WAhrheit

Hallo,

in letzter Zeit kommt immer wieder die Frage nach - der Wahrheit - auf - was ist die Wahrheit ??

Was müsste ich verstehen, wenn ich diesen Satz lese:

…komm mit zur Wahrheit, wir werden es dort vorbringen ??

…und wenn du willst, ich bin gerne bereit mit dir vor die Wahrheit zu treten ??

WAs heisst:

…in der Wahrheit leben,

…der Schlüssel zur Wahrheit,

…die Wahrheit führt ??

???

Gruss BelRia

Hallo BelRia,

Wahrheit und Wahrnehmung sind eben völlig unterschiedlich. „Komm mit zur Wahrheit“ und auch die anderen Aussprüche sind doch sehr vage anzunehmen. Jemand möchte vielleicht SEINE Wahrnehmung von Wahrheit auf dich projezieren oder so? Die Definition sind tatsächliche Begebenheiten, Wirklichkeit. Etwas, was real greifbar ist. Wahrheit wirst du eben nur durch dich erfahren können.

Liebe Grüße

Diana

dazu mein lieblingsspruch:

Die Lüge ist wahrer als die Wahrheit, weil die Wahrheit so verlogen ist.

„Denn wahrlich, wahrlich ich sage euch…“

Und vielleicht hilft dir diese alte Ausdrucksweise auch dich dem Begriff „wahr“ zu nähern.

gruss
winkel

philosophisch betrachtet
Hallo Bel,

lange nichts mehr voneinander gehört …

Ich möchte philosophisch antworten. Es gibt verschiedene Theorien, wie man den Begriff „Wahrheit“ am besten fasst.
Der wichtigste ist der, nach dem Wahrheit die Übereinstimmung von Sache und Denken ist - das ist hier offenkundig nicht gemeint. Aber es gibt noch eine andere philosophische Verwendung, die deine Beispiele betrifft. In diesen Fällen spricht man davon, dass ein Gegenstand oder eine Person (nicht im Sinne von „wahrhaftig“!) „wahr“ ist, so wie man sagen würde: „Das ist der wahre Jakob!“, wenn man einen Geistesblitz hatte.

In diesen Fällen heißt es soviel wie „echt“ oder „authentisch“ oder auch „existierend“ im Sinne von ungekünstelt. Der Begriff der Wahrheit wird hier metaphorisch verwendet, indem man schon voraussetzt, dass Wahrheit nichts mit Erkenntnis zu tun hat, sondern eher damit, dass man eben grundsätzlich nicht in der Lage ist, das, was als „wahr“ bezeichnet wird, zu erkennen oder auch nur in die Nähe zu kommen.

…komm mit zur Wahrheit, wir werden es dort vorbringen ??
…und wenn du willst, ich bin gerne bereit mit dir vor die
Wahrheit zu treten ??
…in der Wahrheit leben,
…der Schlüssel zur Wahrheit,
…die Wahrheit führt ??

Das sind eindeutig religiöse Verwendungen, die schlicht Ehrfurcht erzeugen sollen. Wenn ich solche Formulierungen hörte, würde ich sehr vorsichtig werden, weil ich hier immer die Vermutung hegen würde, dass mir jemand seine (religiöse) Überzeugung aufdrücken möchte. Da geht es dann nicht um Überzeugung, sondern um eine Art kollektives Glückserlebnis, das leicht ausgenutzt werden kann.

Herzliche Grüße

Thomas

einfach betrachtet…
hi bel,
…einfach betrachtet würde ich dazu sagen, daß es keine
allgemeingültige definition des begriffes gibt.
es gibt wahrscheinlich eine menschliche „wahrheit“, diese ist in
religiösen, politischen und ethischen überlegungen zu finden,
stützt sich aber auf die vorhandene wahrnehmung.
die menschliche wahrnehmung ist aber sehr beschränkt; wenn sich
also ein pilz im walde äussern könnte, hätte er variationen
anzubieten. auch ein „schwarzes loch“ oder ein dusseliger
asteroid könnte hilfreiches beitragen, auch ohne hirn.

