Verzeichnis Gemeindemitglieder nach Konfession?

Hallo zusammen,

ich weiß nicht, ob ich hier richtig bin, denke aber schon, das Forum trifft mein Thema am Ehesten.

Folgende Frage: Haben die Kirchen bzw. die ihnen zugeordneten Einrichtungen wie Kindergärten, Krankenhäuser usw. eigentlich Zugriff auf Verzeichnisse (bzw. werden überhaupt solche Verzeichnisse geführt), aus denen hervorgeht, welche Gemeindemitglieder welcher Konfession angehören, wer Kirchensteuer zahlt und wer ausgetreten ist o.ä.? Dass sie wissen, wer in der eigenen Gemeinde geboren und getauft wurde, ist klar, aber wissen sie auch, wer dann später aus der Kirche ausgetreten ist, oder wenn jemand neu in eine Gemeinde zieht, wird dann auch erfasst, welche Konfession er hat und welcher Kirchengemeinde er mit seinem Zuziehen zugehört o.ä.?

Ich frage, weil bei uns gerade Kindergarten-Anmeldezeit ist, und eine Bekannte sagte mir nun, sie würde bei den Anmeldungen einfach lügen, bei einem evangelischen Kindergarten gibt sie sich und ihren Mann als evangelisch an, bei einem katholischen als katholisch und bei einem städtischen als konfessionslos, um so bessere Chancen auf einen Kindergartenplatz zu bekommen. Sie meint, die können das nicht prüfen,ob es stimmt oder nicht, aber ich kann mir das nicht vorstellen.

LG
Claudia

Hallo,
ja und nein.
Den Kirchengemeinden wird von der Meldebehörde mitgeteilt, wenn Mitlglieder ihrer Konfession zu- oder wegziehen oder austreten.
Über die Mitglieder anderer Konfessionen wird ihnen nichts mitgeteilt.
Gruß
Werner

Tach Claudia,

als ich noch aktiv war, ging das so vor sich:
Die Meldebehörden schickten ihre Daten an das RKD - Rechenzentrum für Kirche und Diakonie -, das bereitete die Daten auf, denn das RKD arbeitete nicht nur für die Rheinische Kirche, sondern für eine ganze Reihe anderer Landeskirchen auch noch.
Einmal im Jahr kam eine große Liste mit allen Gemeindegliedern; wenn sie mit einem Ehepartner einer anderen Konfession verheiratet waren, stand der, wiewohl nicht evangelisch, mit in der Liste.
Diese Liste enthielt Namen, Adresse, Geburtsdatum, Familienstand

Tauf-, Konfirmations- und Trauungsdatum standen nicht drin.

Jedes Vierteljahr kam dann eine Ergänzungsliste mit Zuzügen, Wegzügen Todesfällen, Geburten.

Ich vermute, daß sich an diesem Prinzip nichts geändert hat.
Deine Bekannte mag also lügen - wenn der Pfarrer in seiner Liste nachguckt (und das haben wir als Betreiber eines Kindergartens immer getan, wenn wir die Konfession nicht ohnehin wußten), fliegt sie auf.

Und dann hat sie verdammt schlechte Karten!

Gruß - Rolf

Folgende Frage: Haben die Kirchen bzw. die ihnen zugeordneten
Einrichtungen wie Kindergärten, Krankenhäuser usw. eigentlich
Zugriff auf Verzeichnisse (bzw. werden überhaupt solche
Verzeichnisse geführt), aus denen hervorgeht, welche
Gemeindemitglieder welcher Konfession angehören, wer
Kirchensteuer zahlt und wer ausgetreten ist o.ä.?

Ja das haben sie.

Zum einen die Kirchenbücher. Hier werden alle „Amtshandlungen“, das sind Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten, Beerdigungen sowie die Ein- und Austritte verzeichnet, die in einer Gemeinde stattfinden. Diese Kirchenbücher werden sogar mit einer besonderen Tinte geführt, die auch nach über 100 Jahren nicht verblaßt. Sie müssen fachkundig archiviert werden, so daß die Originale, die bei alten Gemeinden locker 500 Jahre und älter sind, erhalten bleiben. Heiratet z.B. jemand außerhalb der eigenen Gemeinde, wird die Amtshandlung in der Regel doppelt erfaßt: Am Heiratsort und in der Heimatgemeinde.

