Wahrheit

Ein Indologe über Nagarjunas Wahrheitsbegriff
Hi.

Der Vollständigkeit halber will ich die Ankündigung einlösen und hier das Statement eines Experten zum Thema Wahrheitsbegriff bei Nagarjuna zitieren (mit seinem ausdrücklichen Einverständnis). Über den Autor finden sich Infos unter:

http://www.buddha-heute.de/index.htm

Das folgende Zitat habe ich zwei Mails des Autoren an mich entnommen.

"Bei allen Fragen in Bezug auf Nagarjuna muss in erster Linie das ins Auge gefasst werden, was Nagarjuna selbst gesagt hat, ohne zu vorschnellen Schlüssen in die eine oder andere Richtung zu kommen. Ich kenne die verschiedenen Standpunkte in der Diskussion nicht näher.

Für Ihren spezifischen Streitpunkt sind in jedem Fall folgende drei Kernverse Nagarjunas relevant (Kapitel 24: Vers 8, 9, 10, in der eigenen Übersetzung):

„Der Dharma des Buddha beruht auf den beiden Wahrheiten:
der konventionellen Wahrheit der Welt
und der Wahrheit in Bezug auf
den höchsten Zweck.“

„Wer die Abgrenzung zwischen diesen beiden Wahrheiten nicht erfasst,
versteht nicht das tiefgründige Prinzip
in der Botschaft des Buddha.“

„Ohne vom Konventionellen auszugehen, wird der höchste Zweck nicht gelehrt.
Ohne ganz zum höchsten Zweck gekommen zu sein,
wird das Verlöschen (Nirvâna) nicht realisiert.“

Vom Standpunkt dieser Verse gibt es also einen engen Zusammenhang zwischen der konventionellen und der höchsten Wahrheit (genauer gesagt: der Wahrheit in Bezug auf den höchsten Zweck):

Resümee von Vers 8: Beide sind gleichberechtigte Pfeiler des Dharma des Buddha.

Resümee von Vers 9: Das Verstehen der Abgrenzung (Vers 9: vibhâgam), damit aber auch der „Nahtstelle“ bzw. des Zusammenhangs zwischen diesen beiden Wahrheiten, ist das Tor zum Kern der Lehre des Buddha.

Resümee von Vers 10: Der höchste Zweck ist ohne Einbeziehung des Konventionellen nicht zu vermitteln. Der höchste Zweck muss vermittelt und umgesetzt werden, um Freiheit zu realisieren. Damit ist für Freiheit das Konventionelle unabdingbar.

In diesem Sinne transzendiert die höchste Wahrheit nicht Begriffe oder Konzepte. Diese Sicht stammt aus bestimmten Richtungen des späteren Buddhismus, nicht von Nagarjuna selbst. Außerdem impliziert „Wahrheit in Bezug auf den höchsten Zweck“ (Vers 8: satyam paramârtha-tah), dass es eine auf konventionellen Begriffen beruhende Wahrheit ist, die sich nur auf den höchsten Zweck bezieht. Laut Nagarjuna liegt diese Wahrheit also nicht jenseits von Begriffen; sondern lediglich das, worauf sie sich bezieht, liegt jenseits von Begriffen.

Praktizierende des Dharma in der Tradition Nagarjunas müssten also heutige Wahrheitstheorien daraufhin untersuchen, inwieweit sie sich auf den höchsten Zweck beziehen, diesen höchsten Zweck durch klare Begrifflichkeit überzeugend vermitteln können und auch die innere Praxis, um „ganz zum höchsten Zweck zu kommen“ (Vers 10). In diesem Sinne gibt es klare Unterschiede zwischen den verschiedenen Wahrheitstheorien.

Laut dem Palikanon hat der Buddha die verschiedenen Wahrheitstheorien seiner Zeit genau unter die Lupe genommen und zwischen ihnen begründet wertend unterschieden. „Treffliche Sicht“ im Unterschied zu verfehlter Sicht galt ihm ja als das wichtigste Glied des Achtfachen Pfades zur Befreiung.

Nagarjunas „konventionelle Wahrheit der Welt“ steht in keinem Kontext, in dem es um Befreiung geht. Es handelt sich hierbei um andere Wahrheitsaussagen, die sich mit den verschiedenen so genannten „weltlichen Wahrheiten“ befassen. „Wahrheit in Bezug auf den höchsten Zweck“ dagegen steht in einem Kontext, in dem es um die höchste Befreiung im Sinne der Lehre des Buddha geht. Beide Wahrheiten beruhen jedoch auf konventionellen Begriffen (jener besagten „Nahtstelle“ zwischen ihnen), sie haben bloß unterschiedliche Bezugspunkte.

Der Bezugspunkt der letzteren Wahrheit, also jener „höchste Zweck“ (das „Unbedingte“ des Nibbâna), ist unfassbar - nicht die Wahrheit, die ihn andeutet und laut Nagarjuna aufgrund ihrer Abhängigkeit von konventionellen Begriffen „vom Konventionellen ausgeht“ (Ch. 24, Vers 10).

Auf dieser Ebene - das heißt der Ebene der den höchsten Zweck andeutenden, ihn zu vermitteln suchenden Wahrheit - sind vielmehr klare begriffliche Unterscheidungen notwendig, wie sie der Buddha selbst gemacht hat, um „ganz zum höchsten Zweck“ kommen zu können (Ch. 24, Vers 10). Nagarjunas Hauptwerk ist ein weiterer Paradefall solcher Unterscheidungen.

Nagarjuna hat nicht folgende Auffassung des späteren Buddhismus gelehrt, die Sie (also H.Tr.) zitieren:

„paramartha-satya - ‚ultimate truth, absolute truth‘. Since this third level can neither be conceptual nor discursive, it is a truth which is inconceivable and inexpressible.“

Die Vorstellung von einer unfassbaren, damit letztlich unüberprüfbaren „absoluten Wahrheit“ ebnet der Willkür die Bahn. Denn dann gibt es zwangsläufig auch kirchenähnliche Verwalter bzw. Besitzer dieser Wahrheit, die zu hinterfragen gleichsam ein Frevel sei, denen gegenüber vielmehr „Hingabe an den Guru“ geboten sei. Dies ist nicht der Geist der Lehre Buddhas oder Nagarjunas, die ausführliche Anweisungen zu kritischer Untersuchung von Wahrheitsansprüchen absoluter Art gegeben haben.

Nagarjuna spricht im entscheidenden Vers zu den beiden Wahrheiten von „satyam paramârtha-tah“, das heißt eben wörtlich „Wahrheit in Bezug auf den höchsten Zweck.“

Zitat Ende.

Gruß

Horst

Bitte nicht so empfindlich sein
Hi Suzette

und du relativierst (z.B. das „Ich“ ist eine Illusion) dort, wo es dir zur Durchsetzung deiner subjektiven Überzeugung nützlich ist!

Dass das „Ich“ eine Illusion ist, das habe ich doch nicht erfunden. Ich brauche jetzt gar nicht nach Asien zu verweisen, es reicht ein Blick auf das Werk der französischen Strukturalisten, inbesondere das Werk des Psychoanalytikers Jacques Lacan.

Lacan, der wichtigste Psychoanalytiker Europas nach Freud, hielt das „Ich“ (frz. moi) definitiv für eine I l l u s i o n. Hier eine Einführung:

http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/43767.html

„Diese narzisstische Identifizierung mit dem wahrgenommenen Bild eines anderen bildet die Matrix für die Konstitution des „Ich“. Somit ist das „Ich“, das Einheit verspricht, ein anderes (ein imaginäres „Ich“, ein Phantasma), das entsteht in der Verkennung im Imaginären. Das „Ich“ verfestigt sich konstitutiv in dieser Illusion und besteht allein in der kontinuierlichen Bezugnahme auf diese Täuschung. Die strukturalistische Tätigkeit Lacans dezentriet das Subjekt, demaskiert das „Ich“ als Illusion, entlarvt das Selbstbewusstsein als imaginäre Struktur…“

Zitat Ende.

Bei Beschwerden wende dich also bitte an Monsieur Lacan (irgendwo im Totenreich, er verstarb 1981).

Siehe auch:

http://de.wikipedia.org/wiki/Jacques_Lacan

Also was denn nun? Wenn das „Ich“ eine Illusion ist,
warum ist dann nicht auch die runde Erde eine Illusion?

„Ich“ ist ein psychologischer Begriff, „Erde“ ein physikalischer. Das sind zwei sehr verschiedene Bereiche. Ein „Ich“ kann man nicht sehen, die Erde schon. Ich dachte, dir sei das klar.

Du kannst ja glauben was du willst, aber hör endlich auf
andere für blöd zu verkaufen.

Wenn ich so empfindlich wäre (hier im Forum), wie du jetzt gerade, dann wäre ich schon lange aus dem Fenster gesprungen. Warum gehst du senkrecht auf die Palme, wenn ich der Meinung bin, dass du beim Nazi-Thema die moralische mit der Wahrheitsebene verwechselt hast? Ich kann das begründen. Wenn du das für irrig hältst, dann begründe, warum ich mich irre. Aber geh doch nicht gleich auf die Palme.

Ich verwechsle nichts, wie du mir sinniger Weise vorwirfst.

