Skeptiker, Aufklärer, Freidenker heute

Hallo,

angeregt durch einen Artikel von Uwe Justus Wenzel in der NZZ
http://nzz.ch/2005/10/31/fe/articleD9BLC.html
kam mir wieder die Frage in den Sinn,
was es in unseren westlichen Gesellschaften,
in denen zumindest die Gebildeten durchweg für sich in Anspruch
nehmen, „aufgeklärt“ zu sein,
mit den ebenfalls Gebildeten auf sich hat, die sich Freidenker,
Skeptiker, Humanisten o.ä. nennen und z.B. eine Zeitschrift
„Aufklärung und Kritik“ herausgeben.

Wenzel nennt zwei Gruppierungen als Repräsentaten:
In Deutschland die Giordano-Bruno-Stiftung
http://www.giordano-bruno-stiftung.de/
Dort lese ich:
„Wir leben in einer Zeit der Ungleichzeitigkeit: Während wir
technologisch im 21. Jahrhundert stehen, sind unsere Weltbilder
mehrheitlich noch von Jahrtausende alten Legenden geprägt…“

Im Anglo-Bereich „The Brights“
http://www.the-brights.net
Dort lese ich:
"What is a bright?
>A bright is a person who has a naturalistic worldview
>A bright’s worldview is free of supernatural and mystical elements
>The ethics and actions of a bright are based on a naturalistic
worldview.

Beide Gruppierungen, wie auch zahlreiche andere mit gleicher oder
sehr ähnlicher Intention, nämlich Aufklärung in einer seit langem als
aufgeklärt geltenden Gesellschaft zu betreiben, betrachten sich als
marginalisiert und sind es offenkundig auch.

Ist das nicht irgendwie irritierend ?
Was meint ihr ?

Grüsse
Nescio

Hallo Nescio
Der Artikel da weist ja die übliche journalistische Oberflächlickeit und Spektakulär-Interessen auf.
Allein die These, Darwin hätte auch gut Landpfarrer werden können, steht etwa so im Raum wie der Satz „Wilhelm Reich hätte auch ein anständiger Landarzt werden können“ :wink:.
Nun ja, Du siehst schon, ich reagiere auf den Versuch, das Genie Darwin abzubiegen etwa so wie auf den Versuch, das Genie Freud kleiner zu machen. Ich halte beide ja für die wichtigsten Wissenschaftler der letzten paar hundert Jahre.
Das mag jetzt auf Dein Posting nicht 100% eingehen, das legt imho aber auch daran, dass in Deinem Posting die Frage nicht allzu scharf formuliert wird.
Gruß,
Branden

Hallo Nescio,

die Gebildeten durchweg für sich in Anspruch nehmen, „aufgeklärt“ zu
sein

Aufklärung ist keine Eigenschaft, sondern eine Vorgang, den jeder immer wieder an sich selbst zu vollziehen hat, und der sich darin zeigt, dass man seine eigenen Vorurteile immer wieder selbst zu entdecken vermag. Der Zeitungsartikel über Darwin und den Designer begeht einen schlichten logischen Fehler, er schließt von einer Wirkung auf deren Ursache. Das nennt man induktive Metaphysik und ist berechtigt, wenn man MÖGLICHKEITEN eruieren will. Zur Erkenntnis von WIRKLICHKEITEN ist dieses Vorgehen nicht hinreichend.

eine Zeitschrift „Aufklärung und Kritik“ herausgeben.

Diese? http://www.opensociety.de/Web1/pdf-Dateien/Editorial…

Ist das nicht irgendwie irritierend ?

Das Schlimme an Vorurteilen ist, dass sie immer wieder auftreten, weil sie einfach und scheinbar einleuchtend sind. Wenn man dann einen Weg findet, die Einfachheit durch falsche Begründungsmechanismen plausibel zu machen, erscheinen die Vorurteile nicht mehr einfach, bleiben aber immer noch „einleuchtend“. Du verstehst, worauf ich hinaus will? JEDE Zeit braucht ihre eigene Aufklärung. Dass gerade unsere heutige Gesellschaft aufgeklärt ist, ist schon wieder ein Vorurteil, das es zu entdecken gilt.

Gruß

Bona

Hallo,

Ist das nicht irgendwie irritierend ?
Was meint ihr ?

wenn es richtig wäre, daß unsere Gesellschaft mehrheitlich aufgeklärt wäre, dann wäre es nicht irritierend, wenn Gruppierungen, die aufklären wollen, marginalisiert wären. Wozu bräucht man Aufklärer in einer aufgeklärten Gesellschaft? Deshalb leuchtet mir Deine Frage nicht ein.

Abgesehen davon denke ich nicht, daß unsere Gesellschaft in weiten Teilen aufgeklärt ist.

O.W.

Hallo Nescio!