Daneben gibt es die Gemeindegliederlisten. Je nach Kirche liegen sie in Papierform oder als Datensatz auf dem Computer vor. Über die Melderegister der Kommunen (also Stadt, Marktgemeinde…) werden die Umzüge an die Kirchen gemeldet. Somit kann jedes Pfarramt nachvollziehen, wer zur Kirchengemeinde gehört - und wer nicht.

Was für die Kirchengemeinde natürlich nicht nachvollziehbar ist, sind Daten von Personen, die nicht zu ihr gehören (weil sie z.B. einer anderen Glaubensgemeinschaft angehören). Der katholische Kindergarten kann also nur nachvollziehen, ob ein angemeldetes Kind und seine Eltern katholisch sind, nicht aber ob sie ggf. evangelisch wären, ausgetreten…

Der Versuch, bei der Kindergartenanmeldung zu schummeln, dürfte also - zumindest wenn der Kindergarten darauf Wert legt - fehlschlagen. Außerdem gibt es in manchen kirchlichen Einrichtungen Belegungsquoten: ein bestimmter Teil der Plätze wird z.B. gerade an Bewerber, die nicht zur Gemeinde gehören, vergeben. Je nach Gegebenheiten vor Ort finden auch Absprachen der Kindergärten (zu allen möglichen Fragen, z.B. gemeinsamen Veranstaltungen…) statt, bei denen solche Versuche gelegentlich auch auffliegen. Der Schuß kann also u.U. gehörig nach hinten losgehen :wink:.

Gruß, Martinus…

Guten Tag Claudia,

das wäre ja noch schöner, wenn selbst der Pfarrer nicht mehr wüsste, wer in seiner Gemeinde zu seinen Schäfchen zählt und wer nicht.

Ich bin bei einem Pfarramt als Sekretärin beschäftigt und
genauso wie Rolf es beschrieben hat ist es auch bei uns in der Landeskirche von Kurhessen-Waldeck: Zweimal im Jahr bekommt das Pfarramt vom Kirchenkreisamt einen Bestand über die evangelischen Mitbürger der Gemeinde. In diesen Meldungen ist die Adresse, das Geburts-, Tauf-, Konfirmations- und Traudatum ersichtlich. Ist ein evangelisches Gemeindeglied mit einem konfessionslosen oder andersgläubigen Partner verheiratet, entfallen bei diesem die Daten. Jeden Monat bekommt das Pfarramt eine Änderungsmeldung zur Erneuerung des Einwohnerbestands.

Gruß von der
kleinen Göre

Hallo Claudia
Du berührst mit Deiner Frage einen relevanten wie sensiblen politischen Bereich. Als 1984 die Volkszählung von uns wissen wollte, we3lcher Religion wir zugehören, habe ich diese Frage nicht beantwortet, jedenfalls nicht mit Ankreuzen. Vielen von uns war damals durchaus bewusst, dass die Nazis mit ihrer Volkszählung in den 30er Jahren heraus bekamen, wo die jüdischen Mitbürger steckten.
Gruß,
Branden

Hallo Claudia,

Folgende Frage: Haben die Kirchen bzw. die ihnen zugeordneten
Einrichtungen wie Kindergärten, Krankenhäuser usw. eigentlich
Zugriff auf Verzeichnisse (bzw. werden überhaupt solche
Verzeichnisse geführt), aus denen hervorgeht, welche
Gemeindemitglieder welcher Konfession angehören, wer
Kirchensteuer zahlt und wer ausgetreten ist o.ä.?

Ja, wissen sie. Ich weiß zwar nicht wie, aber ich habe jedenfalls einen Anruf von unserem Pfarrer bekommen, als ich damals aus der Kirche ausgetreten bin. Der wollte wissen warum. Na gut, das habe ich ihm erklärt, und da es ja bei mir nicht wegen des Geldes war, hatte er auch kein Problem damit. (Hätte mich sonst auch gewundert - es war nämlich ein sehr netter Pfarrer.)

Schöne Grüße

Petra

o.t. zum politischen System
Hallo Branden,

Leidenschaft im Wissenschaftsbetrieb lodert immer auf, wenn es mal wieder ein Kollege wagt, DDR und NS-Staat zu vergleichen. Darüber lässt sich ja auch trefflich streiten.