„wahrheit“ ist ein schwammiger begriff, wer dazu einlädt, ist
größenwahnsinnig oder kaufmann. das führt zwar zu skurrilen
blüten, bleibt aber immer dem unzureichenden menschlichen
wahrnehmungssystem verhaftet.

gruß,
frank

Die Wahrheit suchen und bekennen (sehr lang)
Hallo!

Mein Chef, Prof. Rost vom Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften, hat sich vor Weihnachten ein paar Gedanken zum Thema „Die Wahrheit suchen und bekennen“ gemacht. Er schreibt:

"Die Wahrheit suchen und bekennen

Öffentliches Gelöbnis der jungen Rekruten und Soldatinnen. In Reih‘ und Glied angetreten, Morgenluft, leichter Dunst über dem Kasernenhof, roter Teppich für den neuen Verteidigungsminister im dunklen Wintermantel mit rotem Schal. Sehr zackig sieht er nicht aus. ‚Ich gelobe‘ hallt es. Das Grundgesetz, interpretationswürdig bis nach Karlsruhe. Wissen alle, was sie geloben? Gehorsam.

Szenenwechsel. Audi Max. Nicht in Reih‘ und Glied angetreten sind Doktorandinnen und Doktoranden. Lockere Aufstellung auf dem Podium. Die Dekanin hält eine Rede. Wie heißt noch die weibliche Form von spectabilis? Quatsch, gibt’s nicht. Am besten mit Spektabilität anreden, da sieht doch jeder, dass das geschlechtsneutral ist. Sie sagts vor und alle sprechen
nach : ‚Ich gelobe…‘. Auf der Abschlussfeier eine Stunde später frage ich meine Doktorandin, was sie denn nun gelobt habe. Charme überspielt Betretenheit, Gewitzel gemischt mit dem
Wichtigsten: ‚die Wahrheit…äh…hmm…naja…‘ Ich meine es überhaupt nicht vorwurfsvoll und ergänze ‚…zu suchen und zu bekennen.‘.

Ich ergänze, dass zwischen suchen und bekennen noch das finden kommt, vielleicht die wichtigste Aufgabe eines Wissenschaftlers. Nein, das Wichtigste ist das Bekennen. Von der Wahrheit hat Niemand etwas, wenn es keinen gibt, der sie bekennt. Ich bin stolz darauf, ein Mitglied einer Fakultät zu sein, die den akademischen Nachwuchs darauf verpflichtet, die Wahrheit zu bekennen. Ein Hauch der 68-er weht durch den Raum. Ach ja, der stammt ja noch aus der Zeit, lese ich die Gedanken der mitfeiernden DoktorandInnen. Ist ‚Wahrheit bekennen‘ das Gegenteil von ‚Gehorsam‘? Natürlich ist es nicht das Gegenteil vom Grundgesetz. Im Grundgesetz steht zwar nichts, was wahr oder falsch sein könnte, sondern was gut oder schlecht ist, und wir alle sind verpflichtet, es zur Geltung zu verhelfen, also wahr
zu machen.

Aber da sind wir wieder bei der Wahrheit. Ich brauche in der Vorlesung ca. 6 Stunden um den Studierenden klar zu machen, dass es keine Wahrheit gibt. Wissenschaft ist ein Gebäude von
Aussagen und ob eine einzelne Aussage wahr ist, lässt sich nicht entscheiden. Allenfalls, ob sie falsch ist, meinte Sir Karl Popper – zumindest in seiner Jugend. Heute sind wir schlauer:

Alles was wir wissen, sind Konstruktionen in unserem Geist (um nicht zu sagen: Hirn). Man nennt das den Konstruktivismus. Konstruktionen können nicht wahr oder falsch sein, sie
können mehr oder weniger kollektiv sein, das heisst mit den Konstruktionen anderer Leute (Wissenschaftler) übereinstimmen. Sie können auch mehr oder weniger brauchbar sein, mehr oder weniger komplex oder einen grösseren oder kleineren Anwendungsbereich haben. Aber auf was – um Alles in der Welt – verpflichten wir dann unsere Doktorandinnen? Doch bitte
nicht auf ‚die‘ Wahrheit!