Das sagst du, ohne eine Begründung nachzureichen. Stattdessen kommt ein emotionaler Vorwurf:

Das ist ein derart primitiver suggestiver Mechanismus,
den man in diesen Foren leider immer wieder antrifft:

Damit nimmst du einem Diskussionspartner die Möglichkeit, dir zu widersprechen oder dir einen Irrtum vorzuhalten. So werden Diskussionen im Keim erstickt. Warum, glaubst du, sind die meisten meiner Texte ziemlich lang? Weil ich viele Worte auf Begründungen verwende.

Unterstelle dem anderen Unfähigkeit, dann ist deine eigene
Position gestärkt! Schäm dich!

Ich hatte nur von einer Verwechslung gesprochen, nicht von Unfähigkeit. Du bist wirklich sehr empfindlich. Ich wollte dich nicht verletzen, es ging mir nur um die Sache.

Gruß

Horst

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Hi Horst

Lacan, der wichtigste Psychoanalytiker Europas nach Freud,
hielt das „Ich“ (frz. moi) definitiv für eine I l l u s i o n.
„Die
strukturalistische Tätigkeit Lacans dezentriet das Subjekt,
demaskiert das „Ich“ als Illusion, entlarvt das
Selbstbewusstsein als imaginäre Struktur…“
Bei Beschwerden wende dich also bitte an Monsieur Lacan
(irgendwo im Totenreich, er verstarb 1981).

Dann zitiere doch gefälligst Lacan selbst und nicht jemanden, der über ihn schreibt. Wenn du so genau sein möchtest und dann so ungenau bleibst, wird das nichts.
Bloß weil es dir in dein Konzept passt, soll Lacan jetzt also das ICH als Illusion bezeichnet haben?! Dass er sich s o w e i t von Freud entfernt hat, bezweifle ich. Da wird wieder mal eine Ungenauigkeit beim Verfasser, der da über Lacan schreibt oder gar bei der Übersetzung stattgefunden haben, fürchte ich.
Gruß,
Branden

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Erkenntnis
Hi, Horst

danke für Deinen Beitrag. Er gehört in diesem Brett auf alle Fälle zu den anspruchsvolleren :smile: Sehr interessant.

So tief wollte ich gar nicht einsteigen und - ehrlich gesagt - ich hätte manches von dem was Du anbringst, auch gar nicht auf Anhieb gewußt.

Religionen widersprechen sich in ihren Aussagen, sagst Du. Dachte ich früher auch immer. Möglicherweise meinen sie aber letztlich doch das selbe, ohne es zu wissen. Klar, das persönliche ewige Leben nach dem Tod nach der christlchen Lehre unterscheidet sich vordergründig schon gewaltig von dem Nirwana der Buddhisten oder Hinduisten. Aber ich glaube, das ist letztlich nicht entscheidend. Man darf solche Dinge nicht zu technisch sehen. Letztlich ist es doch egal, ob es Gott wirklich gibt oder nicht, solange Milliarden von Menschen an seine Existenz glauben. Religion hat doch viel eher einen ordnungspolitischen Aspekt in Bezug auf die verschienenen Gesellschaften. Der Zweck heiligt die Mittel :smile:. Hauptsache, die Menschen schlagen sich nicht gegenseitig die Köpfe ein (im Großen und Ganzen jedenfalls nicht). Es ist im Ergebnis doch gleichgültig, warum sie dies nicht tun.

Der Mensch hat überlebt, trotz Krieg und Folter: Für mich ist das kein Widerspruch. Damit evolutionäres Leben entstehen konnte, mußten erst einmal Millionen von Konstruktionen sterben. Nur wenige haben sich bewährt. Wir haben heute keinen Negativ-Abriss dessen, was sich nicht bewährt hat. Wir sehen nur, was die Evolution hervorgebracht hat aber nicht, was sie nicht hervorgebracht hat. „Trial and Error“ ist das große Prinzip der Natur. Ich glaube, dass durch Kriege und Konkurrenz, etc z. B. der Innovationsdruck dafür gesorgt hat, dass Menschen ihre Überlebensstrategien ständig verbessern mußten. Klar sind in Kriegen viele Menschen zunächst mal umgekommen. Aber im Großen hat der Mensch überlebt. Ich hab mich oft gefragt, warum die Europäer Afrika kolonialisiert haben und nicht die Afrikaner die Europäer. Die Europäer waren weiterentwickelt. Die Frage ist nur, warum? Ich denke, weil in Europa viele Völker auf ziemlich engem Raum seit Jahrtausenden sich gegeneinander durchsetzen mußten. Das hat zur Weiterentwicklung geführt. In Afrika war Weiterentwicklung nicht nötig, weil die Völker sich kaum in die Quere gekommen sind. (nur ein sehr vereinfachter Abriss und ich weiß auch nicht, ob das stimmt. Ist nur meine Meinung!)

Warum glaube ich, dass Erkenntnis nur innerhalb der menschlichen Wahrnehmung möglich ist?

Tatsache ist doch, dass wir Menschen nur mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln denken oder handeln oder fühlen können. Innerhalb dieser Parameter können wir Erkenntnisse gewinnen. Seit es Menschen gibt, wird philosophiert. Warum eigentlich? Wohin kann da alles führen? Inwiefern ist die heutige Menschheit „schlauer“ als die alten Griechen oder die Babylonier oder die Summerer? Was hat die Philosophie der letzten 2000 Jahre letztlich denn gebracht? Die Theorien der Philosophen sind, wie sie auch immer heißen mögen, sind oft sehr scharfsinnig und bemerkenswert aber letztlich nichts anderes als SPEKULATION. Locke war sicher ein kluger Kopf, aber woher sollte er den wissen, was die Wahrheit ist? Er ist nicht Gott. Jeder Mensch schmort im eigenen Saft und ich meine das erkenntnistheoretisch :smile: Wir sind z. B. nur in der Lage 3 Dimensionen wahrzunehmen und wir können uns auch nur 3 Dim vorstellen. Mathematisch gibt es aber eine ganze Reihe Dimensionen mehr. Für die menschliche Wahrnehmung aber nicht. Die intellektuellen Möglichkeiten des Menschen sind sehr begrenzt, nicht weil der Mensch doof wäre, sondern weil sein Betriebssystem sehr selektiv arbeitet und nur Informationen verarbeiten kann, was es auch als Informationen identifiziert.

Sind nur so ein paar Gedanken. Ich weiß es ja auch nicht. Wenn man das alles weiterspinnt, kommt man zu der Erkenntnis, dass alle Erkenntnis sinnlos ist, weil wir nicht überprüfen können, ob sie zutreffend ist. Auch diese Erkenntnis selbst ist daher zweifelhaft.

LG Rolo

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Hallo Horst,

ich noch mal an anderer Stelle. Ja, die Theorie des Relativismus hat in der Tat ein gewaltiges immantentes Problem und ist scheinbar ein Widerspruch in sich. Ich bringe jetzt mal ein etwas bescheuertes Beispiel: Stelle Dir vor, drei Leute sollen einfach beschreiben, was sie sehen. Der eine sieht das Auto von hinten, der andere von vorne und der dritte sitzt im Auto. Die Beschreibungen der drei Leute dürften höchst unterschiedlich ausfallen und alle behaupten trotzdem, sie hätten recht. Sie haben auch recht, in Bezug auf ihre jeweilige Perspektive. Letztlich ist das ganze Gebilde aber ein Auto, was aber nicht ausschließt, dass alle drei Personen mit ihren Beschreibungen „recht“ haben. O.k. wie gesagt, vielleicht ein doofes Beispiel, aber es bringt ganz gut rüber, worauf ich hinaus will.

Dein Problem hatte ich auch schon oft in Bezug auf die Philosophie oder auch in Bezug auf die verschiedenen Weltreligionen, etc (wie ja bereits weier oben ausgeführt). Bleiben wir deshalb mal bei der Philosophie: Platon gilt als großer Denker, daneben war aber auch Hobbes ein kluger Kopf. Die Philosophiegeschichte ist voll von großen Denkern und klugen Köpfen, obwohl sich viele in ihren Aussagen widersprechen. Z. B. entweder gibt es das Gute per se ODER es muss erst durch das Wirken der Menschen hervorgebracht werden. Können beide Aussagen gleichzeitig „wahr“ sein? Man kann es natürlich hinzimmern. Man könnte argumentieren, dass im letzten Fall das Gute in der Fähigkeit des Menschen besteht, das Gute hervorzubringen. Dann wäre diese Fähigkeit das Gute. Was ich damit sagen will: Möglicherweise sagen z. B. Platon und Hobbes in letzter Konsequenz inhaltlich das gleiche aus.

Ich selbst bin ein großer Fan des Strukturalismus alla Heinz Förster, weil ich intuitiv fühle, dass an diesen Thesen etwas dran sein könnte (und ich kann mich natürlich total irren). Mich fasziniert die Idee, dass jede Realität virtuell in unserem Gehirn erzeugt wird. Natürlich gibt es auch hier „Logikfehler“. Wie kann ein Autor ein Buch schreiben, dass Millionen von Menschen lesen und das für alle Leser die gleichen Zeilen bietet, wenn die Wahrheit im Auge des Betrachters liegt. Warum erkennt jeder den Buchstaben „A“ als ein „A“? Warum bedeutet das Wort „Katze“ für jeden Leser das gleiche? etc, etc, etc

LG Rolo

Quellen und Vermengungen
Lieber vanBranden, lieber Horst!

Lacan, der wichtigste Psychoanalytiker Europas nach Freud,
hielt das „Ich“ (frz. moi) definitiv für eine I l l u s i o n.
„Die
strukturalistische Tätigkeit Lacans dezentriet das Subjekt,
demaskiert das „Ich“ als Illusion, entlarvt das
Selbstbewusstsein als imaginäre Struktur…“
Bei Beschwerden wende dich also bitte an Monsieur Lacan
(irgendwo im Totenreich, er verstarb 1981).

