Eigentlich kann sich doch jeder denken, was damit gemeint ist,
Wenn man es denken kann, dann kann und soll man es auch
deutlich aussprechen. Es war von „deutschen Opfern“ die Rede -
und so, wie Du das hier definierst und die ersten Opfer der
Nazidiktatur (die genau das waren: deutsche Opfer) ausschließt
folgst Du genau der kranken Logik der Nürnberger Rassengesetze
und der Naziideologie. Du sprichst Ihnen ab, Deutsche zu sein.
Daß diese auch Deutsche waren, spielt aber insofern keine Rolle, weil diese wiederum nicht Opfer in diesem Zusammenhang sind, jedenfalls soweit ich die Frage verstanden habe.
Es muß ja immer darauf geachtet werden, woran genau sich ein Gedenken richten soll:
Ein Denkmal für in Indochina gefallene französische Fallschirmspringer ist eben nur für jene gedacht, die all diese Eigenschaften erfüllen:
- Fallschirmspringer, nämlich
- französische, die
- gefallen sind, und zwar
- in Indochina
Insofern war die Frage vielleicht in der Tat vage formuliert, ich dachte aber, es verstehe sich, wenn die Frage so gestellt ist, daß damit in aller Regel gemeint sei: Deutsche Opfer durch Aktivitäten des Kriegsgegners im oder nach dem Krieg.
Ich persönlich habe kein Problem damit, den Luftkrieg gegen
die Zivilbevölkerung als Kriegsverbrechen anzusehen. Was
nichts daran ändert, dass an diesen und anderen
Kriegsverbrechen der Alliierten in der Tat „letztendlich das
NS-Regime“ verantwortlich war.
Letztendlich ist immer der Schwächere an allem schuld oder eben der, den man als Schuldigen ansehen will. Es findet sich immer eine vorangehende Ursache für alles. Ebensogut könnte jemand behaupten, durch bestimmte Regelungen des Versailler Vertrags sei einerseits der deutsche volkszorn provoziert und andererseits die untragbare wirtschaftliche Lage herbeigeführt worden und das NS-Regime und der 2. Weltkrieg mit all seinen Folgen sei also letztendlich die Schuld von Engländern und Franzosen.
nicht „damit indirekt alle Deutschen (außer deutschen
Holocaustopfern)“ sondern indirekt alle, die die NSDAP an die
Macht gebracht hatten und durch Mitarbeit in den
gleichgeschalteten Organisationen und bei der Überwachung
ihrer Mitbürger ihren Anteil an der Errichtung der totalitären
Diktatur hatten.
Damit sind in der Regel alle Deutschen gemeint,
sofern sie nicht aktiven Widerstand geleistet haben und somit zumindest potentiell selbst Opfer des Regimes waren.
Und genau das ist das Problematische an solchen
Pauschaldenkmalen für „deutsche Opfer“. Damit werden alle
Deutschen gleichermaßen zu Opfern deklariert. Das ist genauso
verfehlt wie die undifferenzierte Zuweisung einer
Kollektivschuld oder Kollektivverantwortung. Weder das eine
noch das andere wird den historischen Tatsachen gerecht.
Es kommt auf den Zusammenhang an.
Warum muß eine solche Grenze gezogen werden?
Weil ein Staat, der öffentlich pauschal der deutschen Opfer
des zweiten Weltkrieges gedenkt und dabei zwischen den
Nazi-Pateigenossen, SA- und SS-Leuten und all den Mitläufern
einerseits sowie den deutschen Opfern genau dieser Leute nicht
unterscheidet, zeigt, dass er unfähig ist, Lehren aus der
Geschichte zu ziehen. Einmal ganz davon abgesehen, dass er die
unmittelbaren Opfer der Diktatur damit nicht ehrt, sondern sie
beleidigt.
SA- und SS- Leute können ebenso Opfer sein wie andere auch, je nachdem, in welchem Zusammenhang und in welcher Eigenschaft.
