Vorstellungsgespräche im allgemeinen

Hallo zusammen

angeregt durch die Diskussion direkt hier drunter würde mich mal interessieren, wie sehr auf „Gegenseitigkeit“ Ihr Eure Vorstellungsgespräche (sowohl als Bewerber als auch als Entscheider in der Firma) empfunden habt.

Ich für meinen Teil habe durchaus meine Vorstellungsgespräche immer als „beidseitige“ Präsentation gesehen. Das heisst, selbstverständlich stelle ich mich vor - aber genauso bekomme ich die Firma vorgestellt. Und genauso wie ich gefragt werde, ob ich irgendwelche Schwächen hätte, stelle ich auch so meine „Testfragen“. In meinem Fall war das üblicherweise, warum denn die Stelle vakant sei. Aber das können natürlich auch firmenspezifische Dinge sein. Das sagt mir wahrscheinlich genauso viel über die Firma wie deren Frage nach meinen Schwächen über mich *g*

Das habe ich für meinen Teil eigentlich immer für selbstverständlich gehalten, denn schon Konfuzius (oder sonst jemand) sprach „Wie eine Firma mit ihren Bewerbern umgeht so geht sie auch mit ihren Mitarbeitern um“. Und wenn die zwar selber kritische Fragen stellen wollen, aber nicht klarkommen, dass auch ich krische Fragen habe, dann weiss ich eh nicht, ob das eine gute Zusammenarbeit wird.

Und - das scheint in Deutschland anders zu sein - aber in der Schweiz verbleibt man nach nem Gespräch indem man dem Bewerber sagt „Melden Sie sich in 1-4 Tagen und sagen Sie, ob Sie sich das vorstellen könnten“. Das heisst, da hat der Bewerber durchaus die Pflicht (oder eben das Recht *g*) zu sagen „sorry, Jungs, dieser Job in diesem Laden passt mir nicht“.

Also, wie seht Ihr das? Im Vorstellungsgespräch stellt sich nur der Bewerber vor? Und kritische Fragen sind allein der Firmenseite vorbehalten? Oder doch auf die Frage „im Internet habe ich xxx über Sie gefunden“ die Rückfrage „im Internet steht über Ihre Firma…“?

*wink*

Petzi

Hallo,

vom Grundsatz her sehe ich es genauso wie du: ein Bewerbungsgespräch ist eine 2seitige Geschichte: der Bewerber stellt sich vor - aber die Firma auch.

Und auch ich frage im Bewerbungsgespräch, wieso die Stelle frei ist (ob man dann eine wirklich ehrliche Antwort bekommt, ist eine andere Frage).

Allerdings würde ich erstens nicht ganz so viel auf Bewertungen im Internet geben. Wer weiß, wer da warum schreibt? Ich würde versuchen, mir meine eigene Meinung zu bilden.

Im Allgemeinen waren meine Bewerbungsgespräche (außer mal gaaaanz am Anfang, das ist allerdings 23 Jahre her) auch immer eine Vorstellung beider Seiten und auch Nachfragen beider Seiten (ich habe auch alles mögliche über die Firma gefragt).

Nur: ich würde niemals eine Frage stellen, wie: ich hab da mal folgendes Negatives über Sie gehört. Wie stehen Sie dazu?
Man kann ja auch jede Frage irgendwie verpacken.

Ich kenne es auch nur so, dass die Firma sagt: Wir melden uns innerhalb von…
Und in dem Gespräch wird dann gefragt: können Sie sich das vorstellen?
Alternative wäre am Ende des Gespräches: Können Sie sich eine Stelle bei uns vorstellen? Dann kommen wir innerhalb von… auf Sie zurück.

Greets

Hallo Petzi,

das Verhältnis Arbeitnehmer-Arbeitgeber ist zumeist asymmetrisch, vergleichbar wie das Verhältnis Anbieter-Kunde.

Der Arbeitnehmer ist im höheren Maße auf den angebotenen Arbeitsplatz angewiesen, als der Arbeitgeber auf den bewerbenden Arbeitnehmer.

Dazu kommen hierarchiche Verhaltensweisen. Da ist der Vorgesetzte und da ist Untergebene. Stell dir einen Chef vor, der regelmäßig den Untergebenen anbrüllt und stelle dir einen Untergeben, der regelmäßig den Chef anbrüllt.
Wer wird wohl eher Probleme bekommen?
/t/bruellende-vorgesetzte/5833402

Kurzum bei Bewerbungsgesprächen gibt es mehr oder weniger auf der Arbeitgeberseite irgendwo bewußt oder unbewußt die Haltung „Du bist der Bittsteller und wir die Gewährer“.

Natürlich erwartet die Firma vom Bewerber, dass er sich im Intranet über die Firma ausührlich bewirbt. Und natürlich ist Ihnen klar, dass der Bewerber bei gründlicher Recherche auch Negatives findet.
Nur darf er bei einer Bewerbung da nicht direkt darauf hinweisen („Was erdreistet er sich!“).
Er kann versuchen vorsichtig indirekt nach Themen zu fragen, auf die er über das Internet aufmerksam gemacht wurde.

Gruß
Carlos

Hallo Petzi,

ich habe ähnliche Erfahrungen wie Du gemacht und bin ebenfalls der Meinung, dass bei einem Vorstellungsgespräch zwei Parteien umeinander werben.

Ob dieses Werben auf Augenhöhe stattfindet, hängt meines Erachtens von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ab. Ich bin glücklicherweise in der Position, dass ich über eine gute Ausbildung sowie Berufserfahrung verfüge in einer Branche, in der qualifizierte Bewerber nicht an jeder Ecke zu finden sind. Und ich nehme an, das ist der Grund dafür, warum ich in der Vergangenheit häufiger den Eindruck hatte, dass sich Firmenvertreter in etwa genau so um mich bemühten, wie ich bemüht war, bei ihnen einen guten Eindruck zu hinterlassen.
Ehrlich gesagt erwarte ich das auch! :smile:

Mit meinen kritischen Fragen an die Unternehmen habe ich auch bisher recht gute Erfahrungen gemacht. Eben z.B. weshalb die Stelle vakant ist. Oder z.B. falls der Jahresbericht der Firma schlecht ausgefallen ist (je nach Gesellschaftsform ist sowas ja ggf. öffentlich einsehbar), ob und ggf. wie die aktuelle wirtschaftliche Lage der Firma sich auf den Arbeitsalltag in der Abteilung auswirkt. Das zeigt doch schließlich, dass man sich informiert und Gedanken gemacht hat. Und wie Du schon erwähnt hast, will ich auch nirgends arbeiten, wo ein kritischer Geist nicht erwünscht ist.

Aber zurück zu meiner These, die da lautet „hängt von Angebot und Nachfrage ab“. Ich kann mir vorstellen, dass die Situation in Vorstellungsgesprächen für Jobs, bei denen das Bewerberfeld deutlich breiter ist, schon wieder ganz anders aussieht. Es würde mich nicht wundern, wenn der potentielle Arbeitgeber sich angesichts der Menge an Bewerbungen eher zurücklehnt und die Bewerber sich schonmal als Bittsteller vorkommen.
Ob in einem solchen Setting kritische Fragen angebracht sind? Schwer zu sagen. Ich würde sie aus o.g. Gründen trotzdem stellen, aber ich hab ja auch gut reden. In jedem Fall dürfte man damit auffallen. Im Idealfall derart, dass das Gegenüber den kritischen Geist zu würdigen weiß; im ungünstigsten Fall, dass man wegen unbequemen Verhaltens aussortiert wird.

Viele Grüße
Kerstin