Unterhaltstitel für Jobcenter nicht bindend?

Inwieweit ist ein gerichtlich erwirkter Unterhaltstitel für die Unterhaltsstelle des Amtes für soziale Sicherung bindend?

Hallo, folgender Sachverhalt:

ein geschiedener Mann wird vom Jobcenter (JC) aufgefordert, gegenüber der Unterhaltsstelle des Amtes für soziale Sicherung die Einkünfte nachzuweisen. Grund:
Die Ex-Frau ist arbeitslos gemeldet und bezieht für sich und das gemeinsame Kind (11 Jahre) vom JC Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Alg II). Er zahlt für das Kind den erhöhten Kindesunterhalt der Stufe II; nach Düsseldorfer Tabelle 291€. Aufgrund eines Gerichtsbeschlusses existiert auch ein Unterhaltstitel, welchen er bei der Unterhaltsstelle einreichte, aber der zuständige Sachbearbeiter möchte trotzdem alle seine Unterlagen sehen, um den Unterhalt nochmal selbst zu berechnen; das Gerichtsurteil sei für ihn angeblich nicht bindend.
Gleichzeitig merkte er an: Sollte seine Berechnung eine kleinere Summe ergeben als die laut Unterhaltstitel, würde sich trotzdem nichts an der Unterhaltshöhe ändern! Sollte der ermittelte Bedarf größer sein, würde der JC aufstocken.
→ Wozu dann die Berechnung der Unterhaltsstelle?

Der Gerichtsurteil ist vom April 2011. Dafür hat der Mann seine kompletten Einkommensverhältnisse mit Abzügen zum bereinigten Einkommen nachgewiesen. Es wurde vom Gericht festgelegt, welche Abzüge gelten, um das Einkommen zu bereinigen.
→ Stimmt das so weit mit der zusätzlichen Berechnung der Unterhaltsstelle, oder wird da was vom Pferd erzählt und die Unterhaltsstelle hat sich an das Gerichtsurteil zu halten bzw. dieses ohne Weiteres zu akzeptieren (womit weder eine Notwendigkeit noch eine Rechtsgrundlage für eine Unterhaltsneuberechnung durch die Unterhaltsstelle bestünde)?

Hallo

Interessant wäre, ob diese Auskunftsanforderung schriftlich und mit Nennung der Rechtsgrundlage und vor allem des konketen Verwendungszwecks erfolgt ist (also nicht nur mit pauschalem Hinweis auf „Auskunftspflicht“ , ohne weitere Begründung.) Und ob darin auch ein Hinweis auf die möglichen Rechtsfolgen enthalten ist, die eintreten können, falls die Auskünfte nicht erteilt werden.-

Das Jobcenter darf zwar grundsätzlich Unterlagen und Auskünfte vom Unterhaltspflichtigen anfordern und die mögliche Unterhaltshöhe (zur Kontrolle) berechnen - und kann dann ggf. vom ALG2-Bezieher verlangen, dass er diesen Unterhalt gerichtlich einfordert (oder das Jobcenter kann ihn selber gerichtlich einfordern). Überprüft wird die Leistungsfähigkeit des UH-Pflichtigen in der Regel zumindest dann, wenn er nicht den Mindestunterhalt zahlt.

Das Jobcenter hat aber keine rechtliche Kompetenz, selber die Höhe des zu zahlenden Unterhalts festzusetzen. Das darf nur das Familiengericht - oder man kann sich außergerichtlich einigen ( bei Kindesunterhalt notariell, oder kostenlos über’s Jugendamt. Dort könnte man ggf. auch die UH-Höhe erneut überpüfen u. neu festsetzen lassen, falls erforderlich…)

Der UH-Anspruch ist ein zivilrechtlicher Anspruch - und falls der Unterhalt bereits rechtskräftig durch ein Familiengericht festgesetzt wurde, sind dafür ja im Vorfeld bereits alle notwendigen Auskünfte erteilt worden, und die entsprechenden Berechnungen sind bereits durch die dafür zuständige kompetente Stelle erfolgt, worauf hin der zu zahlende Betrag festgesetzt wurde.
Die Unterhaltsfestsetzung ist hier zeitlich auch noch nicht so „lange her“ , dass es (ohne einen konkreten Anlass) naheliegend wäre nachzuprüfen, ob sich zwischenzeitlich die Einkommensverhältnisse des UH-Pflichtigen wesentlich geändert haben (wodurch evtl. eine UH-Abänderungsklage in Frage käme).

Nach § 67a Abs. 3 SGB X muss jede Datenerhebung begründet werden. Ein wegen Auskünften angeschriebener UH-Pflichtige könnte z.B. schriftlich Auskunft anfordern, auf welcher Rechtsgrundlage, für welche konkrete Aufgabe und zu welchem konketen Zweck das Jobcenter diese Daten von ihm anfordert - und auf welcher Rechtsgrundlage der bereits vom zuständigen Gericht rechtskräftig festgesetzte zivilrechtliche UH-Anspruch /- betrag für das Jobcenter „nicht bindend“ ist.
(„Bindend“ ist er aktuell schon - aber wie gesagt: Falls sich die Einkommensverhältnisse zwischenzeitlich wesentlich geändert hätten, käme evtl. eine Abänderungsklage in Frage.)

