Grundsätzliches zur Linken
Hallo,
wie immer kochen bei diesem Thema die Emotionen. Deshalb versuche ich mal, ohne zynische Spitzen den kalten Kriegern gegenüber die Existenz der Linken zu erklären.
Zuerst war da die Wende, und in den neuen Bundesländern gab es immer noch Leute, die sich durch das politische Angebot aus Bonn nicht angesprochen fühlten, sei es durch ihr Bedauern über den Untergang der DDR und ihres privilegierten Lebens dort, oder sei es durch ihre Erziehung in einem sozialistischen Land. Diese Leute bildeten und wählten dann die PDS, und im Laufe der Jahre kamen alle dazu, deren Leben die aus der DDR gewohnte Stabilität verloren hat.
Es folgten Jahre, in denen das Land nicht wie versprochen blühte, und ein gewisses Ostzusammengehörigkeitsgefühl der Abgrenzung gegenüber den Wessis entwickelte sich, und damit zusammen stabilisierte sich die PDS.
Dann kam Schröder und die Arbeitsmarktreformen, und auf einmal konnte sich die arbeitende Unterschicht nicht mehr so richtig von den faulen Säcken, den Sozialhilfeempfängern abgrenzen. Dies und der Wandel des Arbeitsmarktes hin zu Zeitarbeit und prekären Arbeitsverhältnissen, von der diese arbeitende Unterschicht besonders betroffen war, führte dazu, dass sie sich von ihrer alten Stammpartei nicht mehr so recht vertreten fühlte.
Auch Teile der SPD fühlte sich unter dem Genossen der Bosse nicht mehr so richtig heimisch und desertierte. Und diese Abspaltung dachte sich: Warum eine Splitterpartei links von der SPD im Westen und eine im Osten, beide auf Bundesebene ständig von der 5%-Hürde bedroht?
Es macht doch viel mehr Sinn, sich zusammen zu tun und die Kräfte zu bündeln. Und Schwups, hatten wir eine neue Partei auf Bundesebene.
Die Linke ist eine zwangsläufige Entwicklung der Parteienlandschaft. Der oben genannte wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel hat halt eine Antwort auf politischer Ebene erfordert. Die SPD konnte sie nicht mehr ansprechen, und die CDU wollte lieber mit den Marktfundamentalisten kuscheln.
Die Existenz der Linken sollte jeder akzeptieren, jedenfalls jeder, der an die Demokratie und ihre Spielregeln glaubt. Die Linke ist der Vertreter derjenigen, die durch den Rechtsruck der SPD unter Schröders Kanzlerschaft ihre Heimat verloren haben. Ohne die Linke würden sie sich nicht mehr an der Demokratie beteiligen, und durch grosse Teile unserer Gesellschaft, die eine Demokratiemüdigkeit oder gar Feindlichkeit entwickeln, wäre niemandem gedient.
Seht die Linke doch einfach politiktheoretisch als Werkzeug eines Teils der Gesellschaft, mit dem dieser Teil seine Interessen im politischen Ringen durchzusetzen versucht. Dabei ist sie wie jede andere politische Interessenvertretung zuallererst von ihrem Stimmenanteil abhängig und hat nur diesem Stimmenanteil gemäß politischen Einfluss. So gesehen ist die Linke auch nicht schrecklicher als die marktfundamentalistische Partei, die sich frecherweise in die lange Tradition deutscher Liberaler stellt.
Grüsse
Jörg