Undamenhafte Gedanken

Hallo Leute!

Ich habe den provokanten Titel für meinen Beitrag bewusst gewählt. Im Folgenden geht es nämlich um die Themen „Betrug“ und „Täuschung“. Über diese Thematik habe ich mir nie groß Gedanken gemacht – seit gestern ist das anders:
Zwei meiner Freundinnen sind (wenn alles gut geht) nächstes Frühjahr mit ihrem BWL-Studium fertig. Bei mir dauert es noch einige Zeit, da ich erst beim Vordiplom bin. Gestern haben wir uns ausführlich darüber unterhalten, wie es nach dem Studium weitergehen soll. Die wirtschaftliche Situation kennt wohl jeder. Besonders meine Freundin X hat große Angst vor der Zukunft. Sie hat in letzter Zeit privat einige harte Schläge einstecken müssen.
Nach einigen Gläsern Sekt kamen wir dann zu dem (natürlich nicht Ernst gemeinten) Entschluss, „alles egal wir kaufen uns alle einen Doktortitel“. In den Medien wurde in letzter Zeit darüber ja viel berichtet. Normalerweise enden hier die Gedankengänge, die wir uns in „diese Richtung“ machen. Warum kann ich selbst nicht genau sagen, aber gestern ging es ein paar Schritte weiter. Wir sprachen darüber, unsere Lebensläufe „attraktiver“ zu gestallten. Unsere erste Idee war, einen Sprachkurs einzubauen. Das merkt doch niemand. Jede von uns war mal für einige Wochen in den USA und im Studium haben wir sehr viel mit englischer Literatur zu tun.
CUT: Es geht hier um einen Sprachkurs, der NICHT besucht wurde – also um Betrug. Wir haben dann ein wenig „gegoogelt“ und sind auf einen Thread im „wer-weiss-was“-Forum gestoßen: „Studiumsbeginn durch manipuliertes Zeugnis“ vom 07.09.2001. Es geht dabei um jemanden, der eine Passage aus seinem Zeugnis (bzw. aus einer Kopie des Zeugnisses) streicht, um an einer bestimmten FH studieren zu können. ( /t/studiumsbeginn-durch-manipuliertes-zeugnis/831480
Vom moralischen Standpunkt betrachtet, ist die Sache mit dem Sprachkurs keinen Deut besser. Ist es aber in einer Zeit, in der Angriffskriege mit wissentlich gefälschten Dokumenten begründet werden, überhaupt noch legitim von „Moral“ zu sprechen…? :smile:)
Ein manipuliertes Abiturzeugnisses oder Diplom ist eine tickende Zeitbombe, die jederzeit explodieren kann – auch noch in 20 Jahren. Im besagten Thread ist dies gut und ausführlich dargestellt.
Jetzt mal eine ganz naive Frage: Kann die (selbstverfasste) Kopie eines Sprachkurses, welcher z. B. 1999 in der Nähe von London „with huge success“ absolviert wurde, sich auch zur Zeitbombe entwickeln?
Für diese Frage werde ich wohl, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, von den im Forum anwesenden Juristen, in meine Einzelteile zerlegt. Dass die Sache Betrug ist, betone ich gerne noch einmal.
Wer interessiert sich aber für diesen „Betrug“, wenn die Bewerberin über gute bis sehr gute Englischkenntnisse verfügt? Besonders wenn die Sprachschule, bei welcher 1999 der Kurs „belegt“ wurde, heute vielleicht gar nicht mehr existiert? Das Angebot an solchen Schulen ist gigantisch – auf allen Kontinenten.
Denkt bitte nicht schlecht über mich/uns. X ist leider ziemlich verzweifelt, da kommen dann eben solche Ideen raus…

Gruß + Danke

Susi Sonnenschein

Hallo Susi,

wenn die Bewerberin tatsächlich über gute bis sehr gute Englischkenntnisse verfügt, kann sie die ja auch ohne diesen -zunächst nur angedachten- Betrug unter Beweis stellen. Die wirtschaftliche Lage im nächsten Jahr soll ja schon wieder anders aussehen, wenn die vorgelegten Zahlen nicht manipuliert sind. Früher oder später würden solche „Änderungen“ aber sicher auffallen.

meint Martin

Hi,

Eure Gedanken sollten schnapsidee bleiben.