Es ist ein uraltes Bedürfnis der menschlichen Seele dem Ego Sinn
zu geben. Ein kollektives, mechanistisches Weltbild, das dem Individuum keinen Raum zur individuellen Entfaltung gibt, sondern
die Existenz als gärenden Prozess evaluierender Wissens- und Erkenntnisstandards sieht, wird die Sehnsucht nach mystischer Erfahrung nicht stillen. Solange es noch ungelöste Fragen gibt,
kann auch niemand von sich behaupten aufgeklärt zu sein. Denn Aufklärung bedingt a priori Wissen. Wie auch schon gesagt wurde,
ist Aufklärung ein Erkenntnisprozess. Die ungelösten Fragen und Probleme werden durch Sehnsüchte, Wünsche und Hoffnungen, aber
auch durch Ängste und nihilistische Befürchtungen befriedigt. Die einen versuchen ihre Befürchtungen durch Erkenntnis zu stillen,
die anderen eben befürchten ihre Hoffnungen durch Erkenntnis
zerstört zu bekommen. (Siehe z.B. Artikel Nahtoderfahrung)
Man zieht ein glückliches, sich möglicher Weise selbst belügendes
Leben, wie hier ein Leben nach dem Tod, einer möglicher Weise deprimierenden Wahrheit vor. Die Aufklärung kann nur den
Status Quo abdecken. Leute, die ihr Sein auf diesen Abschnitt reduzieren, werden sich mit ihrem zu Recht(?) marginalen Dasein abfinden müssen! Es stellt sich darüber hinaus nämlich die
Frage ob metaphorisches Denken und Reden dem ontologisch-kognitiven
wirklich so überlegen ist, oder ob nicht befriedigte Sehnsüchte erst den Weg zu „wahrer“ Erkenntnis ebnen!? Die Aufklärer von heute
müssen sich schon auch der Wahrheit stellen, dass ihr Wissen nur
einen kleinen Ausschnitt erfasst!
Problematisch wird es allerdings, wenn man im Jahre des Herrn 2005
noch immer Leute sehen muss, die mit Aberglaube und unsinnigen
Lehren die Definition Mensch=intelligentes Wesen ad absurdum
führt. Ein Blick ins Esoterikbrett läßt einen mitunter schon an
der eigenen Spezies zweifeln. Darauf wolltest du wohl auch hinaus?

Gruß
HC

Hallo Branden,

eine Anmerkung …

Allein die These, Darwin hätte auch gut Landpfarrer werden
können, steht etwa so im Raum wie der Satz „Wilhelm Reich
hätte auch ein anständiger Landarzt werden können“ :wink:.

Das hätte sicher dessen Lebensabend sehr stark
zum „Beseren“ gewendet. Und - was würde uns denn
wirklich „fehlen“ ? :wink:

Nun ja, Du siehst schon, ich reagiere auf den Versuch, das
Genie Darwin abzubiegen

Naja, der Darwin. Er stand ja auf den Schultern
von Lamarck und hatte etwas mehr Glück als
dieser mit seinen Schlüssen:
http://en.wikipedia.org/wiki/Lamarck
http://www.strangescience.net/lamarck.htm

etwa so wie auf den Versuch, das Genie
Freud kleiner zu machen. Ich halte beide ja für
die wichtigsten Wissenschaftler der letzten paar
hundert Jahre.

Das ist imho eine eigenartige „romantische und
symbolhafte Verklärung“ der Wissenschafts-
geschichte der „letzten paar hundert Jahre“ :wink:

Was hätte uns „ohne Freud“ gefehlt? Eine
Betrachtung des Individuums mit seinem
„nicht mehr passen“ auf die Gegebenheiten
seines ökonomisch-technisch-geprägten
Lebensumfelds?

Grüße

CMБ

Hallo Humancrossing,

Du hast mit


Man zieht ein glückliches, sich möglicher Weise
selbst belügendes Leben, …, einer möglicher
Weise deprimierenden Wahrheit vor.

eine funktionierende Basis (imho) unserer
modernen postindustriellen und postideolo-
gischen Zeit schön benannt.

Mit diesem „Leben“ wird man nämlich gerne
beliefert; dieses „Leben“ ist das Uni-
versum der Medien (Fremdmeinungen), Waren
(Konsumprodukte) und Bedeutungshypothesen.

Diese solche „Welt“ scheint tatsächlich einen
„Glücksaspekt“ zu besitzen. Wie kann das
überhaupt ‚en massé‘ funktionieren – wo doch
der Mensch ein so „misstrauisches, wider-
spenstiges und stolzes Tier“ ist.

Grüße

CMБ

Hallo Semjon
"Wilhelm Reich

hätte auch ein anständiger Landarzt werden können" :wink:.

Das hätte sicher dessen Lebensabend sehr stark
zum „Beseren“ gewendet. Und - was würde uns denn
wirklich „fehlen“ ? :wink:

Is wohl wahr. :wink:

Was hätte uns „ohne Freud“ gefehlt?

Na, z.B. das Verständnis der Zusammenhänge zwischen Kindheitsphasen und Persönlichkeitsentwicklung.
Gruß,
Branden

Hallo Branden

Was hätte uns „ohne Freud“ gefehlt?

