Spaßverhältnis

Tja, da kann ich nur sagen: Glück gehabt.

Und es stellt sich mir die Frage, ob Du Mutter oder Vater bist.

Ehrlich gesagt, finde ich die Ansicht ‚Die Mutter ist an allem Schuld‘ völlig unmöglich. Wo bleibt denn da die Verantwortung des Vaters?

Abgesehen davon gibt es so viele Dinge im Leben, auf die auch die beste Mutter keinen Einfluss hat - eine schwere Erkrankung oder ein Unfall mit langem Krankenhausaufenthalt des Kindes, eine eigene Erkrankung, Tod einer wichtigen Bezugsperson, Trennung des Partners (ach ne - den hätte Muttern ja rechtzeitig austauschen sollen), Verlust von Freunden etc.pp. Gar nicht erwähnen will ich, dass Kinder auch mit ganz eigenen Charaktereigenschaften geboren werden, die nur sehr bedingt beeinflussbar sind, und dass ab einer gewissen Zeit die Peer Group einen wesentlich stärkeren Einfluss hat als die Eltern.

Und zu guter Letzt: Irgendwann ist es gut gewesen. Selbst wenn man die schlechteste Mutter (oder Vater) der Welt hatte, ist man irgendwann für sich selbst verantwortlich und kann sich nicht mehr auf seiner schlimmen Kindheit ausruhen.

Gruß

=^…^=

PS: Meine Sprösslinge scheinen bis jetzt wohlgeraten zu sein - trotzdem gibt es Tage, an denen ich mir ausrechne, wann sie endlich 18 und ausgezogen sind.

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Hallo Tilli,

könnt ihr diesen stoßseufzer verstehen?

Ja, das kann ich. Ich habe vier Kinder großgezogen und es - wie es aussieht - ganz gut hingekriegt. Ich habe die Entscheidung dafür bewusst getroffen, und ich habe ebenso bewusst auf meine berufliche Karriere verzichtet, um an der Erziehung meiner Kinder ausreichend beteiligt sein zu können.

Trotzdem habe ich immer mal wieder hinterfragt, ob ich mit all dem Wissen und den Erfahrungen, die ich in all den Jahren gemacht habe, diese Entscheidungen wieder so treffen würde. Natürlich kann man sich Kinder, die man hat, nicht einfach „wegdenken“. Dazu gehören sie viel zu sehr zum eigenen Leben, sind zu sehr Teil von einem selbst.

Und doch denke ich, dass ich auch ein spannendes und gutes Leben ohne Kinder hätte haben können. Ohne den Verzicht auf berufliche Lorbeeren, ohne Rücksichtnahme auf die kindlichen Bedürfnisse, wenn mich das Reisefieber gepackt hat und ohne die Ängste, Sorgen und Probleme, die die Erziehung von Kindern nun mal so mit sich bringt. Und es gab durchaus Zeiten, in denen deine Prozentrechnung auch für mich gestimmt hätte, wenn ich sie angestellt hätte.

Die Zeiten, in denen ich einfach emotional erschöpft war und gerade dann ein verlockendes berufliches Projekt absagen musste, weil es auf Kosten der Kinder gegangen wäre. Und ja: Dann habe ich gehadert. Mit meiner momentanen Situation, aber auch mit meiner Lebensentscheidung, die ich viele Jahre zuvor getroffen hatte.

Und irgendwann habe mir ausgemalt, was ich alles hätte tun können, wenn ich nicht vier Kinder bekommen hätte. Diese Phantasien waren ebenso grandios, wie das ungeheuere Selbstmitleid, das sie ausgelöst haben. Ich habe ein paar Monate darin gebadet wie in den sehnsuchtsvollen Racheträumen einer vom Geliebten verlassenen Frau.

Und genau wie diese bin ich da auch durchgekommen. Als ich es hinter mir hatte, konnte ich mir auch verzeihen und das schlechte Gewissen, dass diese Phantasien begleitet hatte, über Bord schubsen. Letzten Endes war es das Bewältigen einer Sinn- und Lebenskrise. Sie setzte ein, als meine Kinder eins nach dem anderen in die Pubertät rutschten. Vielleicht, weil ich damals schon ahnen konnte, dass es die letzte Zeit war, in der sie mich wirklich brauchen würden - auch wenn sie das niemals so gesagt hätten :smile:.

Heute denke ich, es war eine Mischung aus vielerlei Dingen, die diese Krise ausgelöst hat. Angst davor, die Herausforderung, vier Kinder erfolreich durch die Pubertät zu bringen, war sicher ein ganz wesentlicher Teil davon.

Deshalb: Gönn’ es dir, das Selbstmitleid. Wenn sie erwachsen sind, werden sie dir vermutlich irgendwann sagen, dass sie sich oft selber zum Kotzen fanden in dieser Zeit. Und dass es das Wichtigste für sie war, zu wissen, dass sie auf dich zählen können. Auch wenn sie alles drangesetzt haben, dich wegzubeißen.

Schöne Grüße,
Jule