Dann zitiere doch gefälligst Lacan selbst und nicht jemanden,
der über ihn schreibt.

Es ist sicher etwas viel verlangt, für einen poppeligen www-Artikel das Oeuvre Lacans nach diesem einen Satz zu durchforsten. Die alleinige Schuld dafür trägt der sc$%h"%e$§i&ß Urheberrechtsgesetzgeber.

Was sich per google nicht auf die Schnelle im Original auftreiben lässt, muss dann eben leider leider per Sekundär- oder Tertiärquelle zitiert werden:

z.B.

Angesichts der bedrohenden Realität dieser ‚discorde primordiale‘ schafft sich das Menschenwesen im Spiegelstadium eine Illusion von idealer Einheitlichkeit, das Ich …

http://books.google.de/books?id=gIy_ezHnuZ4C&pg=PA75…

oder

Die Instanz des Ich (moi) ist für Lacan eine Illusion, ein wahnhaftes Gebilde, das vom Spiegelstadium an den Menschen in nicht mehr gutzumachender Weise spaltet.

http://books.google.de/books?id=ANHg7Ml0yHkC&pg=PA36…

Hier ließen sich noch mehr solcher Sekundärbelege zitieren, also dürfte die Behauptung, Lacan sähe das Ich als Illusion, auf dieser Ebene erstmal nicht das Problem sein.

Wenn du so genau sein möchtest und dann
so ungenau bleibst, wird das nichts.
Bloß weil es dir in dein Konzept passt, soll Lacan jetzt also
das ICH als Illusion bezeichnet haben?!

Richtig, da stimme ich dir dennoch vollauf zu, und warum, das möchte ich etwas ausführen.

Horst unterschlägt bei der wiederholten Berufung auf dieses Theorem Lacans aber m.E. mehrere wesentliche Dinge:

  1. das Moi ist für Lacan eine Illusion, nicht aber das Je.
    Beide französischen Ausdrücke bezeichnen aber das „Ich“, und auf dieser Ich-Spaltung in der französischen Sprache (in der deutschen Sprache könnte man die Spaltung vielleicht als Ich-mIch konzipieren) basiert im Grunde die ganze Theorie Lacans - überspitzt ausgedrückt, aber nicht unwahr, denn das Ich ist bei Lacan ja eben ein illusionärer Effekt auf der Ebene des Signifikanten.

Insofern ist die Wiedergabe: „Das Ich ist für Lacan eine Illusion“ streng genommen falsch, wenn schon, dann muss es heißen: „Das Ich (moi) ist für Lacan eine Illusion“. Ein wichtiger Punkt, auch wenn er sich wie eine unbedeutende Spitzfindigkeit lesen mag.

  1. an anderen Stellen nennt Lacan das Ich (moi) den Ort der Illusion, die Quelle von Illusion usw. Ja, was denn nun? Das muss berücksichtigt werden, denn das ist etwas wesentlich anders als die Aussage „das Ich ist eine Illusion“.

  2. wenn gesagt wird, für Lacan wäre das Ich eine Illusion, dann muss dazugesagt werden, dass für Lacan das Ich als Ganzheit eine Illusion ist bzw. dass die Ganzheit des Ich eine Illusion ist. Ist das Ich aber auf seine Ganzheit reduzierbar?

  3. es muss gesagt werden, was denn bei Lacan überhaupt eine „Illusion“ ist? ein Fehler, ein Irrtum, ein Hirngespinst?
    Nein, eben nicht, diese Illusion ist für Lacan eine notwendige und unaufhebbare Bedingung des Menschseins. Damit müsste man dialektisch aber auch schlussfolgern: Das Ich als Illusion ist. Die Alltagssprache nimmt das Illusionäre aber als genau das, was nicht ist.
    Insofern ist hier eine Bruchstelle, die bei der ‚Anwendung‘ der Aussage Ich=Illusion berücksichtigt werden muss.

  4. Es ist kein Zufall, dass bei beiden obigen Zitaten von mir jeweils gleich um die Aussage Ich=Illusion herum der Terminus „Spiegelstadium“ auftaucht.
    Das Spiegelstadium ist die Hintergrundüberlegung Lacans für seine Aussage Ich=Illusion, bzw. der Gedankengang, der zu dieser Aussage führt.
    Deshalb kann diese Aussage Ich=Illusion nicht sinnvoll aus Lacans Konzeption des Spiegelstadiums herausgelöst werden.

  5. Daher verbietet sich etwa auch eine simple Nebeneinanderstellung von Buddhismus und Lacan, selbst wenn in beiden Bereichen die Aussage Ich=Illusion vorkommt, weil ich davon ausgehe, dass der Buddhismus weder die Spaltung des Ich auf Signifikanten-Ebene in Je und Moi, noch eine dem Spiegelstadium entsprechende Struktur als Hintergrund seiner Aussage Ich=Illusion hat.
    Eine solche Aussage ist aber nichts anderes als der Gedankengang, der zu ihr führt.

Als Service für francophile Mitleser, die wissen möchten, was ein „Spiegelstadium“ ist, zitiere ich aus Laplanche/Pontalis, Vocabulaire de la psychanalyse:

D’après J. Lacan, phase de la constitution de l’être humain, qui se situe entre les six et dix-huit premieres mois; l’enfant, encore dans un etat d’impuissance et d’incoordination motrice, anticipe imaginairement l’appréhension et la maîtrise de son unité corporelle. Cette unification imaginaire s’opère par identification à l’image du semblable comme forme totale; elle s’illustre et s’actualiser par l’experience concrète où l’enfant percoit sa propre image dans un miroir.
Le stade du miroir constituerait la matrice et l’ebauche de ce qui sera le moi.

Dass er sich s o w e
i t von Freud entfernt hat, bezweifle ich. Da wird wieder mal
eine Ungenauigkeit beim Verfasser, der da über Lacan schreibt
oder gar bei der Übersetzung stattgefunden haben, fürchte ich.

Hmm, Lacan würde sagen, er habe sich -nach s o w e i t e r Entfernung von Freud durch die Freudianer nach ihm [und er meint da insbesondere auch dessen Tochter]- selbst wieder an Freud heranbewegt.

Dazu nochmal das obige Zitat - nun etwas weiter geführt:

Die Instanz des Ich (moi) ist für Lacan eine Illusion, ein wahnhaftes Gebilde, das vom Spiegelstadium an den Menschen in nicht mehr gutzumachender Weise spaltet und ihn von sich selbst entfremdet. Dieses Ich wurde in der Psychoanalyse lange Zeit überschätzt. Lt. Lacan ging diese Überschätzung nicht von Freud, sondern von seinen Nachfolgern aus, „weil Freuds metapsychologisches Werk nach 1920 von der ersten und zweiten Generation nach Freud -diesen unfähigen Leuten- schief gelesen, in delirierender Weise gedeutet worden ist“ (Lacan).

Mein Beitrag möge bitte nicht als Beitrag zu Lacan verstanden werden, ich kann und mag mich in den momentan auch gar nicht hineindenken, sondern eher als allgemeinen Beitrag zu Horsts Wilber’schen Methode der Vermengung von allem, was nicht schnell genug auf die Bäume kommt.

Das Problem ist m.E. nicht, ob eine Aussage nun unter uns Hobby-Philosophen im Original belegt ist oder sekundär, oder auch nur sinngemäß stimmt.
Das Problem ist, dass so eine Aussage wie Ich=Illusion nicht auf seinen bloßen Wortlaut reduziert werden darf, um sie in einem schnelle Zugriff kompatibel machen zu können mit auf der Wortlaut-Ebene ähnlichen Aussagen, die aber vor einem völlig anderen Theoriehintergrund getätigt wurden, und damit auch etwas anders bedeuten.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð €


Ich ist ein Anderes - es kommt nur so selten dazu.
(Arthur Öd)_

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Lieber Candide
erst einmal merci beaucoup! - Du hast dich einmal mehr als den wahren Lacan-Kenner gezeigt und -was noch wichtiger ist- die wesentlichen Unterschiede gut dargestellt.

Mein Beitrag möge bitte nicht als Beitrag zu Lacan verstanden
werden, ich kann und mag mich in den momentan auch gar nicht
hineindenken, sondern eher als allgemeinen Beitrag zu Horsts
Wilber’schen Methode der Vermengung von allem, was nicht
schnell genug auf die Bäume kommt.

:wink:

Das Problem ist m.E. nicht, ob eine Aussage nun unter uns
Hobby-Philosophen im Original belegt ist oder sekundär, oder
auch nur sinngemäß stimmt.

Nun, dich würde ich keinesfalls als Hobby-Philosophen bezeichnen…

Das Problem ist, dass so eine Aussage wie Ich=Illusion nicht
auf seinen bloßen Wortlaut reduziert werden darf, um sie in
einem schnelle Zugriff kompatibel machen zu können mit
auf der Wortlaut-Ebene ähnlichen Aussagen,
die aber vor einem völlig anderen Theoriehintergrund getätigt
wurden, und damit auch etwas anders bedeuten.

Merci vielmal und viele Grüße,
Branden

Moin Horst,

Der Vollständigkeit halber will ich die Ankündigung einlösen
und hier das Statement eines Experten zum Thema
Wahrheitsbegriff bei Nagarjuna zitieren

Sehr schön. Und dass du den Mut hast, diese Zitate hier reinzusetzen, die deine Postings weiter unten dermaßen zerlegen spricht immerhin für dich.

