Hallo fuerte,
ich komme beruflich oft in den spanischen, italienischen und
englischen Sprachraum. Bin also oft in den entspr. Städten der
Großstädte. In keinem Land konnte ich feststellen, daß
fremdsprachliche Inhalte sprachlicher Art, oder in Form von
gedruckten Werbungen so großen Einfluss gefunden haben, wie in
Deutschland.
Im Englischen ist das noch viel mehr der Fall, allerdings nicht in gleicher Weise wie im Deutschen. Deutsche Werbetexte (wenn wir uns nur mal darauf beschränken) benutzen manchmal englische Begriffe oder sind gleich auf Englisch. Das hat viele Gründe, auf die ich nun nicht eingehen möchte. Zwei davon sind z.B. Provokation/Auffallen und (Pseudo-)Internationalität des Produktes.
Englisch ist bereits eine weltweit gesprochene und stark verbreitete Sprache, sie ist diejenige, die einer „internationalen Sprache“ oder Weltsprache noch am nächsten kommt. Englisch hat es kaum nötig, Texte internationaler zu gestalten, zumal die Chance, dass Englisch-Muttersprachler ausländische Begriffe kennen, weit geringer ist als die Chance (fast: Tatsache), dass Deutsch-Muttersprachler englische Begriffe verstehen. Werbetexte sind ja immer sehr stark auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten, deswegen wird Werbung für Treppenlifte und Faltencreme kaum viele englische Neologismen enthalten. Werbung für Computerspiele, Handykram oder McDonald’s dagegen umso mehr.
Gerade Werbesprache ist nun wirklich kein repräsentativer Indikator für den derzeitigen Zustand der deutschen Sprache, wie sie allgemein gesprochen wird. Hinter Aussagen in der Werbung steckt immer eine viel größere Menge an Intention, Überlegung, Spielerei und auch das Ziel ist ein anderes als bei mündlicher Kommunikation. Deswegen kann sich Werbesprache auch so viel herausnehmen.
Zurück zum Englischen: Englisch ist die Sprache schlechthin, die Wörter aus anderen Sprachen stiehlt, dafür aber dann eigene Wörter über den Globus verteilt. Das merkt man vor allem, wenn man etwas zurückblickt: Keine europäische Sprache enthält so viele Lehnwörter bereits in der Alltagssprache als das Englische. Es gibt für fast alle „einheimisch englischen“ Begriffe immer noch ein, zwei Synonyme aus dem Französischen, Lateinischen, Englischen, manchmal Spanischen oder Deutschen. Zur Demonstration entwende ich hier einfach mal einen Facebook-Kommentar eines australischen Freundes und markiere alle Wörter, die nicht ursprünglich direkt aus dem Proto-Germanischen durchs Altenglische ins heutige Englisch kamen, fett:
Listen here, Google: when I do an image search for „blackberry“, it’d be just dandy for you to do your level best to return at least one photo of a fruit , not thirty page s of pictures of Blackberry smart phone s WITH NARY A SINGLE ACTUAL BLACKBERRY amongst them. Fruit lessly yours, &c.
Drei Wörter für praktisch die gleiche Sache („image“, „photo“, „picture“, wobei „photo“ schon eher eine spezielle moderne Sache beschreibt), ein Lehnwort für ein absolut grundlegendes alltägliches Verb („search“), ein genauso alltägliches Adverb bzw. eine Partikel („just“), die Benutzung von „level“ hab ich nicht ganz verstanden, aber es ist natürlich auch ein Lehnwort, ein Lehnwort für eine Sache die benannt werden muss, seit es Bücher gibt („page“), zwei Lehnwörter für eher moderne Sachen („phone“ und ich wiederhole noch mal „photo“ von oben), zwei völlig gewöhnliche Adjektive („single“ und „actual“) und am Ende eine sehr übliche Abkürzung („etc.“).
Dagegen meine relativ wortgetreue Übersetzung mit den gleichen Markierungen für Lehnwöter („Google“ und „Blackberry“ sind dabei Produktnamen, fallen daher raus; der Text macht natürlich nicht mehr so viel Sinn, weil „Blackberry“ nicht mehr homonym zu „Brombeere“ ist):
Hör mal, Google: wenn ich eine Bildersuche nach „Brombeere“ mache, wäre es echt cool , wenn du dein Bestes gäbest um wenigstens ein Foto einer Frucht und nicht dreißig Seiten mit Bildern von Blackberry- Smartphone s UND KAUM EIN EINZIGE WIRKLICHE BROMBEERE darunter, auszugeben. Frucht los, dein … usw.
