Schade. Es gab mal eine Zeit, da hatten ökonomische
Diskussionen mit dir Niveau…
Hallo Ralf,
sobald Ideologie ins Spiel kommt, leidet das Niveau. Das Leiden besteht aus standhafter Ignoranz der Ursachen und in der Folge der Verkennung von Ursache-Wirkung-Kausalitäten.
Statt dessen werden Nebenkriegsschauplätze eröffnet.
Deshalb versuche ich, auf die Ursprünge der Diskussion zurück zu kommen: Man stelle sich einen unterbeschäftigten, verschuldeten Menschen vor, der mit seinem Geld nicht auskommt und Rat sucht. Man kann ihm raten, zusätzliche Kredite aufzunehmen, weil damit die Geldsorgen erst einmal vorbei wären. Man kann dem Menschen raten, mehr Geld für sein bißchen Arbeit zu verlangen. Ja, das könnte funktionieren, wenn die Wettbewerbssituation solches Ansinnen hergäbe. Der weitere Rat, sparsamer mit den Ausgaben umzugeben, könnte helfen, wenn der Leidensdruck irgendwann zur Einsicht zwingt. Schließlich kann man dem Menschen raten, mehr zu arbeiten. Leicht gesagt und erfolgversprechend, wenn es die Arbeit gäbe.
Welcher dieser Ratschläge taugt etwas und beseitigt die Probleme? Ganz gewiß jeder dieser Ratschläge kann helfen. Welcher Rat führt zur nachhaltigen, dauerhaften Verbesserung der Kassenlage?
Das ist die Fragestellung, wobei der Ratsuchende kein einzelner Mensch ist, sondern unser Gemeinwesen.
Permanente Schuldenerhöhung ohne Vorstellung, wie diese je getilgt werden können, machen wir seit Jahrzehnten. Jeder sollte inzwischen begriffen haben, daß es gegen Schulden keine Einwände gibt, wenn man eine realistische Tilgungsidee hat. Aber auch nur dann! Die Erhöhung staatlicher Einnahmen gehört auch zu den sattsam bekannten Übungen, die offenkundig das Problem klammer Kassen nicht zu lösen vermögen. Sparsamer Umgang mit dem Geld könnte helfen, probiert hats noch keiner beim Fiskus, denn unter dem Strich wachsen die Haushalte, wobei die wachsenden Ausgaben durch Schulden finanziert werden.
Mehr Arbeit ist eine Lösung, die noch keiner erprobte. Jeder Politiker verspricht zwar die Schaffung von Arbeitsplätzen, bescheidet sich dabei aber mit Verwaltungsarbeit und erhöht letztlich die Kosten und damit die Schulden. Um nicht noch weniger Arbeit zu haben, wird viel Geld für den Erhalt längst toter Arbeitsplätze ausgegeben. Wir geben Millionen für F+E aus, um zu neuer Arbeit zu kommen, aber wir binden Milliarden für die Stützung nicht wettbewerbsfähiger Arbeit. Es wird eben auf den kurzfristig erzielbaren (Schein-)Effekt geachtet, aber zu wenig auf Nachhaltigkeit.
Mein Rat an den klammen Kandidaten: Keine Ausgaben zur Stützung unsinniger Aktivitäten. Die Meinungen darüber, was unsinnig ist, gehen auseinander. Deshalb brauchts den Rasenmäher, um ausnahmslos alle Subventionen zu kürzen. Bei allen Vorschriften sehen wir nach, ob sie wirklich unverzichtbar sind. Vorschriften müssen nämlich überwacht werden, kosten Personal und damit Geld. An unserem Steuersystem könnte man mit der Durchforstung mit dem Ziel von Vereinfachung und Transparenz anfangen. (Kosten-)Transparenz heißt auch der Gesundbrunnen für das Gesundheitssystem. Jeder Einzelne muß wissen, was wofür bezahlt wird und es muß ihn interessieren, weil er an den Kosten beteiligt wird. Nur Beteiligung reicht nicht, nur Transparenz auch nicht, aber beides zusammen wirkt sicher.
Was machen wir mit dem überall einsparbaren Geld? Neue Fregatten und Flugzeuge fürs Militär? Mehr Verwaltung, mehr öffentlich Bedienstete? Mehr soziale Wohltaten? Höhere Renten? Mehr Fußballstadien? Nach meinem Vorschlag nichts davon! Statt dessen 3stellige Milliardenbeträge in Bildung, F+E und Existenzgründungen. Wir können uns keinen einzigen Jugendlichen ohne gediegene Ausbildung leisten, keine ausfallende Schulstunde, keinen mit 55 in Ruhestand gehenden Lehrer. Wir brauchen Ausbildungsstätten, die nicht an das Deutsche Museum erinnern. Wir brauchen die Marktführerschaft auf zahlreichen Technologiefeldern und wir brauchen neue Technologien für neue Märkte und als Wachstumsimpulse für alte Märkte. Millionen zusätzlicher wirtschaftlich tragfähiger Arbeitsplätze, die auch noch eine längere Lebensarbeitszeit ermöglichen, schaffen wir gewiß nicht im deutschen Kohlebergbau. Aber mit neuen Produkten, die noch nicht in Taiwan produziert werden, halte ich die Aufgabe für lösbar.
Umdenken: Warum engagieren sich Gewerkschaften für kürzere Arbeitszeiten, warum für 5% mehr Geld? Warum kein Engagement für eine Ausbildereignung von 5% der Belegschaft? Warum kein Engagement für eine Ausbildungsvergütung, die z. B. in Bafög-Höhe von allen Betrieben getragen wird? Warum kein Engagement für Weiterbildungsmaßnahmen (ich meine nicht den unsäglichen Bildungsurlaub, der Betriebe mit den Kosten von Städtereisen und Frauenveranstaltungen belastete).
Ganz am Rande: Man könnte allein durch die Veränderung der HOAI, die Architektenhonorare an die Bausumme knüpft, gewaltige Beträge sparen. Im Moment liegt das Kostentreiben im Interesse jeden Planers und deshalb kostet jedes öffentliche Klo so viel wie ein Einfamilienhaus.
Der Denkansatz, alte Steuern zu erhöhen und neue Steuern einzuführen, ist nach meinem Dafürhalten am phantasielosesten und zementiert just die Strukturen, die uns in die heutige Situation brachten.
Gruß
Wolfgang