"Bei allen Fragen in Bezug auf Nagarjuna muss in erster Linie
das ins Auge gefasst werden, was Nagarjuna selbst gesagt hat,
ohne zu vorschnellen Schlüssen in die eine oder andere
Richtung zu kommen.

Genau meine Rede. Also nimm die Aufforderung doch mal ernst und lies Nagarjuna und versuch ihn zu verstehen, bevor du wild anhand von Sekundärquellen heruminterpretierst.

„Ohne vom Konventionellen auszugehen, wird der höchste Zweck
nicht gelehrt.
Ohne ganz zum höchsten Zweck gekommen zu sein,
wird das Verlöschen (Nirvâna) nicht realisiert.“

Vom Standpunkt dieser Verse gibt es also einen engen
Zusammenhang zwischen der konventionellen und der höchsten
Wahrheit (genauer gesagt: der Wahrheit in Bezug auf den
höchsten Zweck):

Korrekt. Und dies ist genau einer der Hauptunterschiede im Umfeld der buddhistischen Philosophen im Vergleich zu den westlichen Philosophen. Alle buddhistischen Philosophen verstehen ihre Lehre letztendlich als Anleitung zur Praxis zum Erreichen des (entsprechend der buddhistischen Lehre) „höchsten Zwecks“. Dies muss man im Auge behalten, wenn man untersucht, was mit bestimmten Begriffen gemeint sein kann. Definitionen, die sich nicht mit den Grundsätzen der buddhistischen Lehre vereinbaren lassen, scheiden z.B. automatisch aus.

Etwas ähnliches ist mir aus der westlichen Philosophie nicht bekannt.

Resümee von Vers 8: Beide sind gleichberechtigte Pfeiler des
Dharma des Buddha.

Nicht nur das. Beide können ohne das andere gar nicht bestehen, wie zwei Seiten einer Münze. Zudem sind beide sowohl intellektuell beschreibbar, als auch erfahrbar. Eine Einseitigkeit, wie sie beispielsweise in der westlichen Philosophie (z.B. beim Nihilismus oder Materialismus) durchaus vorkommen kann, wird von Nagarjuna grundsätzlich abgelehnt (weils es im Hinblick auf den „höchsten Zweck“ nicht zielführend ist).

Resümee von Vers 10: Der höchste Zweck ist ohne Einbeziehung
des Konventionellen nicht zu vermitteln. Der höchste Zweck
muss vermittelt und umgesetzt werden, um Freiheit zu
realisieren. Damit ist für Freiheit das Konventionelle
unabdingbar.

Richtig. Es gibt hier nämlich keine „Wertigkeit“ oder Abfolge, wie du versuchtest zu suggerieren. (zwei Seiten einer Münze)

In diesem Sinne transzendiert die höchste Wahrheit nicht
Begriffe oder Konzepte.

Korrekt. Es handelt sich eben nicht um eine „mythische Erfahrung“ die alles andere transzendiert, wie du in einem anderen Postings anführtest.

Außerdem impliziert „Wahrheit in Bezug auf den
höchsten Zweck“ (Vers 8: satyam paramârtha-tah), dass es eine
auf konventionellen Begriffen beruhende Wahrheit ist, die sich
nur auf den höchsten Zweck bezieht.

Korrekt. Und deshalb kann sie auch „durch konventionelle Begriffe“ erläutert werden. Es ist eben nicht so, dass sie nur „erfahrbar“ wäre.

Laut Nagarjuna liegt diese
Wahrheit also nicht jenseits von Begriffen; sondern lediglich
das, worauf sie sich bezieht, liegt jenseits von Begriffen.

Korrekt.

Praktizierende des Dharma in der Tradition Nagarjunas müssten
also heutige Wahrheitstheorien daraufhin untersuchen,
inwieweit sie sich auf den höchsten Zweck beziehen, diesen
höchsten Zweck durch klare Begrifflichkeit überzeugend
vermitteln können und auch die innere Praxis, um „ganz zum
höchsten Zweck zu kommen“ (Vers 10). In diesem Sinne gibt es
klare Unterschiede zwischen den verschiedenen
Wahrheitstheorien.

Sehr schön! Und genau daran scheitern nämlich deine Versuche immer wieder, Nagarjunas Lehren mit anderen Wahrheitstheorien zu vergleichen. Du missachtest nämlich diesbezüglich völlig den „höchstens Zweck“, bist unklar in deinen Begrifflichkeiten und der Aspekt innere Praxis wird von dir ebenfalls völlig missachtet (wenn man mal von ein paar schwurbeligen Verweisen deinerseits auf „mystische Erfahrungen“ absieht).

„Treffliche Sicht“ im Unterschied zu verfehlter Sicht galt ihm
ja als das wichtigste Glied des Achtfachen Pfades zur
Befreiung.

Korrekt. Und hier sind wir wieder beim Umfeld, in dem sich buddhistischen Philosophen bewegen. Es gibt hier tatsächlich eine verfehlte Sicht. Buddhistische Philosophie ist zweckgebunden und was dem Zweck nicht dient, wird als „verfehlt“ (oder auch „falsche Sicht“) bezeichnet. Somit wirst du solche Sichtweisen bei buddhistischen Philosophen auch nicht finden und deshalb kannst du auch nicht einfach irgendwelche Definitionen von Begriffen westlicher Philosophen auf buddhistische Philosophien übertragen ohne vorher hundertprozent abgeklopft zu haben, ob diese Definition dann noch dem entspricht, was in der buddhistischen Philosophie als „treffliche Sicht“ (oder rechte Sicht im Gegensatz zur falschen Sicht) bezeichnet wird.

Nagarjunas „konventionelle Wahrheit der Welt“ steht in keinem
Kontext, in dem es um Befreiung geht. Es handelt sich hierbei
um andere Wahrheitsaussagen, die sich mit den verschiedenen so
genannten „weltlichen Wahrheiten“ befassen.

Diese Aussage würde ich für durchaus diskussionswürdig erachten. Hier stimme ich nicht 100% zu, da z.B. ein korrektes Erkennen der „weltlichen Wahrheit“ meiner Meinung nach ein wichtiger Schritt zur Befreiung ist.

Auf dieser Ebene - das heißt der Ebene der den höchsten Zweck
andeutenden, ihn zu vermitteln suchenden Wahrheit - sind
vielmehr klare begriffliche Unterscheidungen notwendig, wie
sie der Buddha selbst gemacht hat, um „ganz zum höchsten
Zweck“ kommen zu können (Ch. 24, Vers 10). Nagarjunas
Hauptwerk ist ein weiterer Paradefall solcher
Unterscheidungen.

Richtig. Und genau so wenig, wie man somit begriffliche Unterscheidungen westlicher Philosophen auf buddhistische Lehre anwenden sollte, macht das Umgekehrte meiner Meinung nach auch keinen Sinn. Wenn es also in Zukunft hier um westliche Philosophie geht, dann sei bitte so gut und lass Nagarjuna oder andere buddhistische Philosophen da raus.

Nagarjuna hat nicht folgende Auffassung des späteren
Buddhismus gelehrt, die Sie (also H.Tr.) zitieren:

„paramartha-satya - ‚ultimate truth, absolute truth‘. Since
this third level can neither be conceptual nor discursive, it
is a truth which is inconceivable and inexpressible.“

Ich hoffe, du hast das nicht nicht übersehen.

Die Vorstellung von einer unfassbaren, damit letztlich
unüberprüfbaren „absoluten Wahrheit“ ebnet der Willkür die
Bahn. Denn dann gibt es zwangsläufig auch kirchenähnliche
Verwalter bzw. Besitzer dieser Wahrheit, die zu hinterfragen
gleichsam ein Frevel sei, denen gegenüber vielmehr „Hingabe an
den Guru“ geboten sei. Dies ist nicht der Geist der Lehre
Buddhas oder Nagarjunas, die ausführliche Anweisungen zu
kritischer Untersuchung von Wahrheitsansprüchen absoluter Art
gegeben haben.

Sehr schön. Herzlichen Dank dem Herrn Indologen.
Gruß
Marion

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Lacan stellt sich doch selbst neben den Buddhismus
Hi Candide und indirekt VB.

(weiter unten werde ich belegen, dass die Verbindung von Lacan und Buddhismus nicht nur durch andere Autoren, sondern auch durch Lacan selbst geschah)

(VB) Dann zitiere doch gefälligst Lacan selbst und nicht jemanden,
der über ihn schreibt.

Bitte sehr:

„Das Spiegelstadium ist ein Drama, dessen innere Spannung von der Unzulänglichkeit auf die Antizipation überspringt und für das an der lockenden Täuschung der räumlichen Identifikation festgehaltene Subjekt die Phantasmen ausheckt, die, ausgehend von einem zerstückelten Bild des Körpers, in einer Form enden, die wir in ihrer Ganzheit eine orthopädische nennen könnten, und in einem Panzer, der aufgenommen wird von einer wahnhaften Identität, deren starre Strukturen die ganze mentale Entwicklung des Subjekts bestimmen werden. So bringt der Bruch des Kreises von der Innenwelt zur Umwelt die unerschöpfliche Quadratur der Ich-Prüfungen hervor.“

(Lacan: Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion, Schriften I, S. 67 f.)

