Hallo Oranier,
Ein anderer Fakt ist, dass der „Westen“ Israel des
Existenzrecht unbedingt zuspricht, also auch nicht an
die Bedingung geknüpft, Israel müsse die „besetzten Gebiete“
räumen.
Die Sache scheint mir komplizierter.
Das Völkerrecht kennt keine bedingte völkerrechtliche
(doplomatische) Anerkennung von Staaten. Staaten sind demnach
aufgrund ihrer reinen Faktizität Subjekte des Völkerrechts.
Zugleich ächtet das Völkerrecht militärische Angriffe,
Annexionen und widerrechtliche militärische Besatungen.
Die unbedingte Anerkennung Israels durch die
Völkergemeinschaft und auch durch den „Westen“, das muss man
hier schon der Richtigkeit halber klarstellen, bezieht sich
auf dessen ursprüngliche Konstitution von 1948.
Es ist also möglich und wird völkerrechtlich auch so
gehandhabt, das Existenzrecht Israels unbedingt anzuerkennen
und es gleichwohl aufzufordern, die besetzten Gebiete zu
räumen.
Das ist schon richtig, aber ich habe extra „zusprechen“ gewählt, nicht „anerkennen“, um diese völkerrechtliche Dimension auszublenden.
Mit „unbedingtem Zusprechen“ meine ich nur eines: in voraussehbarer Zukunft wird sich der „Westen“ auch dann nicht grundsätzlich, also auf der Ebene des Existenzrechts, das ich gar nicht völkerrechtlich-formell, sondern eher Haltungs-mäßig meine, gegen Israel stellen. (das heißt nicht, dass er nicht unter Umständen seine Forderungen nach Räumung verstärken wird, zur ultimativen Drohung des Im-Stich-Lassens wird es aber nicht kommen, d.h. hundertprozent an die Bedingung des Räumens wird das Recht auf Existenz nicht gebunden werden)
Deshalb schätze ich Israels Spielraum für fast null ein,
sondern halte es für einen sehr bedauernswerten Spielball in
einem Stellvertreter-Krieg, dessen enorme Kosten Israelis und
Palästinenser gemeinsam bezahlen müssen, den aber keine Seite
beenden kann, noch nicht einmal beide Seiten zusammen.
Diesen historischen Optimismus hätte ich gerne erläutert: Die
Ballspieler sind ja wohl einerseits die USA. Welches Interesse
haben die an der Aufrechterhaltung der Besatzung?
Nein, nicht nur die USA, Europa ganz genauso.
Interesse an der Besatzung wohl in letzter Instanz nur in Bezug auf die Existenzsicherung Israels;
bei der Existenzsicherung Israels kann man nicht von „politischem Interesse“ sprechen, sondern von unausweichlichem An-der-Seite-Stehen (womit ich jetzt nicht weltverschwörerisch ein „jüdisches Wählerpotential“ denke, sondern die Identität des Westens)
Und wer ist
der Gegenspieler mit dem Spielball Palästina? Doch nicht die
SU (!).
ein so ewig-Gestriger bin ich auch nicht 
ich meine natürlich den „Islamismus“;
ich halte es für falsch, den Nahost-Konflikt in Dimensionen von „Staaten“ zu denken;
die Akteure der neuen Weltordnung sind meines Erachtens nicht mehr die Staaten (wenn diese es denn je wirklich waren), sondern „Massen“, welche möglicherweise die Erlangung von Staatsgewalt anstreben, dieser aber nicht bedürfen.
Ich denke, es ist auf Seiten des „Islamismus“ offensichtlich, dass es nicht nur um Palästina geht, sondern um sehr viel mehr, dass aber die Konfrontation mit dem „Westen“ eben da gesucht wird, wo sie am legitimierbarsten und vielleicht siegreichsten scheint, und das ist derzeit Israel/Palästina, nachdem ja die Ent-Kolonisierung, zumindest als rein-politische Ent-Kolonisierung, abgeschlossen ist.
Ich denke also, ganz so leicht ist der Konflikt doch nicht zu
beenden.
Das ist sicher aus mehreren Gründen jetzt richtiger als zu
Zeiten der Blockkonfrontation, u.a. da der Konflikt immer
stärker religiös ideologisiert wird. Religionskriege dauern
hundert Jahre.
Ich sehe es nicht als Religionskrieg, sondern als einen ökonomischen Krieg; warum er in der Gestalt eines Religionskrieges auftritt, hat eine Vielzahl von Gründen, u.a. die Begründung einer (Kampf)Gemeinschaft, also klare wir/andere-Differenzierung, und die Tatsache, dass einem anti-Fundamentalismus nur Fundamentalismus entgegengesetzt werden kann.
Viele Grüße
franz