Hallo,
Mal Grundsätzliches zum Thema:
Ich habe schon irgendwo weiter unten erläutert, dass ich dem Spiegel gerade bei diesem Artikel vorwerfe, selbst wissenschaftsfeindlich zu sein, indem er konsequent ignoriert, was wissenschaftliche, abendländische Theologie zu diesem Thema zu sagen hat. Klar, dann wäre das Ganze auch nicht so plakativ und die Autoren wären gezwungen, differenziert zu schreiben.
Wer angstvoll auf insbesondere us-amerikanische Schrift-Fundamentalisten schaut, hat ja vielleicht doch allen Anlass, sich mal bei sich zuhause umzuschauen. Das würde dann auch die Arbeit hiesiger Theologen vereinfachen, müssten sie doch nicht ständig gegen Vorurteile kämpfen.
Ich wüsste jedenfalls nicht, warum ein Christ Probleme mit der Evolutionstheorie haben sollte. Als Theologin kann ich deren Wissenschaftlichkeit nicht überprüfen, da mir das Wissen mangelt. Ich akzeptiere, dass sich offensichtlich die entsprechenden wissenschaftlichen Disziplinen einig sind.
Die Schöpfungsgeschichte(n) sind dagegen keine Schöpfungstheorie, d.h. sie wollen gar nicht, was die Evolutionstheorie will: eine naturwissenschaftlich beweisbare Theorie über die Entstehung von Leben auf dieser Erde abgeben. Es sei schlicht darauf hingewiesen, dass es zur Zeit der Entstehung dieses Textes und seiner Vorläufer geistesgeschichtlich noch keine Naturwissenschaft gab. Ist die Schöpfungsgeschichte also eine Geschichtserzählung? Auch hier sei darauf hingewiesen, dass unser Verständnis von wissenschaftlicher Geschichtsschreibung (nehmen wir einfach mal die geforderte Distanz zum Erzählten) zu dieser Zeit unbekannt ist (und auch noch bei Thukydides, Herodot und ihren Epigonen).
Kann ich also mit Hilfe dieser Quelle Geschichtsforschung betreiben? Natürlich kann ich das, ich kann Aussagen über die literarische Entstehung dieser Texte machen, über verwandte, vorhergehende Texte und auch darüber, welche Gottesvorstellungen zugrunde liegen, eventuell auch, über die Interessen derjenigen, die diesen Text, so, wie er geschrieben steht, aufgeschrieben ist. (Unsere Kenner des Alten bzw. Ersten Testaments mögen mich korrigieren, aber spontan fallen mir nur die 10 Gebote ein, die von sich behaupten, einem wortwörtlichen Diktat Gottes zu entstammen.).
Ebenso wie die Naturwissenschaft hat auch die Geschichtswissenschaft Kriterien. Die wichtigsten (nach Troeltsch, Theologe, Historiker, Soziologe) sind Kritik (also erst einmal die kritische Sichtung der Quelle, z.B. Datierung, Überlieferung etc.), Korrelation (kein geschichtliches Ereignis ist kontextlos, sondern immer aus vorhergehenden erklärbar und bleibt nicht ohne Nachwirkung) und Analogie (die Struktur eines Ereignisses muss Parallelen haben). Wer nun diese Kriterien an die Schöpfungsgeschichte (von denen es ja zwei gibt in der Genesis – allein das sollte einen vielleicht mal nachdenklich stimmen) anlegt, sollte merken, dass der Schluss nur sein kann: Dieses Ereignis (allein schon, da es per definitionem einmalig ist:wink: ist geschichtswissenschaftlich nicht beweisbar (ebenso ist aufgrund derselben Kriterien ein Anzweifeln der Existenz einer Person namens Jesus von Nazareth ziemlicher Schwachsinn).
Was macht das nun mit uns (Christen)? Meiner Überzeugung nach gar nichts.
Die Naturwissenschaft fragt nach den Vorgängen der Natur, die Geschichtswissenschaft nach denen der Menschheit. Jeder Christ sollte sein Gottesbild gründlich hinterfragen, wenn er mit Hilfe dieser innerweltlichen Wissenschaften sein Gottesbild zu beweisen sucht. Gott ist weder „Natur“ (zumindest in den Schriftreligionen) noch „Mensch“. Liebe Leute, warum in Gottes Namen sucht Ihr Gott, wo er nicht ist.
Die Schöpfungsgeschichten haben zwei relevante Aussagen: Nämlich Gott ist der Schöpfer und der Mensch ist sein Geschöpf, d.h. Gott wacht über den Menschen und die Frage nach dem Sinn unseres Lebens hat als Antwort die Hoffnung auf einen eben solchen. Die andere Aussage ist die Gottesebenbildlichkeit eines jeden Menschen, d.h. wir sollten jeden Menschen als unendlich wertvoll behandeln. Diese Aussagen beruhen auf dem Glauben an die transzendente Wahrheit dieser Aussagen. Wer diese innerweltlich bewiesen haben möchte, dem empfehle ich eine gründliche Lektüre des Paulus.
Sowohl Schriftfundamentlisten als auch Spiegelautoren verwechseln Äpfel mit Birnen, Gott mit dem Menschen, Naturwissenschaft mit Geschichtswissenschaft, Immanenz mit Transzendenz - wissenschaftlich geurteilt betreiben sie also einen ziemlichen Blödsinn.
Grüße,
Taju