können gerne über die Häufigkeit streiten. Vielleicht ist es häufiger, als ich dachte. Der Normalfall wird es wenigstens insofern doch nicht sein, als dass die Geschichte nach einer gewissen Anzahl von Instanzen aufgegeben oder aber von gerichtlicher Seite her als erledigt abgetan wird (mit der ganzen Problematik von Beweisfragen, Justizirrtümern, Beweiswürdigung, Willkür usw.).

den Strassenverkehr „gerecht“ regeln

ist eine Überdehung des (natürlich ansonsten unklaren, aber hier eben eindeutig nicht alles erfassenden) Gerechtigkeitsbegriffs.

dass nicht bei jedem Gesetz sofort auf den ersten Blick einleuchtet,
dass es letztlich auch etwas mit Gerechtigkeit zu tun hat

ist entschieden zu milde ausgedrückt.

in Radbruchs Sinne Unrecht

heisst nicht, dass Radbruch schon genügend dargelegt hat, warum er es als Unrecht bezeichnet (bezüglich rassistischen Gesetzen wird er dies an anderer Stelle wohl tun, aber eben nicht unmittelbar)

willst ihn aber kritisieren

ein Stück weit natürlich, ja

polemischen Einwänden

Ich philosophiere und habe nicht polemisiert.

Gruss
Mike

1 Like