Ein Amerikaner in Europa
der die ganze Sache anders sieht als Mr. Bush. Auch mal eine interessante Perspektive.
Gruß
Michael
Traum und Alptraum des Ron Williams
Der Schauspieler über sein Leben und seine Beziehung zu George W. Bush und Martin Luther King
Von Christian Mayer
Es genügt, einen Knopf umzulegen, um Ron Williams zu einem mittleren Wutausbruch zu bewegen. Zu einer Wortkaskade, welche die in sich versunkenen Gäste im sonnigen Café Tambosi draußen am Hofgarten bis ins Mark treffen müsste.
Zum Glück spricht der Schauspieler mit warmer, leiser Stimme, sein Deutsch ist nahezu akzentfrei, und deshalb tun die Gäste an den Bistrotischen so, als würden sie die Anklage nicht bemerken. George W. Bush ist jetzt das Thema des Ron Williams, und einmal angestoßen kommt der Mann mit der knapp über die Augenbrauen gezogenen Baseballkappe der San Francisco Giants nicht zur Ruhe: ¸¸Ein Blinder unter lauter Tauben", sei der Präsident, zitiert Williams den Ex-Finanzminister Paul O"Neill. Ein Papasöhnchen, der im Irak eine Katastrophe angezettelt habe, dieser Mr. Bush. Intellektuell minderbemittelt, ein ¸¸guts president", der alle Entscheidungen aus dem Bauch heraus treffe, mit verheerenden Folgen für den Rest der Welt. ¸¸Diese Regierung ist eine einzige Lüge", hämmert er weiter, und reitet eine neue Verbalattacke, als sein Gegenüber eine Atempause nutzt und nach den Chancen der Wiederwahl des Kriegspräsidenten George W. fragt: ¸¸Was heißt Wiederwahl? Putsch! Die Wahl zum Präsidenten 2002 hat er nicht gewonnen, sondern in einer konzertierten Aktion in Florida manipuliert."
¸¸Ich bin ein Ami"
Dieser Mann, das spürt man nach wenigen Minuten, ist nicht nur ein Entertainer, sondern auch ein politischer Mensch. Mindestens so angriffslustig wie der Polemiker und Bush-Feind Michael Moore, aber nicht so dröhnend flapsig. Ron Williams, im kalifornischen Oakland geboren, ist ein kritischer Patriot, obwohl er seit 35 Jahren in München lebt. ¸¸Ich bin kein Bayer, nein, ich bin immer noch ein Ami. Obwohl ich mich dafür schäme, was wir im Irak veranstalten. Amerika hatte noch nie ein so hässliches Gesicht." Und wenn ihn wieder mal ein deutscher Freund darauf anspricht, was denn los sei in Washington, ob Herr Rumsfeld nun total durchknallt, kann er seine Enttäuschung über die US-Regierung nicht verbergen. Momentan bekommt er viele Anrufe, von Leuten, denen die Bilder aus dem Gefängnis Abu Ghraib nicht aus dem Sinn gehen.
Eigentlich müsste er sich auf seinen Theatertext konzentrieren. Auf die Rolle seines Lebens, die er in der kommenden Woche zum ersten Mal in München spielen wird, in der Komödie im Bayerischen Hof. Vor ihm auf dem Tisch liegt es griffbereit, das Drama ¸¸I have a Dream". Ein paar wichtige Zitate aus einem Monolog des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King jr. hat Williams dick unterstrichen. Aber er kennt sie längst auswendig, die Botschaft des Predigers und Humanisten King, der für ihn ein Gegenbild zum amtierenden Präsidenten darstellt. ¸¸Er war der größte Amerikaner, George Washington und Abraham Lincoln eingeschlossen", sagt er feierlich. Weil er offen den alltäglichen Rassismus in Amerika angeprangert habe, weil der Pazifist Martin Luther King der Intoleranz eine Vision entgegengesetzt habe: Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit, Gleichheit für alle Menschen, egal welcher Hautfarbe.
Heute kann sich Ron Williams mit der friedlichen Botschaft des Martin Luther King identifizieren. Als er ein junger Mann war, belastet durch eine schlimme Kindheit im Waisenhaus, sympathisierte er mit der radikalen Freiheitsbewegung ¸¸Black Panther". Ein anderer Schwarzenführer, Malcom X, war sein Vorbild, und heute sagt Williams, dass er vielleicht wie viele andere schwarze Aktivisten im Gefängnis verschimmelt wäre, wäre er in Amerika geblieben. Es war Anfang der sechziger Jahre, Ron diente damals in einer Einheit der Militärpolizei in Georgia, als einziger Schwarzer unter lauter Weißen. Er lernte, wie man eine 45-Automatik bedient, aber er lernte auch am eigenen Leib, was Ungerechtigkeit und Rassenhass bedeuten. Gottseidank gab ihm seine Tante, die er wie eine Mutter liebte, einen guten Rat: Zieh" nach Deutschland, mach" dein Glück.
