Hi,
Ich möchte gerne vier Fragen an die Islam-Kenner unter euch
(insbesondere an die hier mitlesenden und mitdiskutierenden
Muslime) stellen:
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Ist der Koran eine wortwörtliche Offenbarung Allahs an
Mohammed,
Ja, daran glauben wir. Das ist die Grundlage des Islams.
die nicht interpretierbar, also ewiglich ist, oder
ist der Koran inhaltlich modifizierbar, also
um-interpretierbar?
Schwer zu beantworten. Natürlich ist er aufgrund des Offenbarungsstatus nicht inhaltlich modifizierbar, allerdings heisst das nicht, dass man sich vollkommen einig sein muss (in den Details), was die extrahierten (und angewandten) Regelungen angeht. Denn der Mensch muss in letzter Instanz den Koran verstehen und anwenden können. Deshalb gilt in der islamischen Rechtsfindung folgende Reihenfolge:
- Koran
- Sunna (das Leben des Propheten, sowohl als Aussagen wie auch als Taten)
- Übereinkunft der Gelehrten
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Sind aus Sicht der nach dem Koran lebenden Muslime andere
Menschen wie Nicht-Muslime, Dhimmis, Ungläubige, Agnostiker,
Atheisten usw. einem Muslim gleichwertig?
Ja.
Natürlich schliesst das nicht aus, dass einem Menschen, der die von Gott aufgestellten Regeln befolgt, das Paradies versprochen wird, während anderen eine Bestrafung angedroht wird. Dies kann allerdings hat nichts mit der weltlichen Behandlung _zwischen_ den einzelnen Menschen zu tun haben.
Die Grundaufforderungen des Korans richten sich an alle Menschen:
„O ihr Menschen! Fürchtet eueren Herrn, Der euch aus einem (einzigen) Wesen erschuf und aus ihm seine Gattin und aus ihnen viele Männer und Frauen entstehen ließ. Und seid euch Allahs bewußt, in Dessen Namen ihr einander bittet, und euerer Verwandtschaftsbindungen. Siehe, Allah wacht über euch.“ (An-Nisaa, 4:1)
Auch den Wert des Menschen - seine Würde - wird allgemein auf ‚die Kinder Adams‘ (eben Menschen) bezogen und hat nichts mit dem Glauben des Einzelnen zu tun:
„Und wahrlich, Wir zeichneten die Kinder Adams aus [würdigten sie] und trugen sie über Land und See und versorgten sie mit guten Dingen und bevorteilten sie gegenüber den meisten Unserer Geschöpfe.“ (Al-Isra’, 70)
Das arabische Wort „Sunna“ bezeichnet so etwas wie die Normalität oder der Alltag (ich kann es nicht besser übersetzen). So ist Gottes „Sunna“, dass sich Menschen eben nicht einig sind, das manche Menschen glauben, während andere nicht glauben usw…
„Die Menschen waren einmal eine einzige Gemeinschaft. Doch dann wurden sie uneins. Und wäre es von deinem Herrn nicht schon (anders) angeordnet gewesen, wäre das, worüber sie uneins sind, zwischen ihnen schon entschieden worden.“ (Yunus, 10:19)
Dies ändert nichts an der Menschlichkeit des Menschen. Als eine Bestattung eines Juden am Propheten und seinen Gefährten vorbeizog, stand der Prophet auf und befahl seinen Gefährten ebenfalls aufzustehen. Einige sagten, das wäre ein Jude und der Prophet befahl ihnen aufzustehen, denn es ist eine menschliche Seele, die an ihnen vorbeizog. Auch wird im Koran sehr differenziert gesprochen, wenn es sich um Muslime oder um die Allgemeinheit der Menschen geht.
So ist das Recht des Nachbarn ein Grundgebot im Islam, wie auch das der Eltern, der Kranken, der Armen, der Waisen oder der Reisenden bspw. Und an diesen Stellen wird nicht differenziert zwischen einem Muslim und einem Nichtmuslim. Vielmehr werden - wenn überhaupt - im Sinne der religiösen Gemeinschaft diese allgemeinen Rechte nochmal für „Mitmuslime“ spezifiziert.
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Ist ein dauerhafter Frieden zwischen Muslimen und
Nicht-Muslimen, die definitiv den islamischen Glauben nicht
annehmen wollen, möglich?
"Er ist es, Der euch zu Land und See reisen läßt.Wenn ihr auf den Schiffen seid und sie mit ihnen bei gutem Wind dahineilen und sich dessen freuen, erfaßt sie plötzlich ein Sturmwind, und Wogen überdecken sie von allen Seiten, so daß sie glauben, rings umschlossen zu sein. Da rufen sie Allah in lauterem Glauben: »Wahrlich, wenn Du uns hieraus errettest, sind wir Dir gewiß dankbar!«
Wenn Wir sie jedoch gerettet haben, üben sie auf Erden wieder Gewalt aus, ohne jede Rechtfertigung. O ihr Menschen! Euere Gewalttätigkeit richtet sich doch nur gegen euch selbst. Ihr genießt das irdische Leben ja nur im Nießbrauch. Dann ist euere Heimkehr zu Uns, und Wir werden euch eröffnen, was ihr getan habt." (Yunus, 10:22-23)
Die Frage muss mit Ja beantwortet werden. Muslime haben ob als Mehrheit oder als Minderheit in verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten genauso friedlich neben Nichtmuslimen (egal welcher Religion oder Nichtreligion) gelebt, wie andere auch. Das reicht von Spanien und Nahen Osten (wo Kirchen teilweise auf Kosten des islamischen Staats wiederhergestellt wurden, wenn ihnen Unrecht geschah (Beispiel unter Hakim um die Jahrtausendwende)) bis nach Südostasien, wo Muslime als Minderheit leben durften und deshalb auch nicht die Bereitschaft entwickelt hatten, einen eigenen (religiösen) Staat zu errichten. Das ist übrigens die interessanteste Epoche, die man sich heutzutage anschauen muss. Ich empfehle dir folgenden Artikel:
Need It Be “Us and Them”?
http://www.islamonline.net/english/introducingislam/…
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Kann der Islam alle andere Religionen sowie den Atheismus als
gleichwertig akzeptieren und sich in seiner Ausbreitung
beschränken oder muss der Islam gegenüber den anderen
Religionen siegreich sein und sie zwangsläufig eliminieren?
Im o.g. Artikel verweisen sie auf den Artikel
Islam in China
http://members.tripod.com/worldupdates/islaminthewor…
in dem geschildert wird, wie Muslime als Minderheit ohne Probleme leben konnten und ohne weitere Machtbestrebungen zu entwickeln.
Das Eliminieren anderer Religionen ist auch nicht Ziel des Islams. Vielmehr versucht der Islam einen Glauben zu vermitteln. Jeder ist sein eigener Herr und kann diesen Glauben annehmen oder ablehnen.
„Sprich: »O ihr Menschen! Nun ist die Wahrheit von euerem Herrn zu euch gekommen. Wer da geleitet ist, der ist nur zu seinem eigenen Besten geleitet; und wer irregeht, der geht nur zu seinem eigenen Schaden irre. Und ich bin nicht euer Sachwalter.«“ (Yunus, 10:108)
Gruss, Omar Abo-Namous