Die Ziehung der Grenze darf man sich aus religiösen Gründen in
Sonntagspredigten in den Kirchen sparen, wenn man dort über
Schuld und Vergebung räsonniert. Im politischen Raum ist das
inakzeptabel.
Das Lächerlichmachen von Kirche und Religion halte ich im Zuge der Erörterung dieser Fragen für überflüssig, vor allem verliert sich so der Bezug zum eigentlichen Thema.
Warum darf es Gedenken für jüdische Holocaust-Opfer geben, mit
denen doch auch die jüdischen Verbrecher, die - in ihrer
Eigenschaft als Juden - zu Opfern wurden, berücksichtigt
werden?
Weil die eine Gemeinsamkeit haben, die sie zu Opfern gemacht
hat. Die Gemeinsamkeit, als Deutsche Opfer alliierter
Kriegshandlungen zu sein, haben die Nazis selbst aufgekündigt,
indem sie definiert haben, wer als ‚wahrer Deutscher‘ zu
gelten hat.
Dieser Unterscheidung muß man ja im heutigen Gedenken nicht folgen.
Diese ‚wahren Deutschen‘ waren Opfer der Alliierten
neben vielen anderen, wie z. B. slawischen Zwangsarbeitern
und genau sie sollten es auch sein -
Dieser Frage nachzugehen bildet wahrscheinlich eine Aufgabe für eine eigene Doktorarbeit.
aber anders
als die Juden, selbst als jüdische Kriminelle, waren sie nicht
unverschuldet in dieser Opferrolle.
Luftangriffe werden kaum nach Sympathie und Wahlverhalten unterschieden haben. Im Übrigen kann man zumindest entgegenhalten, daß jüdische Kriminelle einen willkommenen zusätzlichen Vorwand für die Brandmarkung der Juden insgesamt geliefert haben.
Das Gedenken an eine bestimmte Gruppe kann doch immer nur den
Angehörigen dieser Gruppe in genau dieser Eigenschaft gewidmet
sein, sonst könnte es gar keine Denkmale oder Gedenkfeiern
mehr geben.
Wenn es um Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und
des zweiten Weltkrieges geht, dann ist eine Differenzierung
zwischen ‚Deutschen‘ und ‚Nicht-Deutschen‘ schlichte
Geschichtsklitterung.
Ich würde sagen, der Zusammenhang spielt schon eine Rolle.
Die einzige Differenzierung - wenn es
schon eine so grobschlächtige sein soll - die da Sinn macht
ist die zwischen den Faschisten, ihren Unterstützern und
Mitläufern einerseits sowie zwischen ihren Gegnern anderers.
Die Italiener sind wieder ein völlig anderes Thema.
Eine Unterscheidung von ‚Deutschen‘ und ‚Nichtdeutschen‘
verwischt genau diesen Unterschied. Und soll es wohl auch -
aus ziemlich durchsichtigen Gründen. Da hilft es auch nicht,
wenn - wie hier - aus der Gruppe ‚Deutsche‘ die größte
Opfergruppe, nämlich die deutschen Juden, explizit
ausgeschlossen werden sollen. Da feiert die alte
‚Volksgemeinschaft‘ fröhliche Urständ.
Wer schließt die deutschen Juden denn aus? Wer etwa ein Denkmal für die deutschen Opfer von feindlichen Luftangriffen fordert, sagt damit ja nicht aus, daß sie das nicht auch an die (wenigen) deutschen Juden gedacht richten soll, für die der Bestimmungszweck greift. Die anderen deutschen Juden sind hierbei deshalb ausgeschlossen, weil sie eben nicht Opfer von feindlichen Luftangriffen sind.
Die Nichtberücksichtigung der Nichtdeutschen in diesem Zusammenhang, wie der von mir schon weiter oben genannten Zwangsarbeiter, stellt meiner Meinung nach eher ein Hindernis dar.
Grüße,
Frhr. v. Doppelripp