Na, z.B. das Verständnis der Zusammenhänge zwischen
Kindheitsphasen und Persönlichkeitsentwicklung.

Das halte ich für sehr unwahrscheinlich, denn:

Aus der wissenschaftlichen Auswertung der 
von den Eheleuten Stern gemeinsam betriebenen 
Langzeitstudie der Beobachtungs-Tagebücher 
entstanden die noch heute beachteten Fachbücher 
„Die Kindersprache” (1907), „Erinnerung, Aussage 
und Lüge in der ersten Kindheit” (1908), sowie 
„Psychologie der frühen Kindheit bis zum 
sechsten Lebensjahr” 1914. 

http://de.wikipedia.org/wiki/William_Stern
und

Eher kritisch verhielt er sich gegenüber der 
Psychoanalyse von Freud. Er verfasste 1913 eine 
„Warnung vor dem Übergriff der Jugend-Psychoanalyse“ 
sowie kritische Stellungnahmen in Zeitschriften 
auf wissenschaftlicher Ebene. 

Grüße

CMБ

Hallo Bona,

eine Zeitschrift „Aufklärung und Kritik“ herausgeben.

Diese?
http://www.opensociety.de/Web1/pdf-Dateien/Editorial…

Link funktionierte nicht.
Ich meinte diese:
http://www.gkpn.de
Mehr (evtl.) später.

Gruss
Nescio

Hallo Nescio,

ich verstehe Dein Anliegen hier nicht ganz, obwohl ich es eben gerne verstehen würde…

Beide Gruppierungen, wie auch zahlreiche andere mit gleicher
oder
sehr ähnlicher Intention, nämlich Aufklärung in einer seit
langem als
aufgeklärt geltenden Gesellschaft zu betreiben, betrachten
sich als
marginalisiert und sind es offenkundig auch.

Ich fasse zusammen:

  1. Die bestehende Gesellschaft gilt demzufolge als aufgeklärt.
  2. Einige Gruppierungen betrachten die bestehende Gesellschaft als nicht-aufgeklärt und wollen sie aufklären (unter anderem über ihre Nicht-Aufgeklärtheit).
  3. Diese Gruppierungen sind marginalisiert.

Betreiben diese Gruppierungen einfach Gesellschaftskritik (Wissenschaftskritik, etc. eingeschlossen!) und sind deshalb marginalisiert? Antwort: Nein, weil Gesellschaftskritik simpliciter in der bestehenden Gesellschaft nicht zur Marginalisierung führt.

Betreiben diese Gruppierungen Gesellschaftskritik auf eine solche Weise, dass sie deshalb marginalisiert sind? Antwort: Ja

Mit welchem Recht können diese Gruppierungen ihre Weise der Gesellschaftskritik unter allen anderen Weisen der Gesellschaftskritik
durch die Bezeichnung „Aufklärung“ herausheben?

Besitzt die „aufgeklärte“ Gesellschaft und ihre „aufklärenden“ Gesellschaftskritiker den selben Begriff von Aufklärung?

Ist die in Deinem Link angesprochene „Gegenaufklärung“ nicht die Aufklärung der Aufklärung, mithin Aufklärung?

Viele Grüße
franz

Das halte ich für sehr unwahrscheinlich, denn:

Aus der wissenschaftlichen Auswertung der
von den Eheleuten Stern gemeinsam betriebenen
Langzeitstudie der Beobachtungs-Tagebücher
entstanden die noch heute beachteten Fachbücher
„Die Kindersprache” (1907), „Erinnerung, Aussage
und Lüge in der ersten Kindheit” (1908), sowie
„Psychologie der frühen Kindheit bis zum
sechsten Lebensjahr” 1914.

Mensch, Semjon, jetzt weiß ich garnicht, ob ich das ernst nehmen soll oder ob du den Ironie-Modus eingeschaltet hattest.
Du hättest mir ebenso links von den bibeltreuen Kreationisten, die gegen Darwin zu Felde ziehen, posten können. Da hätte ich auch nicht mehr gewusst, was ich dazu sagen soll.
Da ich dich bisher als differenziert beobachtenden Intellektuellen wahrgenommen habe, nehme ich -dir zuliebe- mal an, dass du den Ironie-Modus eingeschaltet hast und nicht wirklich gegen so elementare Grunderkenntnisse wie Freuds Entwicklungslehre, Einsteins Relativitätstheoie und Darwins (von mir aus auch Lamarcks) Evolutionstheorie aufbegehren möchtest. :wink:
Gruß,
Branden

Aufklärung heute ?
Hallo,

die Reaktionen auf meinen Beitrag eröffnen eine Reihe schwierig zu
verfolgender Diskussionsstränge - was mich im übrigen bei diesem
Thema nicht überrascht hat -, so dass es kaum sinnvoll ist, sie je
einzeln weiterzuführen. Vielleicht führte es aber weiter, wenn man
einmal, zunächst ohne Begründung (wie es einige Beiträger ja getan
haben) davon ausgeht, dass „uns“, der jetzigen Epoche, hier im
Westen, noch ein mächtiger Schub an „Aufklärung“ gut täte –

dies nicht nur wegen des von HC perhorreszierten Esoterik-Booms und
der sich u.a. in der Unterhaltungsindustrie zeigenden Massen-
Bedürfnisse, sondern auch wegen z.B. der gesellschaftlichen Stellung
religiöser Institutionen, der theologischen oder kryptotheologischen
Durchsetzung der Geistes- und Humanwissenschaften, aber auch so
profaner Vorgänge wie dem „Wahlkampf“ in einer Massendemokratie, wo
nach dem Grundsatz „One man - one vote“ die Auswahl des politischen
Führungspersonals vorgenommen wird usw. usf. (in letzterem läge
leicht greifbar ein „Problem“, nach dem O.W. fragte).

Darauf scheinen ja auch diejenigen zu zielen, die heute aufklären
wollen:

In Deutschland die Giordano-Bruno-Stiftung
http://www.giordano-bruno-stiftung.de/
Dort lese ich:
„Wir leben in einer Zeit der Ungleichzeitigkeit: Während wir
technologisch im 21. Jahrhundert stehen, sind unsere Weltbilder
mehrheitlich noch von Jahrtausende alten Legenden
geprägt…“

Im Anglo-Bereich „The Brights“
http://www.the-brights.net
Dort lese ich:
"What is a bright?
>A bright is a person who has a naturalistic worldview
>A bright’s worldview is free of supernatural and mystical elements
>The ethics and actions of a bright are based on a naturalistic
worldview.

Beide Gruppen propagieren ein naturalistisches Weltbild, weil sie
meinen, es lebte sich besser, wenn die grosse Mehrheit der Menschen
(eines Staates oder einer grösseren „Wertegemeinschaft“, die ihr
politisches Leben demokratisch - oneman/onevote - organisiert) es
sich zu eigen gemacht hätte.

Beide Gruppierungen … betrachten sich als
marginalisiert und sind es offenkundig auch.

Ben stellt dazu die Fragen:

  1. Betreiben diese Gruppierungen einfach Gesellschaftskritik
    (Wissenschaftskritik, etc. eingeschlossen!) und sind deshalb
    marginalisiert?

und antwortet:

Nein, weil Gesellschaftskritik simpliciter in der bestehenden
Gesellschaft nicht zur Marginalisierung führt.

  1. Betreiben diese Gruppierungen Gesellschaftskritik auf eine solche
    Weise, dass sie deshalb marginalisiert sind?

und antwortet:

Ja

Kritik (an Gesellschaft incl. Wissenschaft) ist also, gemäss dem
Popper’schen Gebot des piecemeal improvement, immer
willkommen. (ausgeklammert: die Kriterien für „improve“)
Da stellt sich die Frage nach der „Weise“, in der sie
Kritik üben, so dass diese nicht mehr willkommen ist.

Zurückstellen würde ich zunächst einmal die Fragen:

Mit welchem Recht können diese Gruppierungen ihre Weise der
Gesellschaftskritik unter allen anderen Weisen der
Gesellschaftskritik durch die Bezeichnung „Aufklärung“ herausheben?

und

Besitzt die „aufgeklärte“ Gesellschaft und ihre „aufklärenden“
Gesellschaftskritiker den selben Begriff von Aufklärung?

Vielleicht lässt sich so eine thematische Fokussierung erreichen.

Grüsse
Nescio

Mein Gott, wenn es sie nicht gäbe, - die Freidenker, die Aufklärer. Der Prozess der Aufklärung hat sich verlagert, aber darf niemals als abgeschlossen betrachtet werden.

Die gebildete Klasse mag sich der ungebildeten gegenüber überlegen fühlen, aber ist wahre Bildung nicht etwas, was mit menschlichem Adel gleichzusetzen wäre. Und bedarf es nicht gerade hier einer fortschreitenden Entwicklung?

Du kannst sicher sein, es gibt unter denen die sich als gebildet betrachten, die größten Esel (siehe Brunos Schriften) - und umgedreht, unter den ungebildeten, jene die mehr an Adel aufzuweisen haben, als alle anderen.

gruß
rolf

Hallo Nescio,

davon ausgeht, dass „uns“, der jetzigen Epoche, hier im
Westen, noch ein mächtiger Schub an „Aufklärung“ gut täte –

im Prinzip ist das richtig, nur ist aus meiner Sicht dieser Ansatz nicht hinreichend, weil eben schon in JEDER Methode eine Form von Vorurteil steckt. Das betrifft nicht nur die von dir genannten Bereiche, sondern ALLE Bereiche einschließlich der Naturwissenschaften. Hier setzen die von dir angeführten „Aufklärer“ an.

Mit welchem Recht können diese Gruppierungen ihre Weise der
Gesellschaftskritik unter allen anderen Weisen der
Gesellschaftskritik durch die Bezeichnung „Aufklärung“ herausheben?

Sie verweisen ja gerade darauf, dass unser Denken nicht unabhängig von unserem Fühlen ist und sich das Fühlen immer wieder in unser Denken schleicht. Wenn nun Aufklärung mit Kant in der Vermeidung selbstverschuldeter Unmündigkeit besteht, dann ist Aufklärung die EINZIGE Methode, die unhintergehbar ist, weil sie sich - anders als andere Methoden - zusätzlich rekursiv anwenden lässt, also immer auch offen lässt, dass jemand irrt.

Besitzt die „aufgeklärte“ Gesellschaft und ihre „aufklärenden“
Gesellschaftskritiker den selben Begriff von Aufklärung?

Kann man denn überhaupt von DER Gesellschaft sprechen? Oder wie ist die Frage gemeint? Falls du hier „aufgeklärt“ wiederum adjektivisch verwenden möchtest, wird man in der Frage ein verstecktes Vorurteil entdecken müssen, nämlich dass es so etwas wie einen „Endzustand“ gäbe, was lediglich eine methodische (also vorurteilsbelastete) Massgabe ist, aber keine Wirklichkeitsbeschreibung.

Anders herum müsste man sagen, dass man mit dem Begriff „aufgeklärt“ nur einen vorübergehenden Zustand der Gesellschaft meint, der darin besteht, einige der vielen Vorurteile revidiert zu haben. Da die Subjekte in der Gesellschaft aber immer wieder neue sind, die denselben Zyklus nochmal durchlaufen müssen (wenn auch vielleicht an anderen Stellen), ist der Vorgang der Aufklärung NIE abgeschlossen.

Gruß

Bona

Hallo Bona,

da Du in Deinem Artikel weiter unten geanu auf die von mir gestellten -und von Nescio zitierten- Fragestellungen eingehst:

davon ausgeht, dass „uns“, der jetzigen Epoche, hier im
Westen, noch ein mächtiger Schub an „Aufklärung“ gut täte –

im Prinzip ist das richtig, nur ist aus meiner Sicht dieser
Ansatz nicht hinreichend, weil eben schon in JEDER Methode
eine Form von Vorurteil steckt. Das betrifft nicht nur die von
dir genannten Bereiche, sondern ALLE Bereiche einschließlich
der Naturwissenschaften.

Sie verweisen ja gerade darauf, dass unser Denken nicht
unabhängig von unserem Fühlen ist und sich das Fühlen immer
wieder in unser Denken schleicht. Wenn nun Aufklärung mit Kant
in der Vermeidung selbstverschuldeter Unmündigkeit besteht,
dann ist Aufklärung die EINZIGE Methode, die unhintergehbar
ist, weil sie sich - anders als andere Methoden - zusätzlich
rekursiv anwenden lässt, also immer auch offen lässt, dass
jemand irrt.

Bereits damit habe ich Probleme (vorab: die Möglichkeit, dass ich Dich schlicht missverstanden habe, möchte ich ausdrücklich betonen!).

Nescios „Schub an Aufklärung“ ist doch nur sinnvoll zu verstehen, wenn man die Aufklärung als ein historisches Projekt des (abendländischen) Denkens fasst (welches freilich dennoch als unabschließbar begriffen werden kann), nicht aber als die bloße Tatsache, dass „JEDE Methode“, damit auch jedes Wissen und jede Form von Wissenschaft auf höherer Ebene unter dem Aspekt „Vorurteil“ bzw. „Vermengung von Fühlen und Denken“ beobachtbar, kritikabel ist.

Wahrscheinlich haben beide Lesarten, die „historische“ und die „methodische“ von „Aufklärung“ vieles gemeinsam, ich halte sie aber keinesfalls für identisch, gerade dann nicht, wenn man „Aufklärung“ am Kantischen Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit festmacht.

Besitzt die „aufgeklärte“ Gesellschaft und ihre „aufklärenden“
Gesellschaftskritiker den selben Begriff von Aufklärung?

Kann man denn überhaupt von DER Gesellschaft sprechen?

Selbstverständlich; im Gegenteil kann man unmöglich sinnvoll von DEN GesellschafteN sprechen, wenn man über die heutige bestehende Gesellschaft sprechen möchte und nicht aus irgendwelchen pragmatischen Gründen kontrafaktisch Gesellschaftsgrenzen an Staatsgrenzen festmacht (was jenseits von pragmatischen Gründen dafür empirisch falsch ist).

Wovon man freilich nicht sprechen kann, ist von DER GesellschaftSBESCHREIBUNG! Darum eben „aufgeklärt“ in Anführungszeichen, weil eben die bestehende Gesellschaft nur aus einer bestimmten Beschreibungstradition heraus als „aufgeklärt“ gekennzeichnet wird.

Falls du hier „aufgeklärt“ wiederum
adjektivisch verwenden möchtest, wird man in der Frage ein
verstecktes Vorurteil entdecken müssen, nämlich dass es so
etwas wie einen „Endzustand“ gäbe, was lediglich eine
methodische (also vorurteilsbelastete) Massgabe ist, aber
keine Wirklichkeitsbeschreibung.

Das ist richtig, aber die „Aufgeklärtheit“ ist ja eben in der zitierten Gesellschaftsbeschreibungstradition als Endzustand konzipiert;
Genau dagegen aber richtet sich ja (u.a.) die Kritik der von Necio ins Feld geführten „Aufklärer“. Das „Vorurteil“ ist also nicht in meiner Frage zu suchen, sondern in der per Setzung von Anführungszeichen als solche gekennzeichneten zitierten Gesellschaftsbeschreibungstradition (oder welches bessere Wortungetüm man immer dafür finden mag);

Anders herum müsste man sagen, dass man mit dem Begriff
„aufgeklärt“ nur einen vorübergehenden Zustand der
Gesellschaft meint, der darin besteht, einige der vielen
Vorurteile revidiert zu haben.

hier verweist Du auf die angesprochene historische (wenn auch möglicherweise unendliche) Dimension der Aufklärung, weshalb ich nicht verstehen kann, weshalb Du dann …

Da die Subjekte in der
Gesellschaft aber immer wieder neue sind, die denselben Zyklus
nochmal durchlaufen müssen (wenn auch vielleicht an anderen
Stellen), ist der Vorgang der Aufklärung NIE abgeschlossen.

… hier mit dem sehr fragwürdigen Argument, dass die Subjekte der Gesellschaft jeder für sich den Prozess der Aufklärung von neuem zu durchlaufen hätten, entweder die Aufklärung unnachvollziehbarerweise mit individuellem Lernprozess der Subjekte vermengst, oder aber -je nach Lesart- die Aufklärung doch durch die Hintertür wieder in eine Form von Historismus verschiebst.

Wenn nun Aufklärung mit Kant
in der Vermeidung selbstverschuldeter Unmündigkeit besteht.

An dieser Passage kann ich das eben Gesagte vielleicht nochmal verdeutlichen:

Kant spricht nicht von „Aufklärung ist die Vermeidung selbstverschuldeter Unmündigkeit“, sondern von: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“.

Nicht nur im Wort Aus-Gang steckt die Betonung der Prozessualität der Aufklärung, auch in Zeitangaben wie dem „längst“ in der Passage: „… nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen …“.
Oder im „Werden“ der Passage „… sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten“
(jeweils in Kant, „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“)

diese Schrift lese ich eben nicht als eine Art Kantischer Discours de la Methode, sondern als die Kennzeichung eines bereits im Gang sich befindenen historischen Projektes.

Viele Grüße
franz

@Nescio: Mir erscheint Deine Frage hier -auch in seiner zweiten, abgespeckten Form- als dermaßen überkomplex, dass sie schlicht nicht sinnvoll beantwortbar ist. Man könnte sich allernfalls nur mit vielen kleinen Schritten an diese Frage heranschleichen.

Hi Rolf!

Die gebildete Klasse mag sich der ungebildeten gegenüber
überlegen fühlen, aber ist wahre Bildung nicht etwas, was mit
menschlichem Adel gleichzusetzen wäre. Und bedarf es nicht
gerade hier einer fortschreitenden Entwicklung?

Aber ja, betrachte die Diskussionen über die neusteste Pisastudie!

Du kannst sicher sein, es gibt unter denen die sich als
gebildet betrachten, die größten Esel (siehe Brunos Schriften)

  • und umgedreht, unter den ungebildeten, jene die mehr an Adel
    aufzuweisen haben, als alle anderen.

Wer bestreitet das? Eine der intentionalen Haupt(!)anliegen
ist ja gerade die Überwindung von Vorurteilen und dazu gehört
ganz sicher auch Überheblichkeit! Es geht doch um soweit als
möglich „objektives“ Denken und das beinhaltet die richtigen,
wahren Prämissen anzustreben!
Auch umgekehrt wird aus deiner Aussage ein Schuh!
Minderwertigkeitkomplexe, Vernunftsresistenz etc. sind genau
so zu überwinden! Und da wird es erst schwierig…
Versuch mal jemand zu „seiner“ Wahrhaftigkeit zu führen, allein
schon dieser Versuch ist Widerspruch in sich, denn das muß
aus sich selbst heraus gewachsen sein, jede Manipulation
wirft ihre Schatten!

bürgerlicher
Gruß
HC

Hallo,

Ben: Bona, da Du in Deinem Artikel weiter unten geanu auf die
von mir gestellten -und von Nescio [bloss] zitierten-
Fragestellungen eingehst:

@Bona: deshalb möchte ich auch daran nicht anknüpfen.
( fett und […] von mir)
Auch Deine anderen Bemerkungen erscheinen mir oft so schwierig
und terminologisch problematisch - allein z.B. schon die nötige
Verständigung über den Begriff Vorurteil -, dass ich meine, wir
sollten es bei den gegebenen „Denkanstössen“ belassen :wink:
Ich stimme Ben voll zu, wenn er sagt:

@Nescio: Mir erscheint Deine Frage hier -auch in seiner
zweiten, abgespeckten Form- als dermaßen überkomplex, dass sie
schlicht nicht sinnvoll beantwortbar ist. Man könnte sich
allernfalls nur mit vielen kleinen Schritten an diese Frage
heranschleichen.