Hier geht es um das moi, das über das Spiegelstadium (nicht nur darüber) ausgebildet wird. Dieser Prozess mündet in einer, wie Lacan sagt, „wahnhaften Identität“.

Wenn du so genau sein möchtest und dann
so ungenau bleibst, wird das nichts.

Bitte beachten, dass ich Suzette geantwortet habe, der ich ja wohl nicht mit einer Doktorarbeit über Lacan kommen konnte. Aber ich begrüße es, wenn das Thema vertieft werden kann.

Bloß weil es dir in dein Konzept passt, soll Lacan jetzt also
das ICH als Illusion bezeichnet haben?!

An VB: Ja, es passt in mein Konzept, und Lacan soll nicht nur, sondern h a t das Ich (als moi!) als Illusion bezeichnet (als „imaginär“).

Horst unterschlägt bei der wiederholten Berufung auf dieses
Theorem Lacans aber m.E. mehrere wesentliche Dinge:

  1. das Moi ist für Lacan eine Illusion,
    nicht aber das Je.

Bitte beachte, Candide, dass ich im Posting an Suzette (auf das VB antwortet) klipp und klar vom Ich als m o i geschrieben habe:

„Lacan, der wichtigste Psychoanalytiker Europas nach Freud, hielt das „Ich“ (frz. moi) definitiv für eine I l l u s i o n. Hier eine Einführung… usw.“

Die Differenzierung wurde hier also durchaus angedeutet. Dass das nicht der ideale Ort war, um auch auf das „je“ einzugehen, ist hoffentlich klar.

Zudem ist das „je“ unbewusst, also ist es im konventionellen Sinne k e i n Ich. Es hat auch keine Einheit, es ist strukturiertes Begehren, mehr nicht:

(ich zitiere hier einen eigenen älteren Text, noch vor der Rechtschreibreform)

„Dieses Bewußtseins-Ich, das nur denkt, daß es denkt, bezeichnet Lacan mit der französischen Form des reflexiven Ich als ‘moi’, im Unterschied zur unmittelbaren Ichform des ‘je’, dem Subjekt des Unbewußten, das symbolisch strukturiert ist. Diese terminologische Differenzierung indiziert die grundlegende Gespaltenheit des Individuums in ein bewußtes Subjekt, welches den Modus der eigenen Existenz vollständig verkennt, und ein unbewußtes, welches hinter dem Rücken des imaginären Subjekts das Spiel des Begehrens treibt.“

Beide französischen Ausdrücke bezeichnen
aber das „Ich“, und auf dieser Ich-Spaltung in der
französischen Sprache (in der deutschen Sprache könnte man die
Spaltung vielleicht als Ich-mIch konzipieren) basiert im
Grunde die ganze Theorie Lacans - überspitzt ausgedrückt, aber
nicht unwahr, denn das Ich ist bei Lacan ja eben ein
illusionärer Effekt auf der Ebene des Signifikanten.

Es ist erfrischend, hier mal jemanden anzutreffen, der Lacan draufhat.

Insofern ist die Wiedergabe: „Das Ich ist für Lacan eine
Illusion“ streng genommen falsch, wenn schon, dann muss es
heißen: „Das Ich (moi) ist für Lacan eine Illusion“.

Siehe oben: das moi war als solches erwähnt.

Ich verweise auch auf die Sekundärliteratur („Kein Mensch kann für mich fühlen“ von Günther Bittner, ein Professor für Pädagogik):

http://books.google.de/books?id=ANHg7Ml0yHkC&pg=PA36…

Hier heißt es auf Seite 36: „Die Instanz des Ich (moi) ist für Lacan eine Illusion, ein wahnhaftes Gebilde… usw.“.

Ich bin also nicht der einzige, der diese Formulierung auf Lacan bezieht. Prof. Bittner ist ebenso kühn.

  1. es muss gesagt werden, was denn bei Lacan überhaupt eine
    „Illusion“ ist? ein Fehler, ein Irrtum, ein Hirngespinst?

http://books.google.de/books?id=VuU1_6sZqYkC&pg=PA23…

(Seite 239)

„Als bloßer „Schein“ und Ausdruck eines narzisstischen Projekts der Selbstsuche wird das Imaginäre bei Lacan eher pejorativ konnotiert… usw."

Zitat Ende.

Ja, es ist kein Geheimnis, dass das Imaginäre (also die Dimension des moi) bei Lacan keine gute Presse hat. Er favorisiert das Symbolische.

Nein, eben nicht, diese Illusion ist für Lacan eine notwendige
und unaufhebbare Bedingung des Menschseins. Damit müsste man
dialektisch aber auch schlussfolgern: Das Ich als
Illusion
ist. Die Alltagssprache
nimmt das Illusionäre aber als genau das, was nicht
ist.

Nun, die vom moi eingebildete Einheit seiner selbst - d i e ist illusionär, ist eine Illusion. Insofern ist die Illusion selbst r e a l (als Illusion), aber ihr Inhalt (die Einheit des moi) ist es nicht.

  1. Daher verbietet sich etwa auch eine simple
    Nebeneinanderstellung von Buddhismus und Lacan, selbst wenn in
    beiden Bereichen die Aussage Ich=Illusion vorkommt…

http://www.textem.de/417.0.html

(Sekundärtext über Lacan)

„Es nimmt von daher nicht Wunder, dass Lacan auf den Buddhismus zu sprechen kommt, der als einer der ersten ausplauderte, dass „das Begehren illusorisch ist… usw.“

Zitat Ende.

In diesem Zusammenhang (im „Seminar Buch 10“) stellte sich Lacan also selbst neben den Sprich-ihn-nicht-aus.

Weiterer Beleg:

www.speakingoflacan.com/articles/LastBuddha%202008.doc

„In the Seminar on Anxiety Lacan has made use of Judaism and its practices, and of Christianity; and finally he will make use of Buddhism in his effort to …“

„Now we consider Lacan’s position that Nirvana is not negation, not a pure reduction to nothingness, but a “not to have”. In this “not to have” we can hear the question of desire.“

„Sakaymuni ventured out to discover something that he ‘did not know’. In the seminar on “The Transference”, Lacan tells us that it is the fact that he ‘’did not know’ that sets Oedipus apart from all the stories of son’s wanting to kill their fathers and marry their mothers. (That the Real surmounts the Symbolic is essential to the Oedipus complex, and it is how analysis operates. [Seminar XXII]).“

Zudem noch ein Hinweis auf ein Buch, das Lacan mit dem B. verbindet:

http://www.amazon.de/Begehren-Fluchten-Signifikanten…

Titel:

„Ich und das Begehren in den Fluchten der Signifikanten: Eine Vernähung der Lacan’schen Psychoanalyse mit dem Zen-Buddhismus“

Ich denke, das reicht als Beleg dafür, dass die Verbindung von Lacan und Buddhismus nicht nur eine typisch Chan´sche Experimentierlaune ist.

Mein Beitrag möge bitte nicht als Beitrag zu Lacan verstanden
werden, ich kann und mag mich in den momentan auch gar nicht
hineindenken, sondern eher als allgemeinen Beitrag zu Horsts
Wilber’schen Methode der Vermengung von allem, was nicht
schnell genug auf die Bäume kommt.

Ich hoffe, belegt zu haben, dass dieser Vorwurf nicht nur an mich und andere Autoren, sondern auch an Lacan selbst zu richten wäre.

Gruß

Horst

Da stellt sich doch einer selbst neben sich
Hi

Es ist erfrischend, hier mal jemanden anzutreffen, der Lacan
draufhat.

War doch meine Rede!

… Horsts
Wilber’schen Methode der Vermengung von allem, was nicht
schnell genug auf die Bäume kommt.

Ich hoffe, belegt zu haben, dass dieser Vorwurf nicht nur an
mich und andere Autoren, sondern auch an Lacan selbst zu
richten wäre.

Was die Sache nicht unbedingt besser macht.
Dieses zwanghafte „alles-gute-und-richtige-kommt-aus-derselben-quelle“-Denken nervt nicht nur Candide und mich, sondern es hat auch etwas Allzu-Kindliches.
Leider litten auch sehr gebildete Menschen wie Ernst Bloch und C.G. Jung an dieser Krankheit. Wenn man sich zum Beispiel nur mal „Das Prinzip Hoffnung“ anschaut, kann einem leicht übel werden, wie in Ulysses-hafter hysteriformer Aufzählung ein Ritt über den bodenlosen Bodensee gemacht wird und der Autor damit u.a. versucht, seine narzisstischen Riesenlöcher zuzudecken…
Aber das fällt ja alles schon mehr in mein Fach als in das hiesige Brett…
Gruß,
Branden

aber als Hinweis, nicht als Argument-Ersatz
Lieber Horst!

Horst unterschlägt bei der wiederholten Berufung auf dieses
Theorem Lacans aber m.E. mehrere wesentliche Dinge:

  1. das Moi ist für Lacan eine Illusion,
    nicht aber das Je.

Bitte beachte, Candide, dass ich im Posting an Suzette (auf
das VB antwortet) klipp und klar vom Ich als m o i geschrieben
habe:

„Lacan, der wichtigste Psychoanalytiker Europas nach Freud,
hielt das „Ich“ (frz. moi) definitiv für eine I l l u s i o n.
Hier eine Einführung… usw.“

Ok, das habe ich zur Kenntnis genommen.
Es hat nur mit meinem je/moi-Einwand nicht direkt zu tun, weil der Nicht-Lacan-Kenner, wenn er diese Passage liest, halt einfach meint, es wäre ein bloßer Übersetzungshinweis.
Aber mit der Übersetzung vom Französischen ins Deutschen hat je/moi bei Lacan ja nicht zu tun, das kann die Leserin, die ihn nicht kennt, aber nicht wissen.