Mich beschleicht das peinliche Gefühl, auf etwas stolz gewesen zu sein, was doch nun wirklich erzreaktionär ist: die Wahrheit. Haben wir nicht alle gelernt, dass die Wahrheit für
die Arbeiterklasse eine andere ist als für die Herrschende Klasse? Mein Magen krampft sich zusammen. Habe ich das, was ich in der Lehre vertrete, so wenig in Einklang gebracht mit
meinem Alltagsdenken, z.B. bei der Bewertung von Sonntagsreden? Sollte ich meine venia legendi zurückgeben? Muss ich schweigen bis ich wieder weiss, was oben und unten ist? Kalter Schweiss auf der Stirn. Was sollen denn nun die Doktoranden bekennen? Das, was sie für wahr halten? Um Gottes willen. Ein Heer von redseligen Bekennern unausgegorener Halbwahrheiten, pardon: Halbweisheiten.

Man könnte doch das Gelöbnis konstruktivistisch umformulieren: Ich gelobe, das zu bekennen, was ich in Übereinstimmung mit anderen Wissenschaftlern für brauchbar halte…? Mein Gott, es geht doch nur darum, die nachwachsende Generation auf ein bischen kritisches Bewusstsein zu verpflichten, damit wir in unserem Rentenalter nicht von angepassten, karrieregeilen Ja-Sagern regiert werden. Und da sollen wir sie darauf verpflichten, das zu denken, was die meisten anderen auch denken? Das was Popper schweren Herzens als ‚Konsensprinzip‘ in die Wissenschaftstheorie einführen und damit adeln musste, soll nun zum Gegenstand des akademischen Eides werden und das kritische Bewusstsein der Intelligenzia tradieren? Konsensprinzip, sozialer Konstruktivismus, radikaler Konstruktivismus – mehr eine Teufelsspirale als der Pfad zur Erleuchtung.

Mir schwindelt. Ich sehne mich auf den Kasernenhof zurück, da weiss man wenigstens, was man gelobt. Also, mal ganz von vorne. Die Funktion der akademischen Schicht in unserem Staate ist die, klaren Verstandes, unabhängig von Vorurteilen und unbewiesenen Tatsachen innovativ und kreativ zu wirken und dabei ein Antagonist zur Verselbständigung der Macht zu sein. Man könnte sie also auch gleich darauf verpflichten, den Geist des Grundgesetzes zu verwirklichen, Freiheit, Gleichheit, Brüderlich… . Also in Zukunft ein gemeinsames Gelöbnis
von Rekruten und Doktorandinnen?

Ich merke es schon selber: Ich tue dem Konstruktivismus Unrecht. Was könnte liberaler sein als die Lehre, dass jeder denken kann, was er oder sie will, dass es kein wahr und falsch mehr gibt, und dass man seine Gedankenkonstruktionen in den Diskurs mit Leuten einbringt, die an derselben Thematik arbeiten. Anything goes aber erst mal muss ausdiskutiert werden, was das beste ist; sofern man dieselbe Sprache spricht (was bei radikalen Konstruktivisten nicht immer der Fall sein soll). Also könnte man die Jungakademiker doch darauf verpflichten, dieselbe Sprache zu sprechen.

