Moin Günter,
Ich gebe Dir völlig recht und, wenn Scharon nicht endlich
Vernunft annimmt, scheint noch mehr zu passieren. Harald hat
an anderer Stelle auf die Zusammenhänge mit der Religion
hingewiesen. Bis gestern habe ich dies für völlig abwegig
gehalten.
Ich halte diese Zusammenhänge nach wie vor für völlig abwegig. Hier soll ein Konflikt der sich Hauptsächlich um Landraub dreht religiös instrumentalisiert werden.
Ich will das auch gerne begründen:
Die in Israel lebenden Muslime, die immerhin fast ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachen, scheinen nach wie vor zumindest von Regierungsseite bislang unbehelligt zu sein. Von Interesse für die israelische Regierung ist offenbar nur die Bevölkerung in den besetzten Gebieten. Diese soll vertrieben, deportiert oder ermordet werden, um sich entsprechende Gebiete anzueignen, dabei macht die Israelische Regierung keinen Unterschied zwischen moslemischen und christlichen Palästinensen. Entscheidend ist Landbesitzt und Zugehörigkeit zur Palästinensischen Volksgruppe, NICHT Religion. All diese Aktivitäten weisen eher auf das von Sharon erträumte „Gross-Israel“ hin.
Andererseits muss man, nachdem die israelische Armee die
überwiegend christliche Stadt Bethlehem besetzt hat, die
Panzer vor der Geburtskirche stehen und Christen an der
Ausübung der Religion hindern, wirklich die Frage aufwerfen,
ob Scharon nicht tatsächlich diese Aktionen gegen Arafat nur
zum Anlass des von ihm und dem Likhoud-Block ersehnten
Gross-Israel nimmt und mit Bush den Kampf gegen den Islam und
das Christentum führt.
Auch hier möchte ich wiedersprechen. Bereits um Weihnachten herum, als Christen daran gehindert wurden, an religiosen Feierlichkeiten in Bethlehem teilzunehmen, wurden israelische Pläne für Bethlehem publik, die eine Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung, den Raub ihres Landes und eine Form der „Stadtentwicklung“ vorsahen, die die Palästinenser aus der Stadt verdrängt. Statt dessen sollten jüdische Siedlungen und „sichere Korridore“ für ausländische Besucher und Touristen geschaffen werden, damit Christen (sofern sie denn nicht Palästinenser sind) ihre heiligen Städten besuchen und an Feierlichkeiten teilnehmen können.
Das bekannte und beliebte palästinensiche Politiker Christen sind, ist für Sharon natürlich „ungünstig“.
Hier einen religiosen Konflikt hineininterpretieren zu wollen halte ich für sehr gefährlich. Israel ist zwar ein Staat mit überwiegend jüdischer Bevölkerung, aber keineswegs gleichzusetzen mit dem Judentum (es leben immer noch weitaus mehr Juden außerhalb Israels, vornehmlich in den USA, als innerhalb Israels).
Man muss sich schon fragen, wer von einer künstlichen Gleichsetzung der Interessen Israels mim denen des Judentums profitiert, bzw. für wen davon die meisten Probleme ausgehen.
Zum einen hat sicher Israel ein Interesse daran, seine Politik als den jüdischen Interessen dienlich zu verkaufen, basiert doch auf dieser Annahme wesentliche Unterstützung von Juden (und anderen) in aller Welt für Israel (sei es finanziell oder ideell).
Man darf auch nicht vergessen, dass Israel ursprünglich als „Heimstatt“ für Juden gegründet wurde, also als Ort, an dem Juden aus aller Welt vor religöser Verfolgung sicher sein sollten.
Mittlerweile muss man sich allerdings fragen, ob dieser ursprüngliche Gedanke sich nicht längst umgekehrt hat. Offensichtlich finden zur Zeit aus Israel große Ausreisebewegungen statt. Insrael ist unter seinen gegenwärtigen Politikern kein Ort der Sicherheit für Juden mehr. Ich wette, ein Jude in Manhatten ist nicht nur zur Zeit wesentlich sicherer als ein Jude in Tel Aviv.
Zudem geht grade aus der Gleichsetzung von Israel=Judentum eine Gefahr für die Juden weltweit aus. Man darf nicht vergessen, dass sich aufgrund der Vertreibung und Deportation viele Palästinenser im Ausland aufhalten. Die werden sicher nicht tatenlos mitansehen, wie Freunde und Verwandte in den besetzten Gebieten abgeschlachtet werden. Da sie aber keine Möglichkeiten der Einflussnahme in den besetzten Gebieten haben ist zu befürchten, dass israelische Einrichtungen, und in der religiös-logischen Konsequenz eben auch jüdische Einrichtungen im Ausland verstärkt zum Ziel von palästinensischen Terroranschlägen werden. Man denke in diesem Zusammenhang nur an den schrecklichen Anschlag auf das israelische Olympiateam vor etlichen Jahren.
Sicherlich werden es sich auch etliche rechtsradikale Gruppierung nicht nehmen lassen, die menschenverachtende Politik Israels zum Anlass für antisemitische Aktivitäten zu nehmen (sofern diese Gruppen überhaupt einen Anlass brauchen).
Meine persönliche Meinung:
Es widert mich nur noch an, insbesondere was zur Zeit in den besetzten Gebiten geschieht (sofern man überhaupt etwas erfährt.) Zur österlichen Erbauung vielleicht noch ein Bericht aus Ramallah: http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/12213/1.html
Gruss
Marion