Aber gut, akzeptiert.

Ich verweise auch auf die Sekundärliteratur („Kein Mensch kann
für mich fühlen“ von Günther Bittner, ein Professor für
Pädagogik):

http://books.google.de/books?id=ANHg7Ml0yHkC&pg=PA36…

Hier heißt es auf Seite 36: „Die Instanz des Ich (moi) ist für
Lacan eine Illusion, ein wahnhaftes Gebilde… usw.“.

Ich bin also nicht der einzige, der diese Formulierung auf
Lacan bezieht. Prof. Bittner ist ebenso kühn.

Hee!
dieses Werk hatte ich doch zitiert!
:wink:

  1. es muss gesagt werden, was denn bei Lacan überhaupt eine
    „Illusion“ ist? ein Fehler, ein Irrtum, ein Hirngespinst?

http://books.google.de/books?id=VuU1_6sZqYkC&pg=PA23…

(Seite 239)

„Als bloßer „Schein“ und Ausdruck eines narzisstischen
Projekts der Selbstsuche wird das Imaginäre bei Lacan eher
pejorativ konnotiert… usw."

Zitat Ende.

Was sagt mir das jetzt?
Letzte Woche habe ich einen kleinen Artikel von Mladen Dolar gelesen (ein Zizek-Schüler), in dem er Althussers berühmten Artikel über die Ideologischen Staatsapparate kritisierte, weil dort das Imaginäre nicht zu vollem Recht käme, da Althusser Lacan nicht voll ernst genommen hätte …

Hier ist dann, sozusagen, im Namen Lacans das Imaginäre überaus positiv konnotiert gewesen, nämlich als diejenige Instanz, die den sozialen Forderungen und Zumutungen eine Eigenlogik entgegensetzt, die Quelle des Widerstands gegen das Soziale darstellt …

Und nun, reden die von zwei verschiedenen Lacans?

Ich will damit sagen: deine verlinkte Aussage ist einfach viel zu undifferenziert, um eine befriedigende Antwort auf meine wichtige Frage 4) sein zu können.

  1. Daher verbietet sich etwa auch eine simple
    Nebeneinanderstellung von Buddhismus und Lacan, selbst wenn in
    beiden Bereichen die Aussage Ich=Illusion vorkommt…

http://www.textem.de/417.0.html

(Sekundärtext über Lacan)

„Es nimmt von daher nicht Wunder, dass Lacan auf den
Buddhismus zu sprechen kommt, der als einer der ersten
ausplauderte, dass „das Begehren illusorisch ist… usw.“

Zitat Ende.

Ich sprach von „simpler Nebeneinanderstellung“, dass Lacan selbst einige Nähen seiner Theorie zum Zen-Buddhismus sieht, weiß ich noch von der Lektüre der Ècrits her, wo er in einem der Aufsätze ebenfalls solches erwähnt (hab nun doch nachgeschaut in welchem: in seinem berühmten Fonction et champ de la parole et du langage en psychanalyse der Vortrag von Rom im Sommer 1953)

übrigens: Der Titel hier spricht von „Vernähung“, ich von „Nebeneinanderstellung“. Zwei ganz unterschiedliche Arten um mit der Frage Lacan+Buddhismus umzugehen.
http://www.amazon.de/dp/3814220188

Ich denke, das reicht als Beleg dafür, dass die Verbindung von
Lacan und Buddhismus nicht nur eine typisch Chan´sche
Experimentierlaune ist.

Das war mir klar.

Das, was mir Unbehagen verschafft, ist nicht, dass du eine solche Verbindung zeigst, sondern wie du sie verwendest.
Da kommst du unten im Stirner-Teilthread darauf, dass das Ich ein soziales Konstrukt sein, und auf Erwiderung berufst du dich dann darauf, dass man das schon beim Buddhismus und bei Lacan sehen könne … als wenn das alles so glatt gleichgesetzt werden könnte und alles irgendwie in sich einheitlich sei.

Dein Schreibstil erinnert mich sehr an Wilber, auch wenn du hier keine Vierfeldertafeln bringst: alles passt immer locker in die Kästchen und man subsumiere im Nebensatz einfach mal drei, vier Positionen unter das Feld rechts unten „Ich=Illusion“, als da wären zu nehmen: Buddhismus, Sozialkonstruktivismus, Lacan (Hume würde noch dazu passen, und vielleicht auch Marx und Epikur) und dann gehe man zu Feld oben links mit Namen „Ego“ und stecke hinein: Descartes, Stirner, Anna Freud und Adam Smith.

Das ist jetzt ganz sicher überspitzt dargestellt, aber im Kern, glaube ich, nicht falsch. Als wäre das alles widerspruchsfrei und alles in der philosophischen Literatur klar entschieden, und als gäbe es nicht ganz andere Lesarten dazu.

Mein Beitrag möge bitte nicht als Beitrag zu Lacan verstanden
werden, ich kann und mag mich in den momentan auch gar nicht
hineindenken, sondern eher als allgemeinen Beitrag zu Horsts
Wilber’schen Methode der Vermengung von allem, was nicht
schnell genug auf die Bäume kommt.

Ich hoffe, belegt zu haben, dass dieser Vorwurf nicht nur an
mich und andere Autoren, sondern auch an Lacan selbst zu
richten wäre.

Warum? Das verstehe ich nicht.
Lacan ist diese von mir sogenannte All-Vermengung gewiss nicht vorzuwerfen.
Es geht doch nicht darum, dass an an manchen Stelle seines Werkes Parallelen zum Zen, zu Spinoza, zu Descartes, zu wasweißich anspricht, es geht darum, wann und wie er es einsetzt, und Lacan sagt eben nicht; „Das Ich ist eine Illusion!“ und begründet es dann mit einem Zitat eines Buddhisten und einem Zitat Humes.

So (wieder überspitzt gesagt natürlich) gehts du aber m.E. oft vor - also ob sich einzelne Thesen aus den Gedankengebäuden, aus denen sie hervorgehen, einfach so, ohne Bewegung des Begriffs, lösen ließen. Das verbleibt irgendwie immer auf Wortlaut-Ebene, und liest sich furchtbar unphilosophisch, weil Philosophie ja doch eher die Bewegung des Begriffs ist als ein bruchloses Übergehen von Stirners Ich zum ‚Ich als soziales Kostrukt‘ zu Lacans ‚Ich=Illusion‘ zum Buddhismus, wie drei Threads weiter unten. Aber ich wiederhole mich.

Oder z.B. ebenfalls im Stirner-Teilthread:
Hegel und die Vedantisten sagen: es ist der Weltgeist, der d u r c h uns spricht. Das Ich (vedantisch: atman) ist nur eine Maske (griech.: persona).

Der Satz ist irgendwie sinnlos, weil Hegel und der Vedanta das wenn schon auf sehr unterschiedlichem Hintergrund sagen.
Überleg dir mal, wo Hegel den Vedanta in seiner Geschichte der Philosophie einordnen würde bzw. eingeordnet hat (vor die Geschichte der Philosophie, wenn ich mich nicht ganz täusche), und du verbindest die beiden Denksysteme einfach mal so durch die Konjunktion „und“.
Und als Folge kommt dann dabei heraus, dass ich nun raten muss, ob du wirklich noch Hegel die Aussage „Das Ich ist nur eine Maske“ zuschreibst (was total daneben wäre), oder ob das dann nur noch für den Vedanta gilt (wo ich es nicht beurteilen kann) …

Jetzt habe ich doch viel mehr geschrieben als gewollt.
Verstehe meine Haltung bitte nicht als Einstimmen in diese seltsamen Troll-Vorwürfe P.s unten, das wird der Sache m.E. nicht gerecht, aber Brandens Qualifizierung als „oberflächlich“ trifft es wohl dann doch ganz gut - auch wenn die Entdeckung der Oberfläche der Philosophie nicht grundsätzlich schaden könnte :wink:

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

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Sind wir nich alle irgendwie ein bisschen Illusion
Moin,

  1. Daher verbietet sich etwa auch eine simple
    Nebeneinanderstellung von Buddhismus und Lacan, selbst wenn in
    beiden Bereichen die Aussage Ich=Illusion vorkommt…

http://www.textem.de/417.0.html

(Sekundärtext über Lacan)

„Es nimmt von daher nicht Wunder, dass Lacan auf den
Buddhismus zu sprechen kommt, der als einer der ersten
ausplauderte, dass „das Begehren illusorisch ist… usw.“

Zitat Ende.