Es sind also im Deutschen viel weniger Lehnwörter. Eins davon ist wirklich ein Neologismus, obwohl sicher auch schon über 30 Jahre in Deutschland zuhause („cool“), eins davon ein so altes Lehnwort, dass man es nicht merkt („Frucht“), dann ein sehr spezifisches Wort für ein neuartiges Gerät („Smartphone“ ist auch schon fast eine Produktbezeichnung) und schließlich ein altes etabliertes Lehnwort aus dem Griechischen („Foto“).
Ich habe den Text einfach frei übersetzt. Man könnte natürlich hier extra Lehnwörter suchen, z.B. „Optimum“ statt „Bestes“ oder vielleicht „REALE“ statt „WIRKLICHE“, dann würde der Text aber leicht gekünstelt klingen. Versuch mal, im Englischen ur-englische Synonyme für „single“, „image“ bzw. „picture“, „page“ oder „search“ zu finden. Sogar fürs Deutsche könnten wir „Frucht“ noch mit „Obst“ ersetzen, was im Englischen nicht klappt.
Wenn ich nun unsere deutsche Umgangssprache aktuell betrachte
bzw. anhöre, so ergibt sich der Eindruck, daß die deutsche
Sprache nicht mehr ausreicht, um eine Aussage zu machen.
Das scheint im Englischen schon seit 1000 Jahren der Fall zu sein. Versuch mal, ein Alltagsgespräch ohne Lehnwörter im Deutschen zu führen. Das geht, da muss man manchmal überlegen, aber man kriegt das hin.
Versuch das gleiche mal auf Englisch: das dürfte sehr lustig werden, da du nicht mal „because“ sagen dürftest. Google mal nach „Anglish“ — das ist eine (nicht ganz ernst gemeinte) Plansprache, die versucht, für jedes Lehnwort im Englischen einen rein englischen Begriff zu finden.
Meine Frage ist daher, weshalb ein Land - in diesem Fall das
Volk von Deutschland - es nötig hat, diese fremdsprachlichen
Inhalte in seine doch ausdrucksvolle Sprache zu integrieren?
Danke für die Antwort.
Jede Sprache ist ausdrucksvoll. Und praktisch jede Sprache entlehnt Wörter. Auch das Spanische (viel aus dem Arabischen, einiges aus dem Baskischen, z.T. aus Englisch, dann wieder neuere Wörter aus Latein und Griechisch usw.; in Amerika auch aus den lokalen Sprachen).
Beim Englischen sieht man gut, dass die Sprache durch so viele Entlehnungen sogar noch an Ausdruckskraft gewinnt. Es gibt feine Unterschiede zwischen den scheinbaren Synonymen: „image“ und „picture“ ist nicht immer identisch, im Deutschen ist „suchen“ und „recherchieren“ auch nicht gleich. „Cool“ ist weder gleichbedeutend mit „lässig“, „schön“ noch „kühl“. Auch die vermeintlich sinnlosen Anglizismen wie „Event“ (was eben nicht identisch mit „Ereignis“ ist) beschreiben etwas, das man nicht mit einem deutschen Wort beschreiben könnte, da der semantische Raum im Deutschen teils von weitergefassten Wörtern, teils von engeren Wörtern belegt ist.
Man kann die Wörter einer Sprache nicht wirklich objektiv zählen, aber es ist gar nicht abwegig zu sagen, dass das Englische mehr Lexeme hat als z.B. das Spanische oder Deutsche, eben weil es so massiv aus anderen Sprachen entlehnt und sich so viele Lehnwörter bereits etabliert haben (anders z.B. als viele kürzlich entlehnte Anglizismen im Deutschen). Und diese Lexeme im Englischen sind eben oft sogenannte near synonyms, und es gibt kleinste Unterschiede dazwischen, die sehr genaue Beschreibungen zulassen.
Die häufig nachgeplapperte Behauptung, Englisch sei eine so ungenaue Sprache, ist völlig unhaltbar. Aber wenn du viel in Europa unterwegs ist, weißt du das sicher.
Mein Fazit: Entlehnte Wörter sind wirklich nicht so sinnlos und schädlich, wie man meinen mag. Denkt man mal weiter drüber nach, wird einem bewusst, wie sowas passiert und wie die deutsche Sprache oder das Verständnis eben nicht darunter leiden können.
Grüße,