Hallo Petra,
nach heutigen popkulturellen Maßstäben
in einer 99prozentig alphabetisierten
Gesellschaft fängt „Erfolg“ auch schon
bei einer verkauften Auflage von 5000
Exemplaren eines Mediums an.
Mitte der 1980ger Jahre waren allein in
der Stadt Köln mehr als 550 Menschen als
„Autoren“ registriert. Ziehen wir davon
jene min. 450 ab, die als „Industrietexter“
für Print,TV, Radio und Werbung arbeiten.
Wie viele von den verbliebenen etwa 100
spielten in der HBöll-Liga? Einer, HBöll.
Wie viele konnten NICHT von ihrem Geschreibsel
allein leben? Mindestens 80.
Hier stellt sich die Frage nach der Definition
von „Erfolg“.
Natürlich war Büchner nicht der Heinrich Böll
von Hessen. Das war ja Goethe himself seinereiner.
Andererseits: Gab es jemand mit Büchner, seiner
Existenzart, vergleichbaren? Womit wir wieder bei
Curt Cobain wären.
Du arbeitest viel mit Rezeptionshistorie, übersiehst
dabei aber, daß Rezeption nicht identisch ist mit
„Erfolg“. Das verkaufs-erfolgreichste Buch des 19ten
Jahrhunderts in Deutschland (neben der Bibel) haben
eben nicht Goethe, Schiller, Heine, Nietzsche oder
der junge ThMann geschrieben. Den Mann der es geschrie-
ben hat und das Buch kennen selbst 95% der Germanistik-
Profs heute nicht (ich kenne auf Anhieb auch nur den
Buchtitel).
„Okay, für das eine Jahr, in dem er literarisch und politisch aktiv war, hat er eine Menge Erfolg gehabt. Aber richtig los mit Büchners Ruhm ging es erst, als er tot war.“
—>Ich habe die ursprüngliche Frage aber genau
so verstanden: Welcher deutsche Literat hat nach
langer Durststrecke und vielen Erniedrigungen
seinen Durchbruch und Erfolg noch zu Lebzeiten
erfahren können.
Posthumer „Erfolg“ ist ja keiner, außer für die
Erben. Dann nennt sich das aber auch nicht „Erfolg“,
sondern „Rente“.
Büchners Erfolgsgeschichte ist eben nicht mit der
spektakulären van Goghs zu vergleichen, sondern am
ehesten mit der Nicolas Borns. (hink, hink)
Rezeptionshistorie definiert „Erfolg“ als „nachhaltigen
Ruhm“, der sich aus Aufmerksamkeitsquantitäten summiert.
Büchners Zielgruppe war definitiv nicht im Besitz von
Rezeptionsmedien, weswegen man heute aus der Abwesenheit
belegbarer Rezeption NICHT den Umkehrschluss ziehen kann,
daß es keine zeitgenössischen Erfolge gab.
Letztlich: Es geht in der Fragestellung wörtlich um
„Spätzünder“, nicht um „Frühverstorbene“.
x.