Ich sprach von „simpler
Nebeneinanderstellung“, dass Lacan selbst einige
Nähen seiner Theorie zum Zen-Buddhismus sieht, weiß ich noch
von der Lektüre der Ècrits her, wo er in einem der Aufsätze
ebenfalls solches erwähnt (hab nun doch nachgeschaut in
welchem: in seinem berühmten Fonction et champ de la
parole et du langage en psychanalyse
der Vortrag von
Rom im Sommer 1953)

Nur weil Lacan hier „Nähen sieht“ heißt das nicht unbedingt, dass es die Nähen auch gibt. Gemeinerweise könnte man sagen, vielleicht frönt Lacan hier auch nur ein wenig dem Zeitgeist. Anfang des 20 Jhrds bis in die 60er Jahre hinein war es in bestimmten westlichen Kreisen (Psychologen/Psychoanalytikern, Theosophen, Philosophen) ziemlich „hipp“ sich irgendwie auch immer mal auf den Buddhismus zu beziehen. Aus der heutigen Perspektive heraus betrachtet waren die tatsächlichen Kenntnisse des Buddhismus dieser Herrschaften jedoch im Allgemeinen recht mager. Um nun beurteilen zu können, ob sich jemand wie Lacan überhaupt zurecht auf den Buddhismus bezieht, müsste man schon mal genauer hinsehen. Der Verweis „Ich = Illusion“ ist hier schlichtweg zu dünn, da man erstmal klären müsste, was Lacan, bzw. eine bestimmte buddhistische Schule mit „Ich“ und was mit „Illusion“ meinen würde. Die Aussage „Tisch = Illusion“ wäre aus buddhistischer Sicht in dieser Form genau so richtig oder falsch, oder eben nichtssagend.

Jetzt habe ich doch viel mehr geschrieben als gewollt.
Verstehe meine Haltung bitte nicht als
Einstimmen in diese seltsamen Troll-Vorwürfe P.s unten, das
wird der Sache m.E. nicht gerecht,

Mal sehen, was du zwei Jahre und hundert Diskussionen später noch zu Horst Ergüssen sagst, wenn du feststellst, dass die ewig gleichen Verdrehtheiten, unzulässigen Vereinfachungen und Vermengungen immer wieder kommen, ohne dass hier ein Fortschritt ersichtlich ist, obwohl du dir hundert Mal in guter Absicht die Finger wundgetippt hast :smile:

Gruß
Marion

Liebe Pendragon!

Ich sprach von „simpler
Nebeneinanderstellung“, dass Lacan selbst einige
Nähen seiner Theorie zum Zen-Buddhismus sieht, weiß ich noch
von der Lektüre der Ècrits her, wo er in einem der Aufsätze
ebenfalls solches erwähnt (hab nun doch nachgeschaut in
welchem: in seinem berühmten Fonction et champ de la
parole et du langage en psychanalyse
der Vortrag von
Rom im Sommer 1953)

Nur weil Lacan hier „Nähen sieht“ heißt das nicht unbedingt,
dass es die Nähen auch gibt. Gemeinerweise könnte man sagen,
vielleicht frönt Lacan hier auch nur ein wenig dem Zeitgeist.
Anfang des 20 Jhrds bis in die 60er Jahre hinein war es in
bestimmten westlichen Kreisen (Psychologen/Psychoanalytikern,
Theosophen, Philosophen) ziemlich „hipp“ sich irgendwie auch
immer mal auf den Buddhismus zu beziehen. Aus der heutigen
Perspektive heraus betrachtet waren die tatsächlichen
Kenntnisse des Buddhismus dieser Herrschaften jedoch im
Allgemeinen recht mager.

Hier pflichte ich größtenteils bei …

Um nun beurteilen zu können, ob sich
jemand wie Lacan überhaupt zurecht auf den Buddhismus bezieht,
müsste man schon mal genauer hinsehen. Der Verweis „Ich =
Illusion“ ist hier schlichtweg zu dünn, da man erstmal klären
müsste, was Lacan, bzw. eine bestimmte buddhistische Schule
mit „Ich“ und was mit „Illusion“ meinen würde. Die Aussage
„Tisch = Illusion“ wäre aus buddhistischer Sicht in dieser
Form genau so richtig oder falsch, oder eben nichtssagend.

… und das war ja auch mein Argument, richtig.

Man könnte jetzt noch hinzufügen, dass er an der von mir angegebenen Stelle des Vortrags von Rom (zum potentiellen Nachlesen: S. 314 der Ècrits I) diese Nähen sogar nur zu „qu’on désigne sous le nom de zen“ sieht. Außerdem sieht er im Nachsatz auch sofort Nicht-Nähen.

Alles nicht so dramatisch bei Lacan.

Ansonsten kann ich in puncto Buddhismus schlicht nicht mitreden, außer dass ich ihn als überaus heterogen einschätze, so dass jeder Philosoph ein Versatzstückchen zum Ver-nähen bei ihm finden dürfte, zumal auch nicht allzu sehr und nicht allzu verbindlich festgelegt sein dürfte, was noch als B. gelten darf, und was nicht mehr als B. gelten darf usw.

Jetzt habe ich doch viel mehr geschrieben als gewollt.
Verstehe meine Haltung bitte nicht als
Einstimmen in diese seltsamen Troll-Vorwürfe P.s unten, das
wird der Sache m.E. nicht gerecht,

Mal sehen, was du zwei Jahre und hundert Diskussionen später
noch zu Horst Ergüssen sagst, wenn du feststellst, dass die
ewig gleichen Verdrehtheiten, unzulässigen Vereinfachungen und
Vermengungen immer wieder kommen, ohne dass hier ein
Fortschritt ersichtlich ist, obwohl du dir hundert Mal in
guter Absicht die Finger wundgetippt hast :smile:

Ich will mich da eigentlich nicht einmischen, zumal die eine einzige größere Diskussion, die ich bisher mit ihm führen durfte, eine recht angenehme und unaufgeregte war.

Die Qualität seiner Aussagen zum Buddhismus kann ich logischerweise überhaupt nicht einschätzen, da muss ich dir glauben, seine Aussagen zur Philosophie, soweit ich die einschätzen kann, empfinde ich auf keinen Fall gleich als trollhaft - trotz der generellen Kritik, die ich selbst oben an seiner Art zu schreiben geübt habe.

Ich persönlich mag das überwiegend schon was er hier an Artikeln schreibt, sorry, ist so.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

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Sind wir nich irgendwie ein bisschen Super-Illu?
Lieber Candide

Alles nicht so dramatisch bei Lacan.

Das tröstet mich jetzt ein wenig :wink:.

Ansonsten kann ich in puncto Buddhismus schlicht nicht
mitreden, außer dass ich ihn als überaus heterogen einschätze,
so dass jeder Philosoph ein Versatzstückchen zum Ver-nähen bei
ihm finden dürfte, zumal auch nicht allzu sehr und nicht allzu
verbindlich festgelegt sein dürfte, was noch als B. gelten
darf, und was nicht mehr als B. gelten darf usw.

So ähnlich habe ich mich vor ein paar Wochen dazu mal im Reli-Brett geäußert, als Horst ein nees Fass aufmahen wollte zwischen westlichem und Original-Buddhismus.

…seine Aussagen zur Philosophie, soweit ich die
einschätzen kann, empfinde ich auf keinen Fall gleich als
trollhaft - trotz der generellen Kritik, die ich selbst oben
an seiner Art zu schreiben geübt habe.

Das sehe ich ebenfalls ähnlich.
Gruß,
Branden

Münchner Derby
Hi Rolo.

Wenigstens verläuft das Münchner Derby hier friedlich. Ich bin ja mittlerweile zum Experten für geschlossene Teilthreads geworden, obwohl ich die Netiquette nie verlasse (im Unterschied zu anderen) und immer betont sachlich argumentiere (ich sage nicht: wahr, ich sage: sachlich).

Vielleicht sollte hier mal ein Thread abgespult werden, der die Regeln des wissenschaftlichen Argumentierens durchhechelt (zu denen auch emotionale Zurückhaltung zählt). Ich halte das für s e h r sinnvoll.

Nun aber zu deiner Antwort:

Religionen widersprechen sich in ihren Aussagen, sagst Du. Dachte ich früher auch immer. Möglicherweise meinen sie aber letztlich doch das selbe, ohne es zu wissen.

Ich denke, dass es sehr tiefe Gräben zwischen manchen Religionen gibt, die unüberbrückbar sind, auch wenn Michael von Brück das anders sieht :smile:. Aber in Anbetracht des Fakts, dass gerade erst wieder ein Teilthread wg. Nähe zu einer bestimmten Religion geschlossen wurde, will ich das Thema hier nicht vertiefen.

Letztlich ist es doch egal, ob es Gott wirklich gibt oder nicht, solange Milliarden von Menschen an seine Existenz glauben.

Nun, so ganz egal ist es nicht, würde ich sagen. Schließlich folgen aus solchem Glauben ja auch praktische Konsequenzen.

Religion hat doch viel eher einen
ordnungspolitischen Aspekt in Bezug auf die verschienenen Gesellschaften.

Ja, das ist die funktionalistische Sicht auf das Phänomen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Religionsdefinition

„Der funktionalistische Religionsbegriff definiert Religion über die Funktion. Er geht davon aus, dass Religion für das Individuum und die Gesellschaft eine prägende Rolle spielt und diese mitgestaltet. Religion wird hier über die soziale Funktion, d.h., in Bezug auf gesellschaftliche und individuelle Zusammenhänge, definiert. Vertreter der funktionalistischen Religionsdefinition sind Emile Durkheim, Ninian Smart und Thomas Luckmann.“

Zitat Ende.

Ich denke aber, dass das nur ein Teilaspekt des Phänomens ist, eben der soziologische. Nimm einen anderen Bereich: Eros bzw. Sex. Auch hier könnte man von einem funktionalistischen Aspekt sprechen: beides wirkt sozialintegrativ und artenerhaltend. Wer aber würde leugnen, dass es auch eine andere, eine innere Dimension gibt, die soziologisch nicht fassbar ist?

Der Mensch hat überlebt, trotz Krieg und Folter: Für mich ist das kein Widerspruch.