Einen Moment lang spüre ich eine inneres Glücksgefühl aufkeimen: das ist es! Mit einer gemeinsamen Sprache ist allen geholfen. Der öffentliche Diskurs ist gewährleistet, jeder ist
angehalten, seine Position zu verteidigen, die Konstruktivisten können wieder miteinander reden und die Wissenschaft wird befördert. Ist doch Wissenschaft – wie eingangs erwähnt –
nichts anderes als eine Ansammlung von Aussagen. Und wenn diese schon nicht wahr oder falsch sein können, so müssen sie wenigstens verstehbar und diskutierbar sein.

Erschöpft und befriedigt lehne ich mich zurück. Der akademische Eid ist gerettet. Jeder möge geloben, nur solche Dinge von sich zu geben, die andere verstehen und mit-diskutieren können. Welch eine paradiesische Vorstellung. Keine 300 Seiten langen Dissertationen mehr, sondern nur 50-seitige; keine quälenden Gutachten mehr, die nur diejenigen verstehen, die die Arbeit ohnedies gelesen haben; kein gestelztes Gespreize von Federn mehr, sondern Klartext. Ich gelobe, in Zukunft das, was ich für wahr halte, so zu kommunizieren, dass andere Leute die Chance haben zu erkennen, dass vielleicht doch nicht alles ganz so wahr ist … ähh…oder so ähnlich."

Hallo,

ich bedanke mich bei allen die mir geantwortet haben :smile:)

Thomas, es ist genauso, wie ich es mir schon gedacht hatte, dass Jemand mir seine Überzeugung aufdrücken möchte.

Nah, hofffentlich sind seine Zähne stark genug, denn an mir wird Er sie sich ausbeissen *gg*

Danke nochmal und einen schönen Tag - hier scheint die Sonne :smile:)

Gruss BelRia

"Aber da sind wir wieder bei der Wahrheit. Ich brauche in der

Vorlesung ca. 6 Stunden um den Studierenden klar zu machen,
dass es keine Wahrheit gibt. Wissenschaft ist ein Gebäude von
Aussagen und ob eine einzelne Aussage wahr ist, lässt sich
nicht entscheiden. Allenfalls, ob sie falsch ist, meinte Sir
Karl Popper – zumindest in seiner Jugend. Heute sind wir
schlauer:

Alles was wir wissen, sind Konstruktionen in unserem Geist (um
nicht zu sagen: Hirn). Man nennt das den Konstruktivismus.
Konstruktionen können nicht wahr oder falsch sein, sie
können mehr oder weniger kollektiv sein, das heisst mit den
Konstruktionen anderer Leute (Wissenschaftler) übereinstimmen."

Danke für dieses Zitat. Meine Frage wäre jetzt diese: Gilt die These, es gäbe letztlich keine Wahrheit, auch für die These, es gäbe letztlich keine Wahrheit? Anders gesagt: relativiert sich der relativismus? Und wenn, dann: Wohin? Ich habe so ein bißchen Bedenken gegen die - sorry - allzu süffig telegen talk-show-kompatibel vorgetragenen alles-ist-relativ-Schwätzereien. Sorry, aber ich will da mal so ´n bißchen gegen den en-vogue-Stachel löcken. Es ist mitnichten alles relativ, und es ist mitnichten alles „bloß konstruiert“. Denn dann wären es auch die jeweiligen Sätze selber. Die aber treten - häufig, wie ich aus Erfahrung weiß, übrigens auch persönlich sehr aggressiv - mit einem ungeheuren Wahrheitsanspruch auf den Plan! Ich dachte, Wahrheit gäbs gar nicht…

Schreib das doch mal den Konstruktivisten. Ich wäre gespannt, was sie Dir antworten würden.

Gruß,

Oliver Walter

Schreib das doch mal den Konstruktivisten. Ich wäre gespannt,
was sie Dir antworten würden.

Hallo Oliver:

Vermutlich nichts. Oder - dies wäre übrigens kein Selbstwiderspruch - indem sie es, was ja sogar plausibel ist, für eine der wesentlichen Eigenschaften menschlicher Welt-Konstruktion halten, selbstreflexiv zu sein. Allerdings kürzt sich dann der begriff „Konstruktion“ m.E. selber wieder weg. Denn wenn „alles Konstruktion ist“…was ist dann das Spezifische daran, Konstruktion zu sein? Man vergleiche das mit den Widersprüchen, in die man sich verwickelt, wenn man „alles ist Lüge, es gibt keine Wahrheit“ mit, und jetzt wirds wohl deutlich, behauptender Kraft (also mit Wahrheitsanspruch!) vorträgt.

ebenfalls freundliche Grüße

Konstruktivismus und Konstruktivismus
Hallo Oliver und Hartmut,

entschuldigt, wenn ich mich einmische.

Alles was wir wissen, sind Konstruktionen in unserem Geist (um
nicht zu sagen: Hirn). Man nennt das den Konstruktivismus.

Ich habe nur einen kleinen Einwand: Es gibt zwei Arten von Konstruktivismus, auf der einen Seite den methodischen Konstruktivismus, auf der anderen Seite den radikalen Konstruktivismus.

Dingler, Lorenzen, Janich und andere versuchen mit ihrem methodischen Konstruktivismus Widersprüche zu lösen, in die die empirischen Naturwissenschaften geraten, wenn sie positivistisch vorgehen. Der Ansatzpunkt liegt hier beim Problem der Messung und darin, dass es für jede Messung ein erstes Mal oder eine erste Festlegung geben muss. Hierbei werden dann Konstruktionen vorausgesetzt, die empirisch nicht belegbar sind, etwa die Gleichförmigkeit von Zeitintervallen. Diese Form des Konstruktivismus ist m. E. legitim, denn hier ist eben nicht alles konstruiert, wohl aber Vieles und vor allem Grundlegendes.

Die andere Form des Konstruktivismus, der radikale Konstruktivismus (Watzlawick etc.) ist in meinen Augen in der Tat unhaltbar, weil er die These von der Konstruktivität zu einer metaphysischen Regel hypostatisiert. Radikaler Konstruktivismus ist also die heutige Form radikaler Skepsis - und die war schon zu den Zeiten eines Sextus Empiricus zwar lehrreich, aber auch kein Allheilmittel.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Hartmut!

Ich kann mich Deinen Fragen nur anschließen. Mich überzeugt der radikale Konstruktivismus auch nicht, wenn er mit Absolutheitsanspruch vertreten wird (denn dann widerspricht er sich selbst). Den radikalen Konstruktivismus kann man - wie viele erkenntnistheoretische Positionen - als einen Standpunkt unter vielen ansehen, und seinen Wahrheitsgehalt zu bestimmen, wird uns nicht möglich sein. Außerdem muß man (zumindest einigen) radikalen Konstruktivisten zu Gute halten, daß sie sich dessen, also daß ihr Standpunkt nur einer von vielen ist, sehr wohl bewußt sind. Diese Auffassung und eine gewisse Liberalität gegenüber anderen erkenntnistheoretischen Standpunkten ergibt sich IMHO ganz eindeutig aus dem radikalen Konstruktivismus selbst.

So argumentiert Ernst von Glasersfeld (1985) beispielsweise dafür, die Suche nach der ontologischen Wahrheit (der Natur der Dinge selbst) aufzugeben und sich nur auf die Viabilität von Konstruktionen zu konzentrieren. Wenn ein nichtkonstruktivistischer Standpunkt ebenfalls eine Konstruktion im Sinne des radikalen Konstruktivismus ist, dann kann man als radikaler Konstruktivist nicht entscheiden, ob er wahr oder falsch ist, und insofern kann man nur, wenn man für oder gegen ihn argumentieren will, auf die Viabilität Bezug nehmen. Da man Viabilität an sich aber wiederum nicht erkennen kann, sondern jeder, der sich mit verschiedenen erkenntnistheoretischen Positionen beschäftigt, „nur“ eine subjektive Auffassung (eine Konstruktion) davon besitzen kann, wie die Viabilitäten der Positionen zueinander stehen, sollte man dann nicht auf ein Urteil über die Viabilität der verschiedenen erkenntnistheoretischen Positionen / Konstruktionen verzichten?Anders gefragt: Sollte nicht jede Generation die Frage in die nächste Generation verschieben, so daß sie niemals beantwortet wird?