Aber Du willst doch nicht allen Ernstes die Bundesrepublik mit dem 3. Reich gleich setzen?

Vielen von
uns war damals durchaus bewusst, dass die Nazis mit ihrer
Volkszählung in den 30er Jahren heraus bekamen, wo die
jüdischen Mitbürger steckten.

Nur weil es immer noch Volkszählung heißt, ist es eben doch ein anderer Staat. Oder - um den unseligen Witz von Schmidt&amp:stuck_out_tongue_winking_eye:ocher aufzunehmen - meidest Du auch das Fahren auf der Autobahn? Das wäre konsequent!

Fragende Grüße,
Andreas

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Hallo Branden,

unabhängig, wie man zu den von Dir genannten Volkszählungsaktivitäten steht: Die Nazis haben über die Kirchenbücher herausgefunden, wer welchen Status hatte. Es gab genug evangelische Pfarrer, die sich dem System andienten und entsprechende Recherchen machten.

Wessen Status nicht über die Kirchenbücher zu eruieren war, der / die wurden zum Zentralarchiv der Juden in Deutschland geschickt. Dort waren die Mitglieder aller jüdischen Gemeinden erfaßt - auch der zu dieser Zeit bereits aufgelösten Landgemeinden.

Viele Grüße

Iris

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Ja, wissen sie. Ich weiß zwar nicht wie, aber ich habe
jedenfalls einen Anruf von unserem Pfarrer bekommen, als ich
damals aus der Kirche ausgetreten bin…

Naja, wie bereits mehrfach geschrieben: Diese Daten werden den Kirchengemeinden regelmäßig von der Kommune mitgeteilt. Gerade beim Austritt, den man ja nicht im Pfarramt sondern auf dem Einwohnermeldeamt vollzieht, ist es auch gar nicht anders machbar.

Gruß, Martinus…

Hallo Andreas

Aber Du willst doch nicht allen Ernstes die Bundesrepublik mit
dem 3. Reich gleich setzen?

Keineswegs.
Da würdest DU (nicht ich) das Kind mit dem Bade ausschütten. Es geht aber um die Missbrauchs-Möglichkeiten von solchen Fragen, wie der der Religionszugehörigkeit, in Relation zu dem, was man damit Relevantes für die Gesellschaft herausbekommt. Ich denke, die religiöse Frage is eine sehr private, ich möchte fast sagen: intime, und die geht die Verwalter des Staates in meinen Augen wenig an.
Gruß,
Branden

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Ich denke, die religiöse Frage is eine sehr
private, ich möchte fast sagen: intime, und die geht die
Verwalter des Staates in meinen Augen wenig an.

Ja und nein.

Grundsätzlich ist es natürlich richtig, daß Religion eine Privatsache ist.

Aber…
…Religion oder allgemeiner Weltanschauung spielt im gesellschaftlichen Leben eine Rolle (weil sich der persönliche Glaube immer irgendwie auf das Handeln eines Menschen auswirkt - egal was der Mensch nun konkret glaubt).
…eine Kirche (genauso wie Gewerkschaft… wer auch immer), die einen großen Teil der Bevölkerung vertritt, wird bei öffentlichen Themen ganz anders wahrgenommen, als irgendeine kleine Gemeinschaft, die zahlenmäßig nicht wirklich ins Gewicht fällt.
…der Staat unterstützt Religionsgemeinschaften an verschiedener Stelle (weil sie z.B. soziale oder diakonische Aufgaben übernehmen, die eigentlich Sache des Staates wären). Auch da ist es interessant, zu wissen, wie groß sie wirklich sind.

Insofern hat der Staat schon ein berechtigtes Interesse, abschätzen zu können, wie viele Menschen der einen oder anderen Religionsgemeinschaft zugehörig sind. Im Gegenzug ist es gerade für die großen Verbände auch sinnvoll, wenn der Staat weiß, wie stark sie sind (klar - für kleine Gruppen, die objektiv gesehen keine große Rolle spielen, ist es eher umgekehrt *g*). Je nach Zuverlässigkeit der Gruppe, würde ich mich als Staat u.U. auch nicht alleine auf deren eigene Angaben verlassen; da der Staat hier aber neutral sein muß, muß er grundsätzlich alle fragen, und nicht nur die, bei denen er Zweifel hat.