Natürlich nicht. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass das Wahrheitskriterium nicht zuverlässig mit dem Überlebenskriterium zusammenhängt. Wahrheit lässt sich sicher nicht nur daran messen, was der Spezies bezüglich ihrer Überlebensfähigkeit förderlich ist. Das hattest du aber irgendwie angedeutet.

Warum glaube ich, dass Erkenntnis nur innerhalb der
menschlichen Wahrnehmung möglich ist?

Tatsache ist doch, dass wir Menschen nur mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln denken oder handeln oder fühlen können. Innerhalb dieser Parameter können wir Erkenntnisse gewinnen.

Genau hier entsteht die Frage, was alles zu diesen Mitteln gehört. Leute wie Wilber…

(siehe das Stufenmodell in:

http://members.aon.at/integrale-medizin.at/spektrum_…)

… weiten die Möglichkeiten bzw. den Horizont der Wahr-Nehmung sehr aus.

Noch vor hundert, erst recht vor dreihundert oder achthundert Jahren hätte kein Mensch die naturwissenschaftlich-technischen Methoden und Kenntnisse, die wir heute haben, für möglich gehalten. Sie wären den Menschen wie Zauberei erschienen. Ebenso enthält die i n n e r e Dimension des menschlichen Geistes ein Potential, das dem alltäglichen Denken verschlossen ist, aber deswegen keineswegs irreal ist.

Ich komme auf diesen Punkt ein andermal zurück.

Gruß aus dem Münchner Gasteig

Horst

2 Like

Hi, Horst,

hort sich alles sehr gut an. Ich könnte den ganzen Tag über dieses Thema diskutieren :smile: Der Alltag ist oft so belanglos…

Leider hab ich grad wenig Zeit.

Nur noch soviel:

Ken Wilber kenn ich (nicht persönlich, nur ein paar Bücher von ihm). I"ntegrale Theorie" oder so ähnlich war der Titel des letzten, dass ich von ihm gelesen habe. Ist alles schön und gut, was dieser Herr da schreibt, aber auch das ist SPEKULATION. Es gibt keine Möglichkeit, diese Thesen zu verifizieren…

Und noch etwas:

Ich glaube, objektiv war es auch in der Steinzeit möglich, einen Düsenjäger herzustellen. Nur gab es niemanden, der wußte wie es geht.
Die sogenannte Weiterentwicklung er Forschung, etc. ist meiner Meinung nach nur eine Anpassung der Wahrnehmung. Es wird eigentlich nichts Neues erfunden, höchstens entdeckt.

Kenne München übrigens ganz gut. Hab sieben Jahre in Neuhausen gehaust.

Bis bald, Rolo

Nochmal Wahrheit
Hi, Horst,

Ich bin
ja mittlerweile zum Experten für geschlossene Teilthreads
geworden, obwohl ich die Netiquette nie verlasse (im
Unterschied zu anderen) und immer betont sachlich argumentiere
(ich sage nicht: wahr, ich sage: sachlich).

Hab ich bemerkt. Ziemlich viele Einträge wurden geschlossen. Schade eigentlich. Ist doch positiv, wenn eine Diskussion aufkommt. Auch wenn nicht immer Übereinstimmung herrscht. Das ist ja gerade das Wesen einer Diskussion, dass verschiedene Standpunkte vorgetragen werden und auch gestritten wird. Aber was solls - geht mich nix an.

Ich denke, dass es sehr tiefe Gräben zwischen manchen
Religionen gibt, die unüberbrückbar sind, auch wenn Michael
von Brück das anders sieht :smile:. :

Ich denke, dass das keine echten Gräben sind. Es sind sozusagen virtuelle Gräben, erfundene Gegensätze. Was geglaubt wird und was nicht, ist ja völlig willkürlich. Stelle Dir vor, die Bibel wäre nicht überliefert worden bzw. die christliche Lehre hätte sich nicht etabliert, dann gäbe es heute halt keine Christen. Na und? Dann gäbe es vielleicht eine Religionsgemeinschaft mit Namen „XYZ“ und sie würden vielleicht daran glauben, dass Steine heilig sind, oder Maden oder dass Gott in Sonnenblumen steckt oder dass man Flüsse anbeten muss oder den Polarstern. Es ist doch völlig schnuppe. Der Glaube an Gott ist genauso spekulativ, wie der Glaube, dass es Gott nicht gibt. Das weiß niemand und das ist vielleicht auch gut so.

Was vielleicht noch ganz interessant wäre, ist das Motiv des Menschen, überhaupt an etwas Übersinnliches glauben zu wollen. Wie kommt der Mensch überhaupt auf die Idee, dass es so etwas wie einen Gott geben könnte. Einem Außerirdischen könnte man das nicht so leicht begreiflich machen.
Manche suchen die Lösung in der Hirnforschung und sagen, dass die Anlage zum Glauben ein Trick der Psyche sei, die Tatsache der irdischen Vergänglichkeit erträglicher zu machen, andere sagen, dass hat Gott so gemacht, damit wir ihn erkennen. Man kann alles in die Richtung interpretieren, in die man es interpretieren will.

Irgendjemand hat einmal gesagt: „Der Mensch wird mit seiner Geburt zum Tode verurteilt. Nur ist die Vollstreckung des Urteils auf unbestimmte Zeit ausgesetzt“. Eigentlich eine burtale, aber zutreffende Aussage. Jeder von uns, ab hübsch oder reich oder berühmt oder eben nicht, wird irgendwann einmal Humus sein. DAS IST SICHER. Zumindest innerhalb der uns erfahrbaren Dimension. Wenn wir uns dieser Tatsache immer bewußt wären, würden wir wahrscheinlich durchdrehen. Es ist doch ein Wunder, dass der Mensch zeit seines Lebens strebt und schafft und lernt und studiert, obwohl ihm klar ist, dass er einmal sterben wird. Glaubst Du, dass ein zum Tode verurteilter Mörder in den USA, der nur nicht genau weiß, wann er hingerichtet wird, nochmal mit einem Informatikstudium beginnen würde?

Was meinst Du genau mit „Innere Dimension“? Kannst Du mir da bitte noch ein paar Beispiele liefern, damit das Ganze für mich griffiger wird?

Der Mensch hat überlebt, trotz Krieg und Folter: Für mich ist das kein Widerspruch.

Natürlich nicht. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass das
Wahrheitskriterium nicht zuverlässig mit dem
Überlebenskriterium zusammenhängt. Wahrheit lässt sich sicher
nicht nur daran messen, was der Spezies bezüglich ihrer
Überlebensfähigkeit förderlich ist. Das hattest du aber
irgendwie angedeutet.

Ja, das hatte ich aber nur im Hinblick auf die Funktionsweise der Evolutionsprozesse angedeutet. So wie in der Informatik die „1“ als wahr und „0“ als falsch bezeichnet werden könnte. Wenn das Ziel das Überleben ist, würde ich alles was diesem Ziel förderlich ist, als „wahr“ bezeichnen.

Natürlich hat „Wahrheit“ noch ganze andere Dimensionen.
Ethisch oder moralisch gesehen ist „Wahrheit“ letztlich ein begrifflicher Bestandteil des Paares „Gut“ und „Böse“, wobei das „Böse“ wohl genauso gut ist, denn ohne das „böse“ gäbe es ja nichts „Gutes“.

Es ist aber nicht klar, ob diese Polarisierung objektiv existiert oder nur in der Psyche des Menschen. Gibt es Moral außerhalb der menschlichen Kategorie? Diese Frage ist für den Menschen natürlich nicht lösbar, weil der Mensch immer selbst Gegenstand des Untersuchungsobjekts bleibt. Er kann sich nicht aus der Gleichung herausnehmen und diese dann von außen betrachten.

Was wäre mit der Wahrheit, oder mit Gut und Böse oder mit Recht und Unrecht, wenn menschliches Leben nie entstanden wäre oder wenn die Menschheit untergehen würde?

Noch vor hundert, erst recht vor dreihundert oder achthundert
Jahren hätte kein Mensch die naturwissenschaftlich-technischen
Methoden und Kenntnisse, die wir heute haben, für möglich
gehalten. Sie wären den Menschen wie Zauberei erschienen.

Du formulierst das hier sehr schön: „…nicht für möglich GEHALTEN“
Das bedeutet aber nichts. Was der Mensch für möglich HÄLT oder für UNMÖGLICH ist ja nicht konstitutiv für die objektive Wirklichkeit (falls es diese überhaupt gibt)
Die Kommunikation zwischen zwei Heuschrecken ist auch Bestandteil der objektiven Wirklichkeit, aber für Menschen nicht existent.

Es ist interessant, warum z. b. die Glühbirne nicht schon im Mittelalter entwickelt wurde oder der Fernseher.
Die offizielle Antwort lautet natürlich: Weil die technische Entwicklung damals noch nicht so weit war. Klar, aber warum nicht und warum später dann doch?
Was ich auch ganz witzig finde: Wenn es möglich wäre, mit einer Zeitmaschine ins Mittelalter zu reisen und man wollte diesen Leuten beweisen, dass man aus dem 21. Jhd kommt, man könnte eigentlich gar keine Produkte herstellen, die typisch sind für unserer Zeit und was diese Menschen überzeugen würde.

Ebenso enthält die i n n e r e Dimension des menschlichen
Geistes ein Potential, das dem alltäglichen Denken
verschlossen ist, aber deswegen keineswegs irreal ist.

Spielst Du mit „innerer Dimension“ auf solche Dinge wie das „kollektive Bewußtsein“ an? Schreib doch bitte noