Setzt Denken Sprache voraus?

Hallo Wissende!

Seit langem frage ich mich, ob Tiere denken können und dann natürlich wie gut sie das können. Ob Insekten denken, weiß ich nicht, bei Säugetieren bin ich mir sehr sicher. Wenn ich denke, geht das aber immer mit Sprache einher, sogar, wenn ich ein englischsprachiges Buch gelesen habe, (zB), auf Englisch.
Meine Katze scheint ein paar Worte zu verstehen und dass sie denkt, ist mir vollkommen klar, aber reichen diese (vielleicht zehn, zwanzig) Wörter aus? Dass der Denkprozess natürlich auch mit der Gefühlswelt einhergeht, ist mir auch bewusst.
Ich habe einmal gelesen, dass Menschen, die von klein an keine Sprache lernen, selbst eine Sprache entwickeln (Nell). Folglich könnte es doch auch so sein - wenn mein Gedankengang stimmt - dass die Katze in einer eigenen Sprache denkt.
Oder, wo liegt mein Irrtum?

Danke für die Antworten !

Gollum

[Verschoben aus ‚Psychologie‘ - Mod Kreszentia]

Tiere denken ohne sprechen zu können.

Es gibt Filmaufnahmen, in denen zu sehen ist, wie ein Löwe einen Kadaver einer Kuh so zurechtrückt ,dass ein anderer Löwe, welcher sein Unterkiefer gebrochen hat, ohne Anstrengung an das weiche Bauchfleisch herankommt.
Er dreht das tote Tier auf den Rücken und hält es solange, bis das kranke Tier gesättigt ist. Das sind sehr aufregende Aufnahmen. Wer sie gesehen hat, weiß, dass Tiere denken-

Globus

Hallo,

mit der Thematik befasst sich auch dieser Thread.

Gruß
Kreszenz

Hallo,

das würde ich von mir nicht sagen. Ein Teil meines Denkens geschieht sprachlich. Es gibt aber auch einen Teil, den ich nur dann in Sprache übersetze, wenn ich bewusst darauf achte, was ich denke.

Ein Beispiel sind praktische Problemlösungen. Ich denke nicht unbedingt sprachlich: „Ich könnte es mal von der anderen Seite aus versuchen.“ oder „Ich brauche einen größeren Schraubenzieher.“ Ich überlege und weiß dann, was ich versuchen will, ohne das unbedingt sprachlich auszudrücken.

Bei abstrakteren Themen wird es schwieriger - aber auch da bin ich nicht sicher, ob alles Denken in sprachlicher Form stattfindet. Ich halte es sogar für möglich, dass das eigentliche Denken nichtsprachlich stattfindet und „nur“ in Sprache übersetzt wird. Wie gesagt, möglich - nicht sicher.

Viele Grüße,

Jule

Ich denke im Allgemeinen nicht in Sprache (auch wenn ich durchaus gesprochene Sprache in verschiedenen Sprachen gedanklich abrufen kann), sondern in Bildern, Stimmungen und Gefühlen. Wenn ich anderen meine Gedanken mitteilen will, muss ich diese immer erst in Sprache „übersetzen“, was in manchen Situationen leicht dazu führen kann, dass ich mich in meinen Sätzen verheddere oder manche Gedankenschritte beim Sprechen auslasse, weil ich sehr viel schneller denken als übersetzen und sprechen kann.

Meines Wissens bin ich damit auch keineswegs die Einzige.

:paw_prints:

Nachtrag zu deiner Katze: Es ist tatsächlich so, dass nicht nur Katzen menschliche Laute zu verstehen lernen, sondern umgekehrt auch Menschen kätzische Laute. dabei entwickelt jede Katze bzw. Katzengruppe eine eigene „Sprache“, die nur ihre Menschen verstehen.: http://nymag.com/scienceofus/2015/04/your-cat-is-trying-to-talk-to-you.html

:paw_prints:

Meine Begründung für ein klares Nein wäre:

Denken ist ausschließlich ein innerer Prozess oder eine Ablauffolge von ausschließlich inneren mentalen Zuständen. Es befasst sich mit oder verarbeitet Erinnerungen, Vorstellungen, Planungen u.ä., die auch ohne jeglichen Kontakt nach außen abrufbar sind oder erzeugt werden können.

Sprache dagegen ist Kommunikation, eindeutig nach außen gerichtet.

M.E. keine Schnittstelle zwischen den beiden, keine Abhängigkeiten. Denken ist durchaus denkbar für taubstumme blinde und auch ansonsten sensorische befreite Wesen. Und Sprache kann auch ohne Denken erfolgen ( wenn ich an mein Navi denke).

