'Spätzünder' der dt. Literatur gesucht!

Hallo,

für einen Artikel suche ich ein populäres Beispiel eines (nach Möglichkeit deutschen) Autors, der erst spät Erfolg hatte. Z.B. weil er zunächst keine Beachtung erhielt, keinen Verlag fand oder verpönt wurde.

Leider habe ich noch kein gutes Beispiel gefunden, vllt kann mir jemand von euch weiterhelfen? Vielen Dank!

Viele Grüße,
Daniel

Hallo,

Robert Musil hat einmal sinngemäss gesagt:

„Ich werde erst posthum bekannt werden.“

Sein „Mann ohne Eigenschaften“, 1930 geschrieben,
erlebte erst 1950 Beachtung z.B.

Vielleicht wäre der was für dich.

http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Musil

Gruß
ST

Schonmal vielen Dank Sun Tsu,

allerdings ist die Nichtbeachtung von Robert Musil auf das Verbot seiner Werke durch das NS-Regime zu begründen. Auf dieses sehr „dünne Eis“ möchte ich mich nach Möglichkeit nicht begeben. Fallen dir eventuell noch Alternativen ein?

Er muss auch nicht unbedingt aus Deutschland (bzw. Österreich) kommen, das macht es vielleicht etwas einfacher…

Hallo, Daniel,

für einen Artikel suche ich ein populäres Beispiel eines (nach
Möglichkeit deutschen) Autors, der erst spät Erfolg hatte.
Z.B. weil er zunächst keine Beachtung erhielt, keinen Verlag
fand oder verpönt wurde.

vielleicht Hölderlin http://www.hoelderlin-gesellschaft.de/ ; evtl. auch Kleist http://gutenberg.spiegel.de/index.php?id=19&autorid=… ?

Gruß
Kreszenz

Hallo nochmal,

für einen Artikel suche ich ein populäres Beispiel eines (nach
Möglichkeit deutschen) Autors, der erst spät Erfolg hatte.
Z.B. weil er zunächst keine Beachtung erhielt, keinen Verlag
fand

Keinen Verlag fand Robert Schneider mit seinem
Roman „Schafes Bruder“

http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Schneider_%28Sch…

Gruß
ST

––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––[MOD] Link repariert

Wie wär’s mit Georg Büchner? Der hat ein schön übersichtliches Gesamtwerk, ist sehr jung gestorben und ist erst postum zum „Klassiker“ geworden

Klasse, vielen Dank!

Fontane käme auch in Frage, der wurde erst mit 60 wirklich bekannt.

Hallo Daniel,

ich biete Franz Kafka

Gandalf

Guten Tag,

Hallo Daniel,

ich biete Franz Kafka

Gandalf


Hallo Gadalf,

Kafka ist kein Spätzünder.
(„Das Urteil“ 1912 geschrieben,
1913 in einer Anthologie verlegt!?!)

Jeder der es mit Kafkas Texten zu Kafkas
Lebzeiten zu tun bekam, erkannte deren
Qualität.
Max Brodt war ja nicht der geniale Kafka-
Werk-Retter, sondern, als Nachlasswalter,
der einzige, der Tun konnte, was er tat,
weil ALLEN klar war, „was da schlummert“.

(Andererseits: Nur germanistische Nerds
kennten heute den Namen M.Brodt ohne
Franzens Nachlass. Eitel ist die Welt.)

Die eigentliche Frage zielt auf POPularität
und ist somit ureigentlich schief und krumm.
Man kann sich Kafka nicht als Elfenbein-
turmbewohner a la Handke vorstellen.
Handke suhlt sich in der Popularität, er
suchte sie in inszenierten „Skandälchen“ -
immer mit Blick auf das redaktionelle
und opinionleader-Publikum, das er
brauchte (vgl.Publikumsbeschimpfung;
letztes Treffen der Gruppe 47).
Kafka hingegen betrachtet seine Kunst
nicht als lebenshaltungsHaupterwerb.
Das skandalöse an Kafkas Texten ist
die metaphysischemi Mikri des Normalen/
Alltags im Physischen. (Auch das Handke-
Peterle merkte, daß Provo keine Nachhal-
tigkeit innewohnt - und entdeckte Serbien
so neu wie erfolglos…)

Kurzum: Kafka war ein Opfer seiner Zeit
(der Umbrüche und ihrer Implikationen).
Kafka war ein Profiteur seiner Zeit (die
er wie kaum ein anderer als das Absurdistan
der menschlichen Existenz schilderte).
Aber: Er ist kein Opfer der Aufmerksamkeit
durch Verleger und andere Medien.

x.

p.s. das Spätzünderhafte hängt ihm nach,
weil die frühe Rezeption ihm diverse sexuelle
Verklemmungen einzureden versuchte, die
bis heute in Germanistischen Seminaren
ansatzweise gepflegt werden.
(Dabei sind die Klagenfurt-Texte der letzten
Woche, insbesondere der Gewinnertext,
Ausgeburten verklemmter kleinbürgerlicher
Weltwahrnehmung. Und eine unmoderate Moderatorin
grunzt jede Kritik weg, indem sie sagt: das können
sie vielleicht nicht Verstehen, wenn ihnen ein naher
Mensch stirbt, wie mir kürzlich—aber das nur neben-
bei.)