So gesehen ist es verständlich, wenn sich der Staat für solche Zahlen interessiert - auch wenn es heikel ist und bleibt.

Gruß, Martinus…

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Hallo Claudia

Ob sie es prüfen könnten ist zweierlei. Sie werden es nämlich aus zeitgründen und vertrauensgründen nicht prüfen, nehme ich an.
Der moralische Aspekt beurtiele ich nicht, der ist etwas ganz anderes.

Gruss
Beat

Kein moralisches Problem

Der moralische Aspekt beurtiele ich nicht, der ist etwas ganz
anderes.

Da sowieso das Geld für ALLE Kindergärten aus der Öffentlichen Hand, sprich meinen Steuergeldern kommt, hätte ich da überhaupt kein schlechtes Gewissen. Die 3 % Zuschuss (lt. einer Statistik) aus kirchlichen Töpfchen sind da auch nicht maßgeblich.

Gruß

Stefan

Der moralische Aspekt beurtiele ich nicht, der ist etwas ganz
anderes.

Da sowieso das Geld für ALLE Kindergärten aus der Öffentlichen
Hand, sprich meinen Steuergeldern kommt, hätte ich da
überhaupt kein schlechtes Gewissen. Die 3 % Zuschuss (lt.
einer Statistik) aus kirchlichen Töpfchen sind da auch nicht
maßgeblich.

Es sind immerhin 3%. Wichtiger aber ist Du nimmst dann bewusst einem der ehrlich ist einen Platz weg. Anders gesagt, der Ehrliche wird bestraft. Is dieses Signal positiv?

Gruss
beat

Hallo Branden,

sicher ist das ein sensilbes Thema, aber es relativiert sich, wenn man weiter denkt.

Für die Nazis war die Religonszugehörigkeit interessant. Die sortierten nach Jude / Nicht-Jude. Aber wer weiß was für den nächsten, der böses im Schilde führt, interessant sein wird, nach was dann sortiert wird.

Der Staat findet die, die er finden will, auch ohne Volkszählung. Die Stasi hat gezeigt wie das geht.

Gruß Steffi

Da sowieso das Geld für ALLE Kindergärten aus der Öffentlichen
Hand, sprich meinen Steuergeldern kommt, hätte ich da
überhaupt kein schlechtes Gewissen. Die 3 % Zuschuss (lt.
einer Statistik) aus kirchlichen Töpfchen sind da auch nicht
maßgeblich.

Wie schon gesagt: Auch die 3% müssen gezahlt werden - und bei einem größeren Kindergarten kann es da schnell um höhere Beträge gehen! Spannender als die laufenden Kosten sind aber oft die Vorschußleistungen des Trägers (Grundstück, Bau…) und indirekte Kosten, die mit der Personalverwaltung usw. anfallen. Die werden bei solchen Rechnungen (nicht immer, aber) gerne übersehen.

Gruß, Martinus…

Hallo Steffi

Der Staat findet die, die er finden will, auch ohne
Volkszählung. Die Stasi hat gezeigt wie das geht.

Da stimme ich Dir allerdings uneingeschränkt zu.
Allein die DDR-Folteropfer, die ich ärztlicherseits betreut habe, sprechen da Bände. Die Stasi hat großenteils nicht nur die Methoden, sondern sogar die alten Geräte der Nazis übernommen, z.B. Röntgengeräte hinter Vorhängen, mit denen die Insassen bestrahlt wurden, als sie auf den Knast-„Fotografen“ warten mussten.
Es grüßt Dich
Branden

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Hallo Martinus
Ich habe mich damals (1984, bei der Volkszählung) auch einigemaßen außerstande gefühlt, die Frage nach der Religion zu beantworten. Ich gehörte keiner Kirche (mehr) an, sympathisier(t)e aber mit Christen- und Judentum und auch anderen religiösen Ansätzen.
Gruß,
Branden

Für die Nazis war die Religonszugehörigkeit interessant. Die
sortierten nach Jude / Nicht-Jude.

Richtig, liebe Steffi, aber das Kriterium war nicht die Religionszugehörigkeit! Auch die Juden, die selber oder deren Eltern oder Großeltern sich hatten taufen lassen, wurden deportiert.

Gruß - Rolf

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