Franz

Ob in Sprache, Bildern, Gefühlen oder sonstiger Hilfsmittel „gedacht“ wird, befasst sich nur mit dem Wie bzw. Was gedacht wird. Aber nicht mit dem Denken als Vorgang selbst.

Ein deutliches Kriterium zur Beantwortung deiner Frage:
Tiere können nicht beten.
Sie haben kein Vorstellungsvermögen für imaginäre Begriffe wie zum Beispiel Gott.

Hallo,

woher weißt Du das?

Jule

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Ganz einfach.
Beobachte die Tiere, ob sie kultische Handlungen vollbrigen, ähnlich denen der Menschen. Da gibt es nichts, sie handeln rein zweckmäßig.

Nee, so einfach ist das nicht. Dass Tiere nicht genau so kultisch handeln wie Menschen, ist klar.
Ob aber z.B. ein Elefant, wenn er grast oder ruht, religiöse Gedanken hegt oder nicht, können wir nur vermuten. Nicht wissen.

Jule

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Mir ist es jedenfalls noch nie gelungen, an der Sprache vorbei zu denken.

Gruß
F.

Hi F.,

Dieses Vorbei dürfte allein aus logischen Gründen nicht möglich sein :slight_smile:
Denn Denken über Sprache als Gegenstand des Denkens setzt sprachlich repräsentierte Begriffe über Sprache voraus.

Aber davon abgesehen: Was ist, wenn du einen komplexen, insbesondere kognitiven, Sachverhalt hast und du daran arbeitest (alias darüber nachdenkst), wie du ihn sprachlich adäquat darstellen/wiedergeben sollst? Oder was ist mit der in Philosophie, aber auch in Mathematik und in Psychologie, bekannten „Weisheit“: Man kann einen Gedanken erst dann sinnvoll zur Sprache bringen, wenn er klar ist.

Oder z.B.: Was geht im Denken eines deiner Patienten vor, der ein Problem hat, aber partout nicht weiß, wie es beschreiben soll?

Oder z.B.: Ist das, was einem bei Gelegenheit die Sprache verschlägt, etwa kein Gedanke?

Aber wie dem auch sei, die Fragestellung des UP scheint einfach, ihre Beantwortung jedoch zu behandeln, dürfte das Ambiente eines offenen Forums wie diese hier schlicht überfordern (du weißt sicher, was ich meine). Wenn man sich allein die unendliche Debatte um die Sapir-Whorf-Hypothese betrachtet, oder die Bemühungen von Wygotsky (und nicht zu vergessen: auch Piaget) …

Allein die vorab zu klärenden, nicht minder komplexen Fragestellungen: „Was soll unter Denken verstanden werden?“, „Was soll unter Sprache verstanden werden?“, „Wie ist ein Gedanke?“, „Was soll unter Begriff verstanden werden?“ oder „Ist Denken ohne Begriffe denkbar?“, „Sind Begriffe ohne eine sprachliche Repräsentation möglich?“ und umgekehrt „Welchen Einfluß hat Sprache auf das Denken?“ (zum Letzteren siehe Benjamin Lee Whorf) usw. und dies alles nur als Basis, um sich dann erst an die erste Fragestellung heranzutasten.

Schönen Gruß
Metapher

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Es gibt berühmte Verhaltensforscher. Einer davon ist aus meiner Heimat, Konrad Lorentz. Keiner von ihnen hat ein Verhalten bemerkt, das auf eine höhere „Denkungsweise“ der Tiere schließen ließe.
Es ist nämlich so:
Imaginäres Denken hat nicht nur eine religiöse Komponente, Es wurde uns Menschen geschenkt, um in erster Linie Gott zu erkennen. In zweiter Linie befähigt es uns zur Planung von noch nicht existierenden Dingen, Kunstwerken. technischen Werken.
All das ist im Tierreich unbekannt. Noch nie hat ein Tier ein anderes Tier abgebildet, zu welchem Zweck auch immer.
Menschen haben sehr wohl menschliche Figuren geschaffen. Die „Venus von Willendorf“ stammt ebenfalls aus meiner Heimat.

All das und auf dem Boden der ‚intersubjektiven Wende‘ noch viel mehr: Wenn ich notwendigerweise in, mit, und durch Sprache diskutiere, ob Denken Sprache voraussetzt, ist das, was ich als „Denken“ und das was ich als „Sprache“ diskutiere, notwendig und uneinholbar sprachlich strukturiert.

Gruß
F.