Zuhören, Emotionen trösten - nicht immer die Wahrheit suchen wollen
Hallo brenna,
ich gehe überwiegend mit Simsy konform.
Ich habe es anfangs genauso gemacht wie du, gefragt, was los was, und was er denn gemacht hat, also versucht, seinen Anteil des Streites heraus zu finden. Ziel war, ihm zu zeigen, dass die anderen nicht immer die Bösen sind. Der Schuss ging ziemlich nach hinten los.
Mein Sohn ist nicht von der „ach ich bereue meine Lüge so sehr“-Fraktion, wie scheinbar einige Kinder hier in anderen Artikeln. Er versucht sich auch immer bestmöglich darzustellen, auch wenn er bockmist gebaut hat.
Irgendwann mit 5 Jahren, als ich mich über jemanden aufregte und vor mich hin schimpfte und richtig ärgerlich war, erzählte ich es ihm. In der Hoffnung, Verständnis für meine Situation zu bekommen (kindgerecht, also kein Familiendrama oder so).
Seine Reaktion war bilderbuchmäßig: „Und was hast DU dabei gemacht? Wo liegt denn DEIN Anteil daran?“ hm, das nahm mir erstmal allen Wind von den Segeln.
Ich habe gemerkt wie doof es ist, wenn ich einfach nur etwas erzählen möchte, was mich ärgert, und der andere scheint meinen Frust gerade nicht ernst zu nehmen, bzw. versucht ihn zu schmälern, indem er (was ja aber doch irgendwo richtig ist, aber gefühlsmäßig halt doof) die Ursache bei beiden Beteiligten sucht - so wie ich bei ihm ja immer…
Seitdem, wenn er sich über andere Kinder bei mir auslässt, sage ich „aha, oh, wenn das so ist, ist das aber echt gemein… DAS hat er gemacht? Und die Anderen?“ Es geht wie Simsy sagt, nicht primär darum einen „Schuldigen“ zu suchen und Sanktionen auszuüben. Manchmal ist es sinnvoll Situationen mit den beteiligten Kindern durchzugehen, aber in der Regel sind das normale kleine Frustereien, die einfach mal nur raus müssen. So wie man sich die Zimtzicke von Sekretärin am anderen Ende der Leitung einfach nur mal ärgern möchte. Man möchte nicht mit ihr ein klärendes Gespräch über das affektierte Telefonat, man möchte sich manchmal einfach nur „auskotzen“ und verstanden werden. Und so ist das bei Kindern auch. Sie möchten einfach nur mal Frust raus lassen über ihre Gefühle.
Ob ich jetzt am Telefon ziemlich aufdringlich war, möchte ich selbst nicht hören (das Telefonat ist ja eh Geschichte) ich möchte einfach nur hören, dass die Sekretärin doof ist und ich mich nicht weiter ärgern soll…
Ich versuche nun einfach, den Erzählungen meines Sohnes zuzuhören, ich denke mir meinen Teil, indem ich den Wahrheitsgehalt irgendwo in der Mitte ansetze, tröste ihn in seinen Emotionen. Ich versuche zwar immer noch herauszufinden, was wirklich war, aber nicht mehr, indem ich ihn konfrontiere mit eventueller Unwahrheiten, sondern dass er mir die Situation vorher noch schildern kann, was davor gewesen ist, ob diese „Gemeinheit“ denn einer seiner Freunde mitbekommen hätte und ihm geholfen hätte. Da kommt manchmal doch dann ehrlicher heraus „na, ich hab seinen Stift weggenommen“… „aha, hat er sich darum geärgert und dich geschubst?“ „Ja, aber ich hab den ja nur weggenommen, weil er ihn dem Felix nicht geben wollte und der brauchte den grad, nur um eine Sache zu malen.“ oh, warum wollte er ihn ihm denn nicht geben??" „na, weil Felix ihn ausgelacht hat, als er auf dem Schulhof gestolpert ist“… Kinder erkennen die Reaktionsketten nicht unbedingt als Ursachen, aber als Mutter muss man da auch nicht mit wehenden Fahnen sein Kind verteidigen wie ein Löwe.
Kinder kennen die Regeln des Miteinanderns schon recht gut in dem Alter und können manchmal schon sehr reflektiert erzählen „und dann habe ich gesagt, dass er das nicht tun soll, weil mich das stört“ kommt dann als seine Reaktion, die ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wenn er geärgert wurde 
Aber inzwischen lasse ich es so stehen, oder ich sage „aha - ja, die Antwort war sicher klug, ich wäre vermutlich doch auch etwas ärgerlich deswegen gewesen…“ Den tatsächlichen Situationsablauf wird man bei Kindern vermutlich eh nie richtig abrufen können, die emotionale Wahrnehmung übermalt bei jedem Kind oft einen Teil der Realität, dass man von 5 Kindern 5 verschiedenen Hergänge bekommt, bei dem jedes Kind nach seiner Schilderung sicher richtig gehandelt hätte 
Wenn nun Situationen sind, wo mich andere Mütter ansprechen, stelle ich mich nicht auf eine Seite (warum auch, ich war doch nicht dabei), sondern sage, dass ich mit Julian mal reden werde um ihn zu fragen, wie es gewesen sei. Aber das kam Gott sei Dank nicht wirklich oft vor, weil die Familien, mit denen wir öfter Kontakt haben genau wie ich der Meinung sind, dass die Kinder ihr Untereinander selbst klären müssen.
Wir können nur Anstöße geben, aber nicht die Situation für die Kinder klären. Wenn es etwas wirklich Wichtiges ist, sollte man die Kinder gemeinsam fragen, dann können sie sich gegenseitig die Situationen nochmal ins Gedächtnis rufen und gegenseitig korrigieren.
Versuch mal, deinem Sohn relativ „Schuldsuchend“-frei zuzuhören. Möchte er sich einfach nur den Frust von der Seele reden? Da ist zuhören und trösten manchmal einfach nur das Beste. Er muss nicht immer einsehen, dass er da besser hätte handeln können. Er ist ein Kind, er reagiert wie ein Kind, emotional, impulsiv, situativ nicht unbedingt erwachsen wünschenswert, aber hallo… er ist ein Kind! Er darf das, und er darf von Mama einfach nur Verständnis für seine Emotionen bekommen. Warte nicht, bis er dich mal fragt, wo dein Anteil an einem Streit liegt
Das kommt ganz schön blöde *g*
lg, Dany