2 „Gefällt mir“

Moin EggHead,

nun hast Du viele Worte zur Verteidigung Kafkas geschrieben, allein, die Ursprungsfrage war

für einen Artikel suche ich ein populäres Beispiel eines (nach Möglichkeit deutschen) Autors, der erst spät Erfolg hatte. Z.B. weil er zunächst keine Beachtung erhielt, keinen Verlag fand oder verpönt wurde.

Und das trifft auf Kafka nun mal zu, egal wie gut er gewesen sein mag.

Gandalf

2 „Gefällt mir“

Georg Büchner war genausowenig Spätzünder
wie Curt Cobain.

Später Ruhm? Eben nicht!
Beide waren zu Lebzeiten intensiv aktiv.
Und intensiv erfolgreich.
Der eine mehr politisch und ein wenig literarisch.
Der andere ein wenig „soziologisch“ und sehr „pharmazeutisch“.

x.

Hallo Kreszentia,

Hölderlin hat nicht spät, sondern keinen
Erfolg gehabt, in seinem Leben.

Hölderlin ist außerdem kein „populäres
Beispiel“. Denn wer kennt heute eine
Zeile Hölderlin auswendig? Maximal 0.02%
der deutschen Bevölkerung? Eher weniger.
(Und die wenigen kommen aus der Region
oder sind Heidegger-Nerds…)

Hölderlin ist das Gegenteil: Ein so früh
wie heftig entflammter, dessen Verbrennen
Lyrik wurde.
Erfolg? = Billig.

x.

Georg Büchner war genausowenig Spätzünder
wie Curt Cobain.

Später Ruhm? Eben nicht!
Beide waren zu Lebzeiten intensiv aktiv.
Und intensiv erfolgreich.

Eben doch.
Von Büchners Werken sind nur „anderthalb“ zu seinen Lebzeiten erschienen:

  1. der „Hessische Landbote“ - das Flugblatt wurde jedoch von den wenigsten einfachen Leuten, an die es gerichtet war, gelesen, die meiste Rezeption hatte er bei den Behörden, die den Fall untersuchten.
    1,5) „Dantons Tod“ erschien ziemlich zerstückelt als „Ruine der Verwüstung“ (Karl Gutzkow) und ist erst lange nach Büchners Tod vollständig publiziert.
    Rezeptionstechnisch waren beide zu Büchners Lebzeiten ein Flop. (Abgesehen von einigen sehr begeisterten Rezensionen zu Danton von Gutzkow und einigen anderen Jungdeutschen.)

„Leonce und Lena“ war für einen Wettbewerb bestimmt, kam jedoch erst einen oder zwei Tage zu spät an und wurde von der Jury ungeöffnet zurückgeschickt.
„Lenz“ und „Woyzeck“ sind gerade mal als Fragment überliefert.
„Pietro Aretino“ ist komplett verschollen.
Okay, für das eine Jahr, in dem er literarisch und politisch aktiv war, hat er eine Menge Erfolg gehabt. Aber richtig los mit Büchners Ruhm ging es erst, als er tot war.

1 „Gefällt mir“

Naja, dieser „späte Ruhm“ ist ja selbst verschuldet. Wenn einer erst so spät anfängt, dann kann das Publikum nun wirklich nichts dafür :wink:

Mir fiele noch E.T.A. Hoffmann ein. Für seine ersten Romane fand er keine Verleger, sie wurden deshalb nie veröffentlicht. Erst die „Fantasiestücke in Callots Manier“ von 1814 machten Hoffmann bekannt. Viele Werke wurden aber weiterhin bestenfalls als Unterhaltungsliteratur angesehen, oft von der Wissenschaft sogar als trivial abgetan (ich denke da speziell an „Die Elixiere des Teufels“, die in England sehr viel mehr Beachtung von wissenschaftlicher Seite fanden als in Deutschland).
Natürlich kann man absolut nicht sagen, dass Hoffmann literarisch nicht erfolgreich war, allerdings liegt sein erster Erfolg mit den Fantasiestücken recht spät (Hoffmann war damals 38 Jahre alt, nur 8 Jahre später starb er bereits), wenn man bedenkt, dass er schon als Jugendlicher mit dem Schreiben begann. Und seinem Werk wurde damals selten die Bedeutung zugesprochen, die man heute darin sieht. Vielleicht würde er also in die Reihe der vorher genannten passen.

