Um aber auch nochmal auf die Eingangsfrage zurück zukommen. (Ich habe erst heute die Zeit gefunden, mich mit den Einlassungen des Erzbischofs zu befassen.)
Eine direkte Einmischung kann auch ich nicht erkennen. Jeder hat die Freiheit einer eigenen Meinung. Und jeder hat eine (eingeschränkte) Freiheit, diese auch zu äußern. Und genau das sehe ich hier. Warum sich allerdings Medien gezwungen sehen, so einen Schmarren auch noch zu verbreiten, bleibt ihr Geheimnis.
Das ZDF zum Beispiel zitiert Gössl mit den Worten:
Ich möchte mir nicht vorstellen, in welchen Abgrund der Intoleranz und Menschenverachtung wir gleiten, wenn die Verantwortung vor Gott immer mehr aus dem Bewusstsein der Menschen verschwindet.
Quelle: ZDF heute
Sollte er sich dabei tatsächlich auf Brosius-Gersdorf beziehen (was aus den vom ZDF gewählten Zitaten nicht eindeutig hervor geht), sollte man ihm vielleicht erklären, dass wir nicht in einem Kirchenstaat leben und sich Verfassungsrichter in ihren Entscheidungen nicht in der „Verantwortung vor Gott“ verpflichtet sehen sollen, sondern in der Deutung und Einhaltung von menschengemachten Gesetzen.
Seine „Verantwortung vor Gott“ sollte aus meiner Sicht, als Mitglied der größten Glaubensgruppe in Deutschland, den Atheisten, ohnehin der einzelne Gläubige mit sich selbst ausmachen. Es ist nicht Sache der weltlichen Gerichte, religiöse Gefühle zu schützen.
Gössl sagte weiter: „Dann haben die Schwächeren keine Stimme mehr: nicht die Ungeborenen und nicht die pflegebedürftigen Alten; nicht die psychisch Kranken und auch nicht die sozial Schwachen, nicht die Menschen, die sich aufgrund von Krieg und Verfolgung auf die Flucht begeben und auch nicht die Natur, die gewissenlos ausgebeutet und zerstört wird.“
Und genau dafür brauchen wir einen funktionierenden, sozialen Rechtsstaat und keine bevormundeten, Reichtümer anhäufenden Glaubensgemeinschaften die die katholische Kirche.
Ja, als nichtgläubiger Mensch habe ich ganz große Vorbehalte und Vorurteile gegenüber institutionellem Glauben. Vor allem, wenn in vielen menschlichen Dingen unerfahrene, alte, weiße Männer (als Zuschreibung von Charaktereigenschaften, nicht als äußere Merkmale) mir vorschreiben, was ich zu denken und zu fühlen haben. Vor allem, wenn sie glauben, dass man mich durch Drohungen von phantastischem Übel davon überzeugen könnte, ihrer Phantasie zu folgen. Vor allem, wenn sich diese in einigen menschlichen Dingen völlig unerfahrenen, alten, weißen Männer berufen fühlen, die halbe Bevölkerung pauschal zu erniedrigen und zu bevormunden. Und vor allem auch dagegen, dass ihnen in den Medien immer wieder die Möglichkeit eingeräumt wird, den Versuch zu starten, mich zu missionieren.