Verortung von "gedeut"?

Liebe Dialektiker,

vor wenigen Tagen habe ich von einem Duisburger und dem Namen auf „-hoff“ nach indigenem Westfalen, dessen Vorväter offenbar in der Gegend lebten, bevor mit der Abteufung der großen Schächte die Namen Ohibsky, Kulinski, Bojanowski, Korbginski (und natürlich auch Schimanski) usw. zur Entstehung der echten Rasse im Pott führten, die Worte vernommen „wenn ich nur wüßte, wo ich das hingedeut habe“.

Das wäre an sich nichts Verwunderliches, aber im selben Moment fiel mir ein, dass meine aus Schläbbisch aka Bergisch Gladbach gebürtige Gattin just dieses Verb mit dieser Form auch verwendet, allenfalls mit einem -ge-, das ein wenig stärker zum -je- hinklingt.

Sollte hier tatsächlich eine Verbform eens ohne Visum die Benrather Linie überschritten haben und gleichermaßen bei den ober- und niederdeutschen Anrainern letzterer gebraucht werden?

Für erhellende Hinweise dankt

MM

Hallo MM,

meine Fundgrube der Ruhrorter Mundart (Fritz Fülling: „Friedachs wor Baadedach“ - Ruhrorter Mundart - Wörterbuch, Redewendungen und Geschichten - ISBN: 3-88474-826-2) sagt dazu:

„deue = drücken, schlagen - Spruch: Do kass mei ens de Nacke deue (Du kannst mir mal den Nacken drücken) - soll heißen: Ich mache noch lange nicht alles, was du willst. Du bist mir egal)“

Aus dem Siegerland kenne ich den Begriff „deuen“ für „schlagen, eine Beule verpassen“ (einen Deu) durchaus noch im täglichen Umgangs-Sprachgebrauch.

Ich hoffe, ich konnte helfen!

Herzliche Grüße

Helmut

Ich kenne „gedeult“ bzw. „gedault“. „Dou kreest gleisch een gedault“ sagt der Eifeler, der einen Disput handgreiflich beenden möchte (mit und ohne das „l“). Er benutzt das Wort auch, wenn er einen Gegenstand sucht: „Wu han eisch daat näs higedau(l)t“. „gedeult“ in ähnlicher Bedeutung, auch jemanden mit dem Ellenbogen in die Rippen deulen, muss ich aus meiner Kindheit in Duisburg behalten haben. Vielleicht kannst Du damit etwas anfangen.
Gruß,
Eva

Hallo Eva,

das wird damit ja noch spannender: Ich hatte A. und ihre Geschwister nochmal für jenen östlichen Ableger Kölns befragt, einhelliges Ergebnis war, das Schläbbicher „deuen“ sei zwar auch mit Gewalt verbunden, bedeute aber sowas wie „grob, heftig werfen, schleudern“ (so wie es auch der eingangs zitierte Duisburger verwendet), während die von Helmut zitierten Bedeutungen eben die Richtung „schlagen, drücken, hauen“ anzeigen.

So glaubte ich eine Trennung zwischen den ripuarischen und den südniederfränkischen Dialekten gefunden zu haben, die es ja schandenhalber schon geben sollte - das wären diese Dialekte der Bedeutung der zwischen ihnen verlaufenden Grenze schuldig.

Tschä, und jetzt drehst Du das auch wieder um. Bist Du denn ganz sicher, dass Du aus der Eifel stammst, und nicht vielleicht doch aus dem Hohen Venn oder sonstwelchen limburgischen Gebieten? Das würde alles vereinfachen!

Schöne Grüße

MM

Hallo Helmut,

die gewaltsame Handlung ist hier wohl das verbindende Element; ich hätte mir das so hübsch zusammengereimt (vgl. Antwort an Eva), dass das Kölner „jedeut“ eben „geworfen, geschleudert“ heißt und das Duisburger „gedeut“ eigentlich „geschlagen, gehauen“ bedeutet, und der zitierte Duisburger (mit einer Gattin aus Hannover gesegnet und an der Grenze der Kurpfalz zum hessischen Ried hin arbeitend) hätte sich hier schlicht vergriffen und der ripuarischen Bedeutung angepasst.

Aber so bequem passt das dann nicht zusammen. Vielleicht ist die Kernbedeutung ja schlicht „etwas mit Gewalt tun“, und wie und was man da genau tut, bleibt offen. Haben die schwarzen Männer, mit denen Du früher zu tun hattest, denn nicht vielleicht mal einen Abstich „gedeut“? Das wäre eigentlich schön und könnte wenigstens da einen plausiblen Bogen herstellen, aber ich glaube, das ist auch schon wieder zu einfach gedacht.

Schöne Grüße

MM

Hallo!
Ich bin in Minden/Westfalen geboren und über Meiderich in die Eifel geraten. Der Familien-Idiolekt wurde geprägt von den 1911/1912 geborenen Eltern, die aus Hannover bzw. erst West- dann Ostpreußen stammten :smiley:

Als Jüngste der Familie weiß ich nicht mehr ganz genau, woher Teile meines Wortschatzes stammen, aber mein Mann -waschechter Bitburger - bestätigt mir das mit dem dauen/daulen, das ich von meiner Schwiegermuter hörte.
Gruß,
Eva

Hallo MM,

ich war diese Woche beim alljährlichen Pensionisten-Treff mit Siegerländer Kollegen - reich an Alter und Erfahrung.

Bei dieser Gelegenheit habe ich Deine spezielle Frage angesprochen.

Es kristallisierte sich heraus, dass den Siegerländer Walzern nur in einem Zusammenhang der Begriff „gedeut“ vertraut war, nämlich als Bezeichnung für das Einbringen mit Hand und Zange (zu mehreren) des warmen Knüppels in das „Trio“ (3-Walzen Tafelblech-Walzwerk) zum ersten „Stich“ (das ist der erste Walzgang, der immer zwischen Unter- und Mittelwalze stattfindet).

„Dä/dat Knüppel wett innet Trio gedeut“

Weitere Verwendungen - zumindest im Stahlbereich - waren nicht zu eruieren.

Herzliche Grüße

Helmut

1 Like