Deshalb habe ich die Konstruktion entwickelt, daß aus der radikal konstruktivistischen Auffassung heraus eigentlich Liberalität gegenüber anderen erkenntnistheoretischen Positionen folgen sollte: Jeder hat seinen Standpunkt. Welcher an sich richtig ist, kann man nicht entscheiden. Man kann nur für sich konstruieren, welchen und warum man gerade den einen bevorzugt. Wenn man Forscher ist und nicht allein forschen kann, sollte man versuchen, den Forscherkollegen zu kommunizieren, wie die eigene Position aussieht und aus welchen Gründen man sie einnimmt. Der von meinem Chef kommunizierte Standpunkt scheint mir in diesem Kontext viabel.

Schönen Sonntag,

Oliver Walter
(eher kein Konstruktivist)

Hallo Thomas!

Alles was wir wissen, sind Konstruktionen in unserem Geist (um
nicht zu sagen: Hirn). Man nennt das den Konstruktivismus.

Ich habe nur einen kleinen Einwand: Es gibt zwei Arten von
Konstruktivismus, auf der einen Seite den methodischen
Konstruktivismus, auf der anderen Seite den radikalen
Konstruktivismus.

Da pflichte ich Dir bei. Nur will ich es meinem Chef nachsehen, daß er in einer humorvoll geschriebenen „Denkschrift“ keine wissenschaftlich haltbare Fallunterscheidung vornahm. Die Hauptgedanken sind auch ohne diese erkennbar und vertretbar (ich bemüßige mich hier radikalkonstruktivistischer Liberalität).

Schönen Sonntag,

Oliver Walter
(auch eher kein radikaler Konstruktivist)

Hallo Oliver und Hartmut,

entschuldigt, wenn ich mich einmische.

Wieso entschuldigen Sie sich? Dafür ist das Forum doch da.

Ich sehe, dass unsere drei Positionen letztlich identisch sind. In der tat ist der begriff der „Konstruktion“ zum beispiel bei metrischen Begriffen – man denke an das Urmeter in Paris – völlig problemlos (und auch richtig – das meter ist eine Konstruktion und nichts naturgeggebenes). Während – ich sehe keine Chance für ein sinnvolles gegenargument – der satz „Alles ist Konstruktion“ in etwa so sinnvoll ist wie „Alles ist relativ!“ oder „Wir können nichts wissen!“, Sätze, die vordergründig attraktiv wirken, aber in sich zusammenfallen.

Zwei Bemerkungen: Auch Positivisten sehen in metrischen Begriffen natürlich Konstruktionen. Zweitens: Das Falsche mag manchmal das Richjtige katalysieren. Denn das aus dem Konstruktivismus sich ergebende (wenn es sich ergibt; das wäre nachzuprüfen!) Toleranzgebot ist natürlich richtig.

mfg

hartmut

hi bel, grüß dich nach längerer zeit,
die Wahrheit zu ergründen ist tatsächlich ne große phil Herausforderung, solltest individuell immer dialektisch bei den Dingen der Angelegenheiten danach forschen, ich komme dann manchmal sogar bis in die nackten Wahrheiten damit rein .
Bis bald mal wieder
Tschüßße
bart