Ron Williams kam als GI ins exotische Stuttgart. Er lernte ein Land kennen, von dem er zuvor nur wusste, wie es klingen könnte. Ungefähr so wie die Kompositionen eines Franz Schubert. Mit Schubert und Mozart wuchs der junge Ron auf, nachdem ihn sein Onkel, ein Sänger und Stimmlehrer, bei sich aufgenommen hatte. Im Wohnzimmer stand das Steinway-Klavier seiner Tante. Seit seiner Jugend liebt er Musik, er hat eigene Platten aufgenommen - unter anderem eine ¸¸Hair"-Einspielung mit Udo Lindenberg und Nina Hagen - und als Musical-Sänger Erfolg. ¸¸The All White Band" heißt seine Gruppe.
Der Mann hat eben einen leicht schrägen Humor. Den braucht er auch, in einem Gewerbe, das nicht immer spaßig ist. Schließlich ist die Unterhaltungsbranche hart umkämpft, und Ron Williams tat sich immer schwer damit, in ein Sendekorsett gepresst zu werden. Einer, der in seinem Leben so viel gemacht hat, Butler und Chauffeur bei einem schwäbischen Millionär war, Willy-Brandt-Stimmenimitator oder Rundfunksprecher bei den US-Streitkräften, wird eben ein Querkopf. ¸¸Ich wollte ja nie ein Bundes-Bimbo wie Roberto Blanco sein", sagt er.
Als erster schwarzer Kabarettist stand er Anfang der siebziger Jahre auf der Bühne, später im Fernsehstudio - und wurde, wie sein Kollege Dieter Hildebrandt, abgeschaltet, weil seine Witze über Franz Josef Strauß den Großkopferten beim Bayerischen Rundfunks zu dreist erschienen. Sogar eine Samstagabend-Show hatte der Mann mit dem schnellen Mundwerk, aber die WDR-Sendung mit dem idiotischen Titel ¸¸Ronabend" wurde nur drei Mal ausgestrahlt, zu unterschiedlichen Sendezeiten. Das ist für einen Unterhalter tödlich. Stand-up-Comedy machte er, als es im deutschen Fernsehen noch keine Comedians gab - vielleicht war die Zeit für ihn nicht reif. ¸¸Heute ist es leichter für Schwarze, beim Fernsehen Karriere zu machen."
Jetzt ist er also als Martin Luther King unterwegs, dutzende Male hat er das Stück ¸¸I have a Dream" auf unterschiedlichen Bühnen gespielt, meist in kleinen Städten, weil dort die Aufmerksamkeit erfahrungsgemäß groß ist. In München möchte Ron Williams ein junges Publikum erreichen, das bisher eher einen Bogen um die Komödie im Bayerischen Hof macht. ¸¸Es geht um Emotionen, um die Botschaft. Das ist hochpolitischer Schulfunk und Schauspiel mit Musik", erzählt Williams. Überhaupt ist er gerne mit Jugendlichen zusammen, deswegen hat er vor zwei Jahren auch Schulen in ganz Deutschland besucht und Vorträge gegen Gewalt gehalten. Als Kumpel und Rapper, wie er sagt, nicht als Pädagoge. Mehr als einmal hat er den Schülern, die sich wie schwarze Ghettokids kleiden, in schillernden Farben geschildert, wie ein schwarzes Ghetto in Amerika aussieht und was es heißt, ohne Eltern aufzuwachsen. Das hat Eindruck gemacht.
Das Gespräch im Tambosi ist zu Ende, Ron Williams muss weiter, sein Handy hat drei Mal geklingelt. Ein Händedruck, ein zupackendes Schulterklopfen. Als er sich verabschiedet, radelt eine junge Frau am Hofgarten vorbei. ¸¸Halt mal, Süße", ruft Williams der schönen Bekannten zu. ¸¸Komm in meine Show, musst du sehen!" Er drückt ihr eine Einladung in die Hand. Wahre Prediger müssen die Leute eben auf der Straße bekehren.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.121, Donnerstag, den 27. Mai 2004 , Seite 39