Moin,
Naja, zumindest beim Abtreibungsthema liefe einem schon die
Zeit weg, denn wenn ein Kind erstmal auf der Welt ist, würde
ich (! ganz subjektiv) nicht mehr erlauben es zu töten, da es
es ja soweit geschafft hat (wenn es nicht bei der Geburt
gestorben ist) und es vor allem auch der Mutter gegenüber viel
viel grausamer wäre ein schreiendes, wenn auch vor schmerzen,
Kind zu töten, dass die Welt nun kennengelernt hat, als einen
mehr oder weniger weit entwickelten Fötus.
Ein Kind ist ja auch nicht alleine, die Mutter gibts auch noch
und auch ihre Gefühle zählen.
Vielleicht solltest du bedenken, das die weitaus größte Zahl der Schwangerschaften Wunschschwangerschaften sind. Auch eine Mutter, die letztendlich vielleicht ein behindertes Kind auf die Welt bring, hat sich dieses Kind von Anfang an gewünscht, vielleicht schon im 2. Monat angefangen, Babywäsche zu stricken, einen Namen auszusuchen, mit strahlendem Gesicht die Verwandten und Freunde informiert, eine Kinderzimmerausstattung ausgesucht etc. Für die wenigsten Frauen ist der wachsende Fötus von Anfang an nur ein Zellklumpen, der sich gedanklich erst mit der Geburt zum Kind formt.
Wenn nun eine Frau irgenwann im Laufe der Schwangerschaft erfährt, dass mit dem Fötus etwas nicht in Ordnung sein könnte, dann dürfte das für jede Frau eine ziemliche Belastung sein. Könntest du die Babywäsche wieder aufribbeln, die Kinderzimmerausstattung wieder abbestellen und die Verwandten informieren, dass nun doch nichts wird, weil du dein Kind wegen Behinderung abtreiben lässt? Und stell dir das mit dem Fötus im Mutterleib töten nicht so einfach vor. Je nachdem, wie weit die Schwangerschaft vortgeschritten ist, muss die Mutter auch den vorher getöteten Fötus auf normalem Weg auf die Welt bringen.
Für viele Frauen ist ein derartiges Szenario übrigens schon gedanklich so belastend, dass sie eine vorgeburtliche Diagnostik ablehnen.
Womit wir leider wieder zu den beschränkten Mitteln kommen…
ein behindertes Kind zu versorgen ist nicht billig und oft
bleibt irgendwann nichts anderes übrig als es in ein betreutes
Heim zu geben, und die sind wahrlich selten rosig. Natürlich
sollte es da andere Wege geben und die Finanzen am wenigsten
bei so einer Überlegung beteiligt sein, aber das Problem
verschwindet wegen moralischer Grundsätze noch lange nicht.
Und das ist sehr traurig.
Das ist aber alles nun reine Kaffesatzleserei. Wie sich eine Behinderung letztendlich auswirkt, dürfte in den wenigsten Fällen 100% sicher sein. Wie eine Familie mit einem Kind mit Behinderung fertig wird, wie das Leben dieses Menschen weitergeht etc. dürfte genau wie bei allen anderen Kindern auch ziemlich in den Sternen stehen.
Ich fühle mich ja schon gegenüber „Normalen“ Menschen
verunsichert, bei behinderten Menschen dagegen oft total
Hilflos…
So ging mir das früher auch. Ist vielleicht eine Sache der Gewohnheit. Jehr mehr Erfahrungen man mit behinderten Menschen macht, desto „normaler“ kommt es einem vor. Ich glaube jedenfalls nicht, dass der Anteil der behinderten Menschen grundsätzlich weniger glücklich ist, als der Anteil der nicht-behinderten Menschen.
Ich würde oft so gerne helfen, aber ich kann es nicht, und
dann weiß ich nicht wie ich reagieren soll.
Was meinst du jetzt genau mit „helfen“ ?
Ich habe einen Cousin der durch Contagan übel zugerichtet
wurde, er ist sehr intelligent aber ich habe lange gebraucht
um überhaupt mit ihm klar zu kommen, auch in anderen Fällen
gelingt es mir nur schwer diese Unsicherheit abzulegen, und
manchmal bekommt man übel eins auf die Nuss, wenn man dafür
angekeift wird, dass man es gewagt hat jemanden die Tür
aufzuhalten…
Hehe, das kann dir auch mit nicht behinderten Menschen passieren 
Grundsätzlich solltest du aber davon ausgehen, dass nicht jeder behinderte Mensch unglücklich und/oder bemitleidenswert ist. Vielleicht braucht ein nicht behinderter Mensch in deiner Nähe dich grade viel mehr.
Ansonsten gilt wie immer: Fragen! Wenn der Mensch selbst keine Auskunft geben kann, die Familie oder den Betreuer fragen, oder einfach mal ein paar Wochen Praktikum in einer Behinderteneinrichtung machen. Danach siehst du vielleicht nicht nur Behinderte, sondern auch deine Welt mit etwas anderen Augen.
Lieben Gruß
Marion