Hallöle.
Gesundheit ist ein hohes Gut, mit einem bestimmten Alter das höchste.
Ohne Gesundheit geht es nicht.
Gesundheit ist zudem eine strategische Ressource der Gesellschaft, wie Energie, ohne die die Gesellschaft nicht funktionieren kann.
Gesundheit ist darüber hinaus ein wichtiger Faktor für die Wertschöpfung in der Volkswirtschaft.
Privatisierung als Lösung ist diesbezüglich der größtmögliche Unfug.
Das Gegenteil brächte für viele Bürger die Wende:
- Das System ist vollständig steuerfinanziert
- Eine Einheitskasse für alle
- Strukturelle Reorganisation des Krankenhauswesens und der Ärzteschaft (Stichwort Polikliniken)
- Die Geldmittel für das System werden ohne Grenzen eingezogen, keine Beitragsbemessungsgrenze, keine Sonderkassen, keine Sonderrechte für irgendjemanden, keine Möglichkeit, sich dem System zu entziehen
- Den Wohlhabenden und Reichen ist die Möglichkeit gegeben, sich zusätzlich (!) privat versichern zu dürfen, wenn sie die Leistungen der Einheitsversicherung nicht ausnutzen möchten, zu zahlen haben sie trotzdem für die Einheitsversicherung
Letzteres funktionierte am besten, wenn das Steuersystem auf gleiche Weise als Einheitssteuersystem konzipiert wäre und die Sozialversicherungen in ihrer Gesamtheit steuerfinanziert würden. Dann hieße es 25% allgemeine Steuer für jeden, 5% Gesundheitssteuer für das Gesundheitssystem.
Ich arbeitete eine Weile in den USA und konnte erleben, was dort ein Gesundheitssystem anrichtet, wie es Union und besonders FDP im Sinn tragen. Deine zwei Paragraphen verhindern die Schieflage privater Systeme nicht. (Ich frage mich außerdem, wie Du den Widerspruch zwischen Privatisierung und §2 sinnvoll lösen willst.)
Das zukunftsfähige Gesundheitssystem muß strukturell umgebaut werden, und das leistet ein privates System nicht. Ein privates Gesundheitswesen ist ein Umverteilungssystem für die Kundenclientel der privaten Kassen. Gesundheitsinfrastruktur ist allerdings Staatsangelegenheit und Wettbewerb führt zu keinen Verbesserungen, denn die Bürger wollen erfahrungsgemäß nicht ständig den Arzt wechseln, und können das des weiteren nicht beliebig tun, weil dafür die Ärzte vorhanden sein müßten. Wenn ich meine heimatlichen Gefilde besuche, ist das immer wieder ein schwerer Schlag für das Gemüt. Die Ärzte auf dem Land verschwinden, Polikliniken (=Gesundheitszentren mit Fachärzten, Medizintechnikern und Apothekern) existieren ohnehin seit 1990 keine mehr, Krankenhäuser werden von den neoliberalen Hirnstörungen „Wettbewerb“ und „Privatisierung“ kaputtgemacht, und vielerorts im Anschluß geschlossen: Schlechte Ausstattung, knappes Personal, kaum zeitgemäßige Behandlungspotentiale (wenn ich einen Hirnschlag habe, ist die Chance groß, daß ich in ländlichen Gegenden die rettende Lyse zu spät oder überhaupt nicht bekomme, weil ich wegen der Strukturschwächen des Systems entweder liegengelassen oder stundenlang planlos-ziellos durch die Botanik gekarrt werde), kurz: krankhafter, menschenverachtender kapitalistischer Kostendruck hinter allen Ecken. In den Großstädten ist das nicht dermaßen schlimm, aber auf dem Lande, besonders im Osten, ist von der guten DDR-Gesundheitsvorsorge höchstens noch ein Zustand wie in der Dritten Welt übrig. Oder ein weiteres Beispiel, warum Privatisierung lediglich die Vorsorge für viele Bürger schrumpft und verschlechtert: Ist Dir jemals zu Ohren gekommen, daß eine private Krankenkasse oder ein privater Investor ein Krankenhaus gebaut hätte? Und falls ja, geschah dies aus eigener Kraft oder wurde wieder der Staat für Fördermittel angepumpt, weil der „selbstverständlich“ ein „öffentliches Interesse“ und eine „Beteiligungspflicht“ „haben müsse“, um den Bürgern „eine gute Gesundheit“ „zu sichern“?
Was ich in den USA hingegen positiv erlebte, waren die generellen Kosten für den Arztbesuch, eine unbürokratische Praxisgebühr. Meiner Meinung nach nicht zu teuer, aber auch nicht zu billig.
Ich bin ohnehin als unmittelbare Nachkriegsgeneration geprägt und erzogen, nicht bei jedem Scheiß zum Arzt zu rennen und sich jämmerliches, wehleidiges Klagen über Kleinigkeiten zu sparen. Aber die (in meinem Fall) 20$ für den normalen Arztbesuch und die Selbstbeteiligungen bei Medikamenten und bestimmten Behandlungen ließen mich in den Staaten dreimal öfter überlegen, ob ich unbedingt zum Doktor rennen muß, ob ich mir jeden Medikamentenscheißdreck andrehen lasse, oder nicht. Ich unterstelle jedem normal intelligenten Menschen, daß er es spürt, wenn es ihm tatsächlich schlecht geht oder wenn es jammervolle Wohlstandsübertreibung ist (Zitat meiner Frau: „Männer sterben gleich, wenn sie krank sind.“).
Der Sozialstaat könnte für die armen Schichten einen Ausgleich leisten, um zu vermeiden, daß sich die Arbeiterklasse ausgerechnet wegen des Geldes den Arztbesuch spart. (Das soziale Transferwesen fehlt in den USA und ist die fundamentale Schwachstelle dort.)
Ein zweiter wichtiger Ansatz, der in der Debatte vergessen wird, ist die Prophylaxe. Das war zum Beispiel die wahre Stärke des staatlichen DDR-Gesundheitssystems. Die sportliche Gesellschaft, der hohe gesellschaftliche Wert körperlicher Ertüchtigung, die gesundheitliche Vorsorge im Schulsystem (Kinderkrippe, Kindergarten, Oberschule) und in den Betrieben. Das hat dem System Abermilliarden Mark gespart, weil den Kindern zeitig Sport und somit die Grundlage für dauerhafte Gesundheit als integraler Bestandteil des Lebens anerzogen wurde, weil die Kinder gesundheitlich überwacht wurden und im Falle von Krankheiten umgehend die richtige Therapie ansetzte. Das begann mit fachärztlicher Logopädie in der Kinderkrippe und endete mit den jährlichen Pflichtuntersuchungen von Körper und Zähnen in der Oberschule unter Leitung des Ministeriums für Gesundheitswesen. Zur Prophylaxe gehörte auch der sehr gute, pflichtmäßige Impfschutz „gegen alles“, den kein Bürger ablehnen konnte.
Lieber vorsorgen und dem Schulsystem eine weitere Aufgabe, die körperlichen Ertüchtigung, übergeben, statt das Geld bündelweise zu verfeuern, weil sich eine verfettende, faule und pillenbesessene Wohlstandsgesellschaft momentan rückwärtsentwickelt.
Mit Privatisierung und Pseudowettbewerb im Schatten der Pharmaindustrie ist der „Volksgesundheit“ auf keinen Fall geholfen, denn was dieses Gedankengut gegenwärtig an Schaden verursacht, ist prima in den Krankenhäusern und im Facharztwesen zu beobachten.
Wir sind eine solidarische Gesellschaft und Gesundheit ist keine Privatsache.
Viele Grüße