Wenn ihr in eurem Studium in den Rechtsvorlesungen aufgepaßt hättet, wären euch diese Betrugsversuche und die daraus resultierenden Strafen bekannt.

wie wärs wenn ihr versucht mit eurem KÖNNEN Eindruck zu machen und nciht mit Tricks.

Aber die Studentenklasse heute scheint ja nichts von sich selbst und ihrem Können zu halten, daß sie soviel Zeit mit Betrugsgedanken verbringen.

gruss

Hallo Susi Sonnenschein,

gegen die (berufliche) Zukunftsangst kannst Du folgendes machen:

a) Bestandsaufnahme: Was habe ich bisher (im Leben und im Studium) gemacht? Wo liegen meine Stärken, Interessen und Fähigkeiten?
b) Zielbestimmung: entweder Du kannst auf Anhieb ein berufliches Zielfeld nennen (z.B. Personalabteilung oder Controlling) und dieses ggf. mit einer Branche (z.B. Tourismus ; Maschinenbau) verbinden
o d e r Du mußt es Dir erarbeiten.
c) Organisiere Dir gute Praktika in Deinem beruflichen Zielfeld.
Richte Dich bei der Auswahl der Paktikumsbetriebe nicht nach (vermeintlichen) Zukunftsbranchen, sondern nach Deinen Stärken und Interessen (und erst im zweiten Schritt auf konkrete Firmen)
d) Plane diese Praktika für alle kommenden Vorlesungsfreien Zeiten und bewirb Dich (bereits) in den nächsten Wochen für alle künftigen Praktika. (Auch ein Praktikum im Ausland (Sprache!) kann sehr nützlich sein.
e.) Während der Praktika solltest Du die Chance nutzen mit der jeweiligen Personalabteilung über Dich und Deine Studienschwerpunkte zu sprechen.
f.) Überlege Dir eine spannenden Diplomarbeit, die Du im Auftrag bzw. in Zusammenarbeit mit einem Praktikumsbetrieb schreibst. Viele Firmen sind sehr empfänglich für die (kostengünstige) Bearbeitung von firmenbezogenen Fragestellungen.

Zur Frage „Bewerbung und Betrug“:
ich vermute, dass etwa 10-20 % der Bewerbungen frisiert werden und: einige Bewerber werden auch ihre Diplome schönen/fälschen bzw. Doktorarbeiten von „Ghostwritern“ kaufen. Es versteht sich von selbst, dass - sofern der Betrug auffällt - Schadensersatzpflichten auf den „Betrüger“ zukommen können, weil die Firma annehmen durfte, dass die Bewerbung wahrheitsgemäße Unterlagen enthält.

Dein Beispiel: jemand gibt den Besuch eines Sprachkurses an, hat diesen n i c h t besucht, spricht jedoch die Sprache so gut, dass theoretisch ein Sprachkurs stattgefunden haben könnte: okay, insbesondere zur Überbrückung einer mehrmonatigen Jobsuchphase, nach Abschluß des Studiums, mag das akzeptabel sein. Ist aber keine Lösung: denn: warum hat sich der Absolvent nicht wesentlich eher beworben? Warum ließ er es soweit kommen, dass er erst nach dem Abschluß sucht (suchen muß)?

Auf der anderen Seite weisen etwa 80 % der (vermutlich) aufrichtigen Bewerbungen so viele Mängel (formaler und inhaltlich-logischer) Art auf, dass Sie keine Chance haben die erste Sichtung zu überstehen - insbesondere dann nicht, wenn auf eine Stelle mehrere Hundert Bewerbungen eingehen. Dieser „Selbstbetrug“ ist viel gravierender. Anders formuliert: Viele Bewerbungen lassen nicht erkennen, dass sich der Kandidat intensiv mit der Form und dem Inhalt der Bewerbung auseinandergesetzt hat. Hier - und das ist meine letzte Empfehlung - hilft nur: der Besuch von qualifiziertem Bewerbungstrainig.

Grüsse aus Lüneburg

Heiner Gierling

Hallo Leute!

