der öffentliche Dienst, das unbekannte Wesen
Hallo nochmal,
warum nicht gleich 60 Stunden? Dann kann ein Drittel der Leute
entlassen werden.
das wäre ein vernünftiger Ansatz, um die Verwaltungswut mal in
den Griff zu bekommen.
Daß das etwas Wesentliches verändern würde, bezweifle ich.
ein Arbeitsplatzabbau beim öffentlichen Dienst hätte zwei Folgen: Zunächst wurde man unbeschäftigtes aber bezahltes Personal entfernen, was einerseits Personalausgaben reduzieren und Doppelarbeit vermeiden und damit Abläufe beschleunigen würde. Zu letzterem: Die Erfahrung zeigt, daß unbeschäftightes Personal selbständig Arbeit proudziert, indem bspw. erledigte Arbeiten mehrfach kontrolliert oder erneut erledigt werden. Die zweite Folge (bzw. eigentlich Voraussetzung) wäre, daß staatliche Aktivitäten auf private Unternehmen übertragen werden. Über die Stadtwerke einfach AG schreiben ändert zunächst mal gar nichts. Am Beispiel Telekom sieht man, wie lange es dauert, aus einer Behörde ein einigermaßen leistungsfähiges Unternehmen zu machen.
Der Beitrag hat sich eher gegen allgemeine
Arbeitszeitverlängerungen als Allheilmittel gerichtet. Wenn
ich bei Wikipedia richtig gelesen habe, war die
60-Stunden-Woche vor rund 120 Jahren noch üblich.
Jetzt sehen alle AG-vertreter die 40-Stunden-Woche als die
einzige logische Möglichkeit an. Wieso? Warum nicht 80, 60,
50, 30, 20 …???
Die Fixierung auf die 40 ist mir unverständlich.
Die Fixierung ist nicht so ausgeprägt, wie Du Dir vielleicht vorstellst. Das funktioniert vor allem dort, wo Arbeit weitgehend mit Präsenz übersetzt wird, wo also der Output nicht wirklich meßbar ist bzw. wo mangelhafter oder mangelnder Output keine Konsequenzen nach sich zieht – weder für den Arbeitnehmer noch für den Arbeitgeber.
In den letzten Jahren lag meine Wochenarbeitszeit zwischen 30 und 70 Stunden, dabei überwiegend jenseits der 45 Stunden, obwohl ich die meiste Zeit nur für 39 Stunden bezahlt wurde und an Freizeitausgleich praktisch nicht zu denken war. Mathias erzählte Dir eben ja ähnliches.
Daß die Arbeitszeit heute grundsätzlich um die 40 Stunden beträgt, ergibt sich einfach aus der Historie. Irgendwann betrug die Arbeitszeit 24-unbedingt notwendige Ruhepausen, dann kamen die Gewerkschaften, die damals noch gebraucht wurden, und erreichten mit der Zeit, daß zwei Tage je Woche arbeitsfrei wurden. Die acht Stunden je Arbeitstag ergeben sich in unserer humanistischen Gesellschaft aus der Erkenntnis, daß der Mensch ca. 8 Stunden Schlaf pro Nacht benötigt, eine gewisse Zeit für An- und Abreise und auch Zeit mit der Familie verbringen sollte (ob das so eine Errungeschaft der Gewerkschaften ist, sei dahingestellt, sind doch die Scheidungsraten erst seit Anbruch der Freizeitgesellschaft heftig angestiegen).
Damit ergibt sich bei einem relativ fixen Tag von 24 Stunden eine regelmäßig denkbare Arbeitszeit von max. 12 Stunden. Da zu Zeiten, als noch sechs Tage je Woche gearbeitet wurde, nur zehn Stunden Arbeit erlaubt waren, war das die natürliche Obergrenze. Alles was danach kam, waren Machtkämpfe zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern, die aber an den tatsächlichen Arbeitsverhältnissen nur wenig geändert haben.
Was früher innerhalb der 5*10 Stunden an Puffer (d.h. Freizeit auf der Arbeit) vorhanden war, ist heute offiziell teilweise Freizeit, teilweise Überstunden.
Oder geht es im Grunde gar nicht um die 40 sondern doch um
eine getarnte Lohnkürzung? 
Wie gesagt: Nur weil die Arbeitszeit länger wird, wird ja nicht mehr gearbeitet. Solange sich bspw. die Öffnungszeiten der Ämter nicht ändern, kann da ja effektiv nichts passieren, weil gar nicht mehr Kunden verarztet werden können. Weil ich gerade das Gerumpel vor der Tür habe: Auf einem Müllwagen arbeiten 2 oder 3 Leute. Wenn die pro Woche eine Stunde länger arbeiten, kann davon weder eine Person noch ein Müllwagen eingespart noch ein neuer Müllbezirk geschaffen werden. Die Zahl der Mülltonnen ist auch einigermaßen konstant. Effekt: Die Kollegen lassen sich zukünftig für die gleiche Tour mehr Zeit.
Dummerweise kann man sich das im
Augenblick nicht bezahlen und als die Zeiten besser waren, hat
man sich nicht getraut.
Nicht bezahlen? Es ging doch um längere Arbeitszeiten bei
gleichem Gehalt.
Das bezog sich auf die eigentlich notwendigen Massenentlassungen im öff. Dienst. Die wären angesichts der ohnehin schon hohen Arbeitslosigkeit nicht bezahlbar.
Heute arbeiten 5 Millionen Menschen im öffentlichen Dienst,
was ungefähr 60 je 1.000 Einwohner sind. Zu des Kaisers Zeiten
- damals schon ein Hort der Bürokratie - waren es noch 10 je
1.000 Einwohner.
Interessante Zahlen, die ich noch nicht kannte, aber anderes
Thema.
Bürokratie abbauen und Arbeitszeit verlängern … der
Zusammenhang ist mir im Moment unklar.
Du hast gemutmaßt, daß die Arbeitszeitverlängerung zu Stellenabbau führen wird. Dies wird a) nicht der Fall sein, wäre hingegen b) absolut notwendig, weil Deutschland in der Selbstverwaltung erstickt und sich das außerdem nicht mehr leisten kann. Als Beleg für die Überbürokratisierung des Landes habe ich diese Zahlen präsentiert.
Wir nähern uns zügig dem Ausmaß des öff. Dienstes der DDR, für
den offiziell(!) 10% der Bevölkerung arbeiteten. Nicht zuletzt
ein Grund dafür, daß die DDR 1990 pleite war. Die
Wirtschafts-, Währungs- und vor allem Sozialunion kam nur
deshalb schon zum 1.7., weil die DDR hätte im August schon
nicht mehr die Renten bezahlen können. De Maizière mußte nur
über seinen Schatten springen und entgegen seinen persönlichen
Vorstellungen den zügigen Anschluß an die BRD suchen.
Ich lese es immer wieder mit erstaunen. So lange ich in der
DDR gelebt habe, habe ich davon nichts bemerkt.
Seltsamerweise läßt sich auch kaum ein Ostdeutscher finden, der bestätigt, daß sich die Leute in der DDR auf den Füßen herumgestanden sind, weil die vorhandenen Arbeitsplätze mehrfach besetzt waren. Allerdings klagen die gleichen Leute heute über Leistungsdruck.
Gruß,
Christian