Man könnte aber auch mal beim zuständigen Datenschutzbeauftragten nachhaken, ob (bei einem vorliegenden, erst 6 Monate alten UH-Beschluss eines Gerichts) eine solche Datenerhebung durch das Jobcenter überhaupt (schon) zulässig ist…
http://hartz.info/index.php?topic=4623#p40228

LG

Hallo

Interessant wäre, ob diese Auskunftsanforderung schriftlich

Ja, schriftlich

und mit Nennung der Rechtsgrundlage und vor allem des konketen

Ja, Betreff: Unterhaltsverpflichtung gegenüber … Rechtswahrung und Übergangsanzeige gemäß §33 des SGB II

Verwendungszwecks erfolgt ist (also nicht nur mit pauschalem
Hinweis auf „Auskunftspflicht“ , ohne weitere Begründung.) Und
ob darin auch ein Hinweis auf die möglichen Rechtsfolgen
enthalten ist, die eintreten können, falls die Auskünfte nicht
erteilt werden.-

das Jobcenter leistet für die nachfolgenden Personen … seit 01.09.2011 laufende Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts…

Die Rechstwahrungsanzeige ergeht unter dem Hinweis auf $33 Abs. 3 SGB II.
Die Rechtsübergangsanzeige erfolgt gemäß §33 Abs. 1 SGB II. Die Unterhaltsanspüche gehen auf das JC bis zur Höhe der erbrachten Aufwendungen. Dies bedeutet, dass keine weiteren Unterhaltszahlungen ohne vorherige Absprache mit befreinder Wirkung unmittelbar an die Leistungsempfängerin erbracht werden können.

Dem Sachbearbeiter stehen keine Informationen darüber, dass der Mann den Unterhalt in Höhe von 291 Euro leistet.

In der persönlichen Vorsprache wurde klar, dass die Kindesmutter es doch angegeben hat, allerdings ohne Angabe, dass darüber ein Gerichtsbeschluss existiert.

Auf die Nachfrage über eine wiederholte Notwenigkeit der Neuberechnung, gab der Sachbearbeiter tatsächlich an, dass ein Gerichtsurteil für nicht bindend sei und er es selber berechnen möchte!? Der Titel wäre kein Nachweiß über die Einkünfte des Mannes.

Bis jetzt gab es keine wesentlichen Veränderung an den Einkünften so, dass eine Neuberechnung den selben Unterhaltsbetrag ergeben wird.

LG

Hm…ist für mich so nicht ganz nachzuvollziehen. Leider weiss man aber auch nicht, was sie da wohlmöglich mit der Mutter vereinbart haben…

Die Geltendmachung des UH-Anspruchs muss hier (vom Jobcenter oder der Mutter) jedenfalls nicht mehr „erwirkt“ werden, weil ja bereits ein Titel vorliegt und der Vater auch bereits den titulierten laufenden UH zahlt. (Oder ist der Unterhaltstitel-Betrag höher als das, was der Vater tatsächlich zahlt ?)

http://www.harald-thome.de/media/files/SGB%20II%20DA…
§ 33 SGB II
Übergang von Ansprüchen
(1) Haben Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen anderen, der nicht Leistungsträger ist, geht der Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären.
Der Übergang ist auch ausgeschlossen, soweit der Unterhaltsanspruch durch laufende Zahlung erfüllt wird.

Randziffer 33.31:
_4.3 Sonstige Voraussetzung des § 33 Abs. 2
(1) Nach § 33 Abs. 2 Satz 2 haben laufende Unterhaltszahlungen Vorrang vor dem Anspruchsübergang. Zahlt der Unterhaltsverpflichtete laufend Unterhalt, geht der Unterhalt in dieser Höhe nicht auf die Leistungsträger über, sondern wird als Einkommen angerechnet. _

Und hier WIRD ja anscheinend bereits laufender Unterhalt gezahlt…

Dem Sachbearbeiter stehen keine Informationen darüber, dass der Mann den Unterhalt in Höhe von 291 Euro leistet. In der persönlichen Vorsprache wurde klar, dass die Kindesmutter es doch angegeben hat, allerdings ohne Angabe, dass darüber ein Gerichtsbeschluss existiert.

Kann da vielleicht auch einfach ein (vorsichtig ausgedrückt) „Kommunikationsproblem“ zwischen Jobcenter und Mutter vorliegen ?

Randziffer 33.31:
_Eine laufende Unterhaltszahlung durch den Unterhaltsverpflichteten entbindet nicht von der Prüfung, ob nicht nach den Vorschriften des BGB tatsächlich ein höherer Unterhaltsanspruch besteht (§ 60 Abs. 2 Satz 3). Sofern der Unterhaltsschuldner aufgrund seiner Leistungsfähigkeit zu einem höheren Unterhalt verpflichtet ist, geht der Unterhaltsanspruch auch in Höhe des den tatsächlich gezahlten Unterhaltes übersteigenden Teils auf die Träger der Grundsicherung über. Dies gilt jedoch nur, wenn der Unterhaltsanspruch nicht tituliert ist. Anderenfalls ist die titulierte Höhe des Unterhaltsanspruchs für den Anspruchsübergang maßgeblich. Ggf. ist zu prüfen, ob für die Zukunft eine Titeländerung erreicht werden kann. _

Randziffer 33.50:
(15) Sofern bereits ein Titel vorliegt und die dem Titel zu Grunde liegenden Verhältnisse keine Abänderung erforderlich machen, können die Leistungsträger den Titel zur eigenen Geltendmachung auf sich umschreiben lassen.

Also ich würde ihnen (nachweislich) eine Kopie des Unterhaltstitels zuschicken, zusammen mit den UH-Zahlungsdaten und -beträgen, die vom Vater geleistet wurden, und erklären, dass sich die persönlichen Verhältnisse, die dem Titel zugrunde lagen, seither nicht geändert haben (falls das zutrifft). Und falls von ihnen noch was kommen sollte, für alles Andere zumindest eine vernünftige schriftliche Begründung verlangen.

(…und grundsätzlich eine evtl. Überprüfung des UH-Anspruchs höchstens beim Jugendamt durchführen lassen - nicht vom Jobcenter…)

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