Wow, das ging aber schnell mit den Antworten – vielen Dank. Komme gerade von einer Party und es ist ziemlich spät. Darum nur kurz ein paar Worte zu Euren Antworten:
@Martin: Natürlich sagt der Besuch eines Sprachkurses rein gar nichts über die tatsächlichen Kenntnisse in einer Fremdsprache aus. Ich vermute einfach mal, dass jeder Hochschulabsolvent in seiner Bewerbung gute bis sehr gute Englischkenntnisse angibt. Nur was sind eigentlich „gute bis sehr gute Englischkenntnisse“? Vielleicht wird der Bewerberin ohne Sprachkurs gar nicht die Gelegenheit gegeben, ihre Kenntnisse unter Beweis zu stellen, da sie nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird? Genau darum geht es.
@local: Aufgrund Deiner Formulierung „die Studentenklass heute“ vermute ich einfach mal, dass Du zu den „älteren Semestern“ gehörst. Alles was Du schreibst ist vollkommen richtig, ohne wenn du aber. Ich habe großen Respekt vor Deiner Einstellung ABER in diesem Thread geht es nun ein-mal um „unmoralische Gedanken“…
@Heiner Gierling: Besonders bei Dir möchte ich mich für Deine ausführliche und informative Antwort bedanken. Später mehr – muss ins Bett!

gute Nacht

Susi Sonnenschein

Hallo Susi, also ich hab es gelassen, als mir solche Gedanken kamen. Fakt ist, ich habe etwa 1 Jahr für umsonst ein Praktikum (das nur zum Nebenfach archäologie gehörte)gemacht, dass mit 2 Monaten vollzeit Hiwistelle belohnt wurde um die Arbeiten VORLÄUFIG zu beenden, damit ich mich meinem Studienabschluss zu widmen.
Eigentlich sollte ich auch die schriftl. ausarbeitung für die Untersuchungen machen die ich in der Zeit anstellte, das hat dann aber ein anderer übernommen(sollte damit promovieren), da ich zeitgleich an meiner Magisterarbeit sass. Ich war aber anfangs noch beratend tätig (was soll mein gekritzel heissen, lag das so oder so.)
Da ich also noch in Kontakt stand, hab ich mich zunächst mal nicht um ein Zeugnis bemüht, Dann hörte ich nichts mehr von denen-schien also alles zu laufen und ich hatte MAgister im Kopf. Als ich fertig war (mit der Arbeit, mündliche standen noch an), wollte ich den Stand der Dinge wissen, musste aber feststellen, dass sich meine Professorin aus persönlichen Gründen nach Schweden verzogen hat und mir auf Briefe (an ein anonymes Postfach) noch immer nicht antwortete. Also steh ich jetzt ohne Zeugnis da für eine Tätigkeit die ich nachweislich gemacht habe, die Fachlich hochqualifiziert war und für die ich lediglcih eine Bescheinigung über die Zeit als Hiwi hab (nur die Zeit nicht die genaue Art der Tätigkeit).
Ich hab sogar schon am PC ein Zeugnis gebastelt (Briefkopf und Unterschriften hatte ich ja) aber hab ich bisher noch nie den Dokumenten beigefügt, sondern schreibe lieber, dass ich das zwar gemacht habe aber sich die Prof. derzeit n Schweden aufhält, noch geht es, später wirds sicher schwieriger. Allerdings hab ich auch immer noch keine Job, wenn nur daran liegt, ist das ein ganz schönes Armutszeugnis für die Chefs.
ciao Susanne

Hallo Susi,

wenn Deiner Freundin ausgewiesene Englischkenntnisse wichtig sind, würde ich es nicht durch einen „Sprachkurs“ einbinden. Erstens ist es wirklich Betrug und lass es der Zufall wollen, dass das ans Tageslicht kommt …

Ich würde es anstreben einen TOEFL - Test Of English as a Foreign Language zu machen, einen TSE - Test of Spoken English oder einen TWE - Test of Written English. Nachfragen wo man das bei Euch in der Nähe machen kann, kann sie z.B. beim Amerikahaus oder änlichen Institutionen. Ich denke inzwischen gibt es im Netz auch reichlich Infos dazu.

Aus eigener Erfahrung kann ich folgendes sagen - ich habe selber vor nicht allzu langer Zeit den TOEFL und den TSE gemacht - das schindet mehr Eindruck, als mein 1jähriger Aufenthalt in USA. Und, wenn meinen potentiellen Arbeitgebern die englische Sprache so wichtig ist, war es bisher sowieso so, dass mindestens 50% des Vorstellungsgesprächs auf englisch waren.

Gruß,

Steph