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Hallo Bel,

zum ersten möchte ich unterscheiden zwischen objektiver und subjektiver Realität. Eine objektive Realität ist zwangsläufig immer Wahrheit, ansonsten könnten wir die Wissenschaften vergessen.
Wie du diese obj. R. subjektiv widerspiegelst, ist dann wohl das, was du unter Wahrheit im allg. verstehst.
Dabei kommt es zu dem Problem, welches kein Idealist zu lösen vermag: Determinismus. Diese stellt sich lediglich durch bool´sche Algebra dar (Archivsuche: Schaltungslogik). Zusammenhänge sind in ihrer Gleichzeitigkeit logisch verknüpft, wobei das kleinste Logikgatter UND oder ODER ist, welches noch negiert werden kann. Da beide durch doppelte Negation ineinander umgewandelt werden können und ODER Zufall und UND eine -Notwendigkeit darstellt, werden Zufälle notwendig und Notwendigkeiten ereignen sich zufällig.
Anhand dwer Zeitachse entwickeln sich Zusammenhaänge in kausalen Abhängigkeiten ihrer Entstehung. Diese sind unumkehrbar.
Wahrheit ist also demnach, wenn du deine Erfahrungen kausal und logisch determiniert darstellen kannst. So einfach ist das :smile:

Gruß
Frank

sorry, aber es gibt keine objektive realität - zumindest keine,die wir beobachtet, errechnen oder was auch immer können.
denn jedes mal sind wir als subjekt wieder mit dabei und beeinflussen das system. wie stark oder wie wenig? wer weiß das schon mit sicherheit?

wir sollten uns eher gedanken darum machen, warum die suche nach der absoluten wahrheit so wichtig ist. haben wir mit unseren teilwahrheiten nicht schon genug zu tun? wir sollten erst mal das auf die reihe bekommen…

hallo ihr,

nicht die frage nach dem wahr oder falsch ist die eigentliche, sondern die nach sinnvoll bzw. sinnlos.

Warum muss man das einschränken?
Hallo,

nicht die frage nach dem wahr oder falsch ist die eigentliche,
sondern die nach sinnvoll bzw. sinnlos.

ich denke, dass du nicht Unrecht hast mit deiner Bemerkung, dass die Frage nach der Sinnhaftigkeit einen wesentlichen Aspekt betrifft. Allerdings würde ich Zweifel anmelden bei der Erklärung von Exklusivitäten.

Es gibt sehr wohl Probleme, bei denen man sinnvoll nach Wahrheit fragen kann, und es gibt andere Probleme, die Scheinprobleme darstellen, weil die Frage nach der Wahrheit nicht die Sache trifft. Genauso ist es bei manchen Fragestellungen sinnvoll, positivistisch vorzugehen, bei anderen muss man sich konstruktivistischer Hilfsmittel bedienen.

Der Streit müsste also nicht darum gehen, welches Mittel generell angewendet werden muss, sondern darum, welches Mittel wann angewendet werden muss und warum gerade dieses Mittel hier.

Meiner Ansicht nach brauchen wir also eine Kasuistik der Methodik (wenn ich das mal so sagen darf) - denn die ist noch überhaupt nicht angedacht worden.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Dazu müßtest du aber dennoch akzeptieren, daß es eine Realität unabhängig und außerhalb deines Bewußtseins gibt. Was willst du sonst erkennen wollen???
Das, was du erlebst, gibst du fehlerbehaftet, subjektiv wieder. Selbst beim erfassen und sich vorm geistigen Auge verdeutlichen geschieht das schon.
Wenn du noch akzeptierst, daß in der gesamten Welt ein semantisches Prinzip anzutreffen ist, sie also „digital“ (in ihren antagonistischen Widersprüchen) ist, greift die Logik zur Darstellung, also bool´sche Algebra.
Richtig darstellbar wird sie, indem man empirisch diese Widersprüche in der Reihenfolge ihrer Entstehung klärt, ihrer kausalen Abhängigkeit, sowie ihre gleichzeitige Verknüpfung untereinander. Du löst damit die Welt aus einer riesigen quadratischen, dynamischen Abfolge in zwei lineare auf, welche du jederzeit auf die Anwendung bezogen durch Wiederzusammenführung widerspiegeln kannst.

Gruß
Frank

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