Hi!
Da gibt es doch diese eine Geschichte des bekannten Militärstrategen des Alterums, Sunzi, der aus einem Haufen chinesischer Konkubinen Soldaten machen sollte. Er befahl den Damen zu exerzieren, doch statt zu gehorchen, kicherten die Hofdamen nur. Daraufhin ließ Sunzi zwei der Konkubinen, die er zu Anführerinnen gemacht hatte, hinrichten - und schon befolgten alle Damen Sunzis Befehle ohne Widerworte.
Ganz offensichtlich funktioniert diese Methode wirklich.
1988 veröffentlichte Salman Rushdie sein Buch „Die Satanischen Verse“ und wurde dafür mit einer Fatwa bestraft (im Mittelalter würde man sagen, er wurde für vogelfrei erklärt - schlimmer noch: es gab klare Aufrufe, Rushdie zu töten. Noch heute kann sich der Mann nur mit Leibwächtern in der Öffentlichkeit bewegen). In der westlichen Welt gab es einen Aufschrei. Politiker, Verleger und Tageszeitungen stellten sich auf die Seite Rushdies, verteidigten ihn, sein Buch und das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Damals war ich zu dem Schluss gekommen, Sunzis Theorie wäre gescheitert.
Jetzt gibt es einen ähnlichen Streit. Eine Zeitung des weltpolitisch nicht gerade sehr bedeutsamen Dänemark hat ein paar Karikaturen veröffentlicht, die sich auf den Propheten Mohammed beziehen: Mohammed mit Bombe, Mohammed im Paradies als Zuteiler der Jungfrauen für die Märtyrer. Und es erscholl ein Ruf wie Donnerhall aus der islamischen Welt: Blasphemie! Tötet Dänen! Boykottiert dänische Produkte!
Die Situation ähnelt der von 1988. Auf Basis der Meinungsfreiheit kritisiert jemand bestimmte Zustände. Doch die Reaktion der Öffentlichkeit ist eine andere. Plötzlich steht das sittliche Empfinden gegenüber einer Glaubensgemeinschaft höher als das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Eine Seite spielt die beleidigte Leberwurst, und die andere Seite ergeht sich in voreiligem Gehorsam.
In europäischen Medien wurde und wird seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten Religion und ihre Vertreter auf Erden kritisiert und karikiert. Über die Kirche, den Papst, Jesus werden Witze gerissen, es werden Bildchen gezeichnet, es werden Filme gedreht (wer kennt nicht „Das Leben des Brian“?). Wird deshalb zu Mord und Totschlag aufgerufen?
Juden und Muslime verweigern Jesus von Nazareth die Anerkennung als Sohn Gottes. Muss das christliche Europa das nicht als Blasphemie bezeichnen - mit den gleichen Maßnahmen, die jetzt Muslime den Dänen androhen?
Die dänische Regierung und die dänischen Medien kuschen jedenfalls vor den dänischen Imanen, und weil der Fuß bereits in der Tür ist, will man die Meinungsfreiheit der Presse gleich ganz aushebeln: „Es müsse garantiert werden, dass sich eine solche Gotteslästerung nicht wiederhole“, verlangt ein führender dänischer Imam (Quelle: www.taz.de, „Wenn Meinungsfreiheit zu teuer wird“). Imame (und folglich Pfarrer und Rabbiner) bestimmen zukünftig, was gedruckt und was nicht gedruckt werden darf?
Und unsere Medien? Gibt es den Schulterschluss zugunsten der Pressefreiheit? Kann jemand eine deutsche Zeitung benennen, die aus Solidarität - wie zu Rushdies Zeiten - die dänischen Karikaturen nachdruckt, nach dem Motto „Jetzt erst recht“? Nein, dieses Mal schweigt die Öffentlichkeit sehr beredt.
Die Bestrafung einiger weniger, wie Sunzi es vorgemacht hat, zeigt ganz offenbar Wirkung. Sind wir also auf dem Weg, uns von einigen religiösen Eiferern vorschreiben zu lassen, was die Medien veröffentlichen dürfen und was nicht?
Grüße
Heinrich