Hallo gandalf,

wohl nicht genug wortdrechsel für Dich?

Ursprungsfrage: „keine Beachtung“, "kein Verlag, „verpönt“!

Alle drei Kriterien treffen auf Franz K. nicht zu!

Und Nebenbei: Ich habe K. „verteidigt“? Gegenüber
welchem Vorwurf?
Das ist wahrlich kafkaesk!

x.

1 „Gefällt mir“

Hallo Petra,

nach heutigen popkulturellen Maßstäben
in einer 99prozentig alphabetisierten
Gesellschaft fängt „Erfolg“ auch schon
bei einer verkauften Auflage von 5000
Exemplaren eines Mediums an.

Mitte der 1980ger Jahre waren allein in
der Stadt Köln mehr als 550 Menschen als
„Autoren“ registriert. Ziehen wir davon
jene min. 450 ab, die als „Industrietexter“
für Print,TV, Radio und Werbung arbeiten.
Wie viele von den verbliebenen etwa 100
spielten in der HBöll-Liga? Einer, HBöll.
Wie viele konnten NICHT von ihrem Geschreibsel
allein leben? Mindestens 80.

Hier stellt sich die Frage nach der Definition
von „Erfolg“.
Natürlich war Büchner nicht der Heinrich Böll
von Hessen. Das war ja Goethe himself seinereiner.
Andererseits: Gab es jemand mit Büchner, seiner
Existenzart, vergleichbaren? Womit wir wieder bei
Curt Cobain wären.

Du arbeitest viel mit Rezeptionshistorie, übersiehst
dabei aber, daß Rezeption nicht identisch ist mit
„Erfolg“. Das verkaufs-erfolgreichste Buch des 19ten
Jahrhunderts in Deutschland (neben der Bibel) haben
eben nicht Goethe, Schiller, Heine, Nietzsche oder
der junge ThMann geschrieben. Den Mann der es geschrie-
ben hat und das Buch kennen selbst 95% der Germanistik-
Profs heute nicht (ich kenne auf Anhieb auch nur den
Buchtitel).

„Okay, für das eine Jahr, in dem er literarisch und politisch aktiv war, hat er eine Menge Erfolg gehabt. Aber richtig los mit Büchners Ruhm ging es erst, als er tot war.“
—>Ich habe die ursprüngliche Frage aber genau
so verstanden: Welcher deutsche Literat hat nach
langer Durststrecke und vielen Erniedrigungen
seinen Durchbruch und Erfolg noch zu Lebzeiten
erfahren können.
Posthumer „Erfolg“ ist ja keiner, außer für die
Erben. Dann nennt sich das aber auch nicht „Erfolg“,
sondern „Rente“.

Büchners Erfolgsgeschichte ist eben nicht mit der
spektakulären van Goghs zu vergleichen, sondern am
ehesten mit der Nicolas Borns. (hink, hink)

Rezeptionshistorie definiert „Erfolg“ als „nachhaltigen
Ruhm“, der sich aus Aufmerksamkeitsquantitäten summiert.
Büchners Zielgruppe war definitiv nicht im Besitz von
Rezeptionsmedien, weswegen man heute aus der Abwesenheit
belegbarer Rezeption NICHT den Umkehrschluss ziehen kann,
daß es keine zeitgenössischen Erfolge gab.

Letztlich: Es geht in der Fragestellung wörtlich um
„Spätzünder“, nicht um „Frühverstorbene“.

x.


Hallo Daniel,

eine sehr schöne Frage.
Ich weiss nicht, ob mein Beispiel-Autor
Deinen Kriterien genügt, aber er ist
sehr deutsch (in seiner Tragikerrolle),
sehr ignoriert, ausgegrenzt worden (von
der meinungsbidenden Feullieton-dominie-
renden „Gruppe 47“), er wurde von Marcel
RR (dem opinionleader der 47ers „rehabi-
litiert“ - eine story für sich) und war
mit dem sich einstellenden Erfolg schreib-
blockiert - über mehr als 20 Jahre.
Der beste deutsche Autor nach ThMann?
In etwa.(*)

x.

(*) Der Vollständigkeit halber: Grass, Böll,
Kempowski, etc. = unkritische Masse.
Überschätzt und vor allem: sich in
Selbstüberschätzung ergehend.
Kurz: Sozialdemokratische Laienprediger
die ein falsches Leben im Richtigen führ(t)en.