Man könnte vielleicht auch zunächst ein Stück weit brachial vorgehen,
Tacheles reden und fragen, ob die erwähnten Massenphänomene wie
Esoterik, Religion, Wahlen/-kämpfe) Kennzeichen einer aufgeklärten
Gesellschaft (also weitgehend aus hinreichend aufgeklärten -
nicht notwendig hochgebildeten, vielwissenden,
vorurteilsfreien - Menschen bestehend) sein können. Ein herzhaftes
Nein wäre mE eine gute Basis. Aber auch auf ihr wäre es äusserst
schwierig in diesem Medium (und nicht nur hier!).

Dennoch würde ich gerne mit ein paar weiteren Worten oder Sätzen
angedeutet bekommen, was Ben meinte, als er sagte, die genannten
Gruppen (die eine „rationale“, „naturalistische“, „diesseitige“,
„hedonistische“ etc. Weltsicht vertreten) würden nicht wegen ihrer
Gesellschaftskritik marginalisiert, sondern wegen der „Weise“, in der
sie sie üben.

Servus
Nescio

Hallo Franz,

Nescios „Schub an Aufklärung“ ist doch nur sinnvoll zu
verstehen, wenn man die Aufklärung als ein historisches
Projekt des (abendländischen) Denkens fasst (welches freilich
dennoch als unabschließbar begriffen werden kann),

die Unterscheidung, die du weiter unten machst, gefällt mir gut. Man kann in der Tat auch aus meiner Sicht (mindestens) zwei Aspekte der Aufklärung unterscheiden, den historischen und den methodischen.

Der historische Aspekt der Aufklärung bezieht sich auf die angesprochene geistesgeschichtliche Bewegung, die am Ende
des 18. Jahrhundert durch Kant abgeschlossen (!) wird, und deren Interesse darauf gerichtet war, selbständig und unabhängig von Lehrmeinungen zu denken. Hier handelt es sich also in der Tat um einen Ausgang (das Wort „Vermeidung“ hatte ich nur verwendet, um ein heute gebräuchlicheres zu benutzen), freilich aber schon um einen Ausgang, der immer wieder neu zu erlernen wäre, nämlich den aus der Bevormundung durch Staat und Kirche zum Beispiel (so war er damals ja hauptsächlich gemeint).

… beide Lesarten … ich halte sie aber keinesfalls für identisch

Ich auch nicht. Kant hat mit seiner Formulierung aber doch die vorangegangene historische Epoche der „Aufklärung“ abgeschlossen, indem er das Wesentliche des Begriffes auf die bekannte Formel brachte. Diejenigen, die jetzt die angesprochene Zeitschrift herausbringen

  • hier noch einmal das aus welchen Gründen auch immer nicht lesbare Editorial in html-Fassung:
    http://66.249.93.104/search?q=cache:frAiD9Ek9qUJ:www… -,
    sind aber eben keine Aufklärer in diesem historischen Aspekt mehr, sondern sie sind Fortführer der Idee in einem systematischen Sinn und also methodische Aufklärer.

aber die „Aufgeklärtheit“ ist ja eben in der zitierten
Gesellschaftsbeschreibungstradition als Endzustand konzipiert;

Im Sinne eines historischen Aspekts stimme ich zu.

Genau dagegen aber richtet sich ja (u.a.) die Kritik der von
Necio ins Feld geführten „Aufklärer“. Das „Vorurteil“ ist also
nicht in meiner Frage zu suchen, sondern in der per Setzung
von Anführungszeichen als solche gekennzeichneten zitierten
Gesellschaftsbeschreibungstradition (oder welches bessere
Wortungetüm man immer dafür finden mag);

Entschuldige bitte, aber das verstehe ich im Moment nicht, aber vielleicht reicht ja schon das von mir Gesagte, um meinen Standpunkt zu erläutern.

entweder die Aufklärung unnachvollziehbarerweise mit individuellem
Lernprozess der Subjekte vermengst

Was ist daran nicht nachvollziehbar?

oder aber -je nach Lesart- die Aufklärung doch durch die Hintertür
wieder in eine Form von Historismus verschiebst.

Das liegt mir in der Tat fern.

Kant spricht nicht von … Vermeidung …, sondern von … „Ausgang“ …

Der Begriff war von mir wie gesagt lediglich aus stilistischen Gründen verwendet worden. Ich denke, dass deine Trennung sinnvoll ist, aber nicht grundsätzlich unüberbrückbar.

Gruß

Bona

Hallo Bona,

im Grunde hat sich ja mit Deinem Posting unser Dissens bereits weitgehend aufgelöst, dennoch ein paar Anmerkungen.

Der historische Aspekt der Aufklärung bezieht sich auf die
angesprochene geistesgeschichtliche Bewegung, die am Ende
des 18. Jahrhundert durch Kant abgeschlossen (!) wird, und
deren Interesse darauf gerichtet war, selbständig und
unabhängig von Lehrmeinungen zu denken.

Hier möchte ein weiteres Mal differenzieren, nämlich in einen historischen Aspekt der Aufklärung kürzerer Spanne und in einen historischen Aspekt längerer Spanne;
ersterer umfasst wohl das 17. und 18. Jahrhundert und wird möglicherweise tatsächlich mit Kant abgeschlossen;
zweiterer aber beginnt bereits in der Antike, gewinnt bei Kant und Hegel sicherlich an Fahrt, und findet in Marx, Nietzsche, Freud, etc. wichtige Weichensteller.

eine solche Form von Aufklärung findet sich heute auf jeden Fall noch (Foucault etwa reflektiert in Aufsätzen wie „Was ist Kritik“ oder „Was ist Aufklärung“ darüber, ob er sein Denken in diesen Rahmen der Aufklärung stellen soll - und bejaht dies, unter anderem auch mit der Berufung auf Kants "Was ist Aufklärung?)

Hier handelt es sich
also in der Tat um einen Ausgang (das Wort „Vermeidung“ hatte
ich nur verwendet, um ein heute gebräuchlicheres zu benutzen),
freilich aber schon um einen Ausgang, der immer wieder neu zu
erlernen wäre, nämlich den aus der Bevormundung durch Staat
und Kirche zum Beispiel (so war er damals ja hauptsächlich
gemeint).

richtig;
aber beide „Bevormundungen“ sind in der bestehenden Gesellschaft ja noch eindeutig im Gange (auch wenn ich sie mit dem neutraleren Begriff des Einflusses beschreiben würde).

Kant hat mit seiner Formulierung aber doch die
vorangegangene historische Epoche der „Aufklärung“
abgeschlossen, indem er das Wesentliche des Begriffes auf die
bekannte Formel brachte

ok, stimme ich zu, wenn ich dies als „Aufklärung kürzerer Spanne“ verstehen darf;

für die „Aufklärung längerer Spanne“ kann ich das nicht akzeptieren, weil zum Wesentlichen des Begriffes Aufklärung z.B. auch ein viel reflektierteren Begriff der (politischen) Freiheit -als dieser bei Kant auftaucht- gehört, ein viel reflektierterer Begriff der „Bevormundung durch den Staat“, nämlich nicht nur als Repression („Zensur“), sondern genauso als „Verlockung“, Sollizitation, etc.

Um das aber zu betonen: aus meiner Sicht dehne ich mit dem bisher Gesagten nicht einfach die Aufklärung k.S. aus um ihr den Abschluss zu nehmen, sondern ich halte die Aufklärung k.S. für undenkbar, wäre sie nicht in Aufklärung l.S. geborgen.

Genau dagegen aber richtet sich ja (u.a.) die Kritik der von
Necio ins Feld geführten „Aufklärer“. Das „Vorurteil“ ist also
nicht in meiner Frage zu suchen, sondern in der per Setzung
von Anführungszeichen als solche gekennzeichneten zitierten
Gesellschaftsbeschreibungstradition (oder welches bessere
Wortungetüm man immer dafür finden mag);

Entschuldige bitte, aber das verstehe ich im Moment nicht

sorry, mit diesem verqueren Satz wollte ich lediglich sagen, dass nicht ich es war, der die bestehende Gesellschaft als „aufgeklärt“ beschreibt, sondern dass ich damit lediglich eine bestimmte Position zitiert habe.

entweder die Aufklärung unnachvollziehbarerweise mit individuellem
Lernprozess der Subjekte vermengst

Was ist daran nicht nachvollziehbar?

die Vermengung; ich verstehe nicht, was Du mit diesem Satz meintest: „Da die Subjekte in der Gesellschaft aber immer wieder neue sind, die denselben Zyklus nochmal durchlaufen müssen“.

Das heißt, ich kann den Satz sehr wohl deuten, finde ihn dann aber falsch:
Wenn man eben von der bloßen Lerngeschichte der Subjekte absieht (also der Tatsache, dass sie erst in ihre Kultur hineinwachsen müssen), dann sind sie doch bestimmt nicht „immer wieder neue“, die immer wieder den Zyklus der historischen(!) Aufklärung durchlaufen müssten; sie sind doch die Kinder ihrer Zeit, damit des historisch Erreichten, oder …

oder aber -je nach Lesart- die Aufklärung doch durch die Hintertür
wieder in eine Form von Historismus verschiebst.

Das liegt mir in der Tat fern.

… das war die andere Möglichkeit meiner Deutung; wenn man von der Lerngeschichte der Subjekte abstrahiert, dann ergibt, aus dieser meiner Deutung heraus, das Immer-wieder-Durchlaufen-Müssen des Zyklus der Aufklärung nur dann einen Sinn, wenn man davon ausgeht, dass jede historische Epoche von sich heraus Aufklärung benötigt und aus sich heraus Aufklärung hervorbringt, was ich als „historistisch“ betrachte, weil so der trans-epochale Charakter der Aufklärung verloren ginge.

Aber anscheindend war ja eben meine Deutung falsch.

Viele Grüße
franz