Fahne raus
Hi tabaiba,
welcher psychischen störung unterliegen menschen, die in […] - vor allem unnötigen - situationen mit ihrem titel firmieren?
Das ist zunächst einmal lediglich ein auffälliges Verhalten. „Psychische Störung“ ist ein einigermaßen fest umrissener Begriff der Psychodiagnostik, dem sich das demonstrative Präsentieren von Titeln (du meinst gewiß akademische Titel) als solches nicht einverleiben läßt. Sehr wohl kann es aber eine Begleiterscheinung (oft sogar eine charakteristische) von bestimmten extremen Formen mangelnder kommunikativer Intelligenz und damit defizitärer sozialer Kompetenz sein.
In Wissenschaften, in denen ausschließlich die wissenschaftliche Leistung zur Anerkennung unter Kollegen führt, (als Beispiel sei die Mathematik oder die Physik genannt), würde sich jemand lächerlich machen, wenn er mit seinem Titel firmieren würde, und sei es auch nur am Türschild vor seinem Institutszimmer. Ich kenne unter solchen kaum jemand, der versuchen würde, seinen sozialen Respekt durch Vorsichhinschwingen seines Titels im Umfeld von Nichtakademikern zu vergrößern.
In solchen Umgebungen taucht der Titel bestenfalls in Vortragsankündigungen (bei Kongressen z.B.) auf, aber selbst da nicht grundsätzlich
Kein wirklich erfahrener und international kommunizierender Wissenschaftler wird daher überhaupt den Titel heraushängen lassen, es sei denn in einer Umgebung, in der das Demonstrieren der eigenen Bedeutsamkeit angesagtes Gesellschaftsspiel ist, m.a.W.: Auf einem Fachkongress auf keinen Fall, auf einer Kanzelerféte aber doch. Sehr wohl ist es aber Sitte, in einer ersten schriftlichen Ansprache an Kollegen, denen man unbekannt ist, der Anrede den Titel beizufügen. Aber bereits im ersten Antwortschreiben wird sich das erledigt haben.
Ich will aber betonen, daß das vor ca 50 Jahren noch anders war. Das kann man in publizierten Briefwechseln bedeutender Wissenschaftler nachlesen.
Etwas ganz anderes ist das von dir angedeutete Szenarium. In einer Umgebung, in der die akademische Vergangenheit vielleicht für die sachliche Beurteilung der Inhalte, nicht aber für die Kommunikationsform von Bedeutung ist, in der es zudem eindeutig erkennbar Sitte ist, einander zu duzen und einander überhaupt mit Vornamen resp. Nick zu kennen, da genügt dem aufmerksamen Leser ja die Ausdrucksweise und die stilistische Präsentation von Inhalten, um die fachliche Kompetenz des Autors zu erkennen. Da kommt dann dein Audruck „unnötig“ zum Tragen.
Da mag man in einzelnen Fällen, wenn es sinnvoll erscheint, gern seinen beruflichen Background deutlich machen. Wer aber kommunikativ versiert ist und im Maß seiner Anererkennung nicht erhebliches Defizit empfindendet, wird das nicht erektil vor sich herzuschieben nötig haben. Das riecht dann nach unadäquater Respektforderung und nach Unfähigkeit, kommunikative Atmospären schnell und sicher einzuschätzen.
Das Demonstrieren von Titeln macht ja nur Sinn, wo damit zugleich demonstriert wird, daß die Angesprochenen eben diesen Titel NICHT haben: Man will sich durch Erniedrigung der anderen also selbst erhöhen. Das ist, wenn es wirklich dahinter steckt, sehr wohl ein Merkmal der sog. narzißtisch gestörten Persönlichkeit - siehe FAQ:920
Zuerst die Respektforderung durch die Tür schieben und dann die persönliche Präsenz hinterher - das wird dann meist ein Zeichen für den Mangel an Letzterer sein, und das wiederum ist, wie Nike (etwas zu programmatisch) andeutet, durchaus ein Zeichen eines narzißtischen Problems.
Birgit hat es ja deutlicher gesagt: Eine „Persönlichkeit“ hat das nicht nötig … man kann ergänzen: Wer es meint, nötig zu haben, dem fehlt es - wegen des Mangels an Vermögen, kommunikative Situationen einzuschätzen und sich in ihnen unverkrampft zu bewegen, an „Persönlichkeit“, mithin auch an sozialer Kompetenz.
Das gilt auch für alle anderen Merkmale: Wenn wirklich ALLE wissen, daß Hansel reich an Kühen ist, und Hansel dennoch jede Gelegenheit wahrnimmt, auf seinen Reichtum an Kühen zu verweisen und darüber hinaus allen anderen ihren relativen Mangel an Kühen unter die Nase reibt … dann hat er das obengenannte Problem. Das allein reicht aber keineswegs, darin eine „psychischen Störung“ zu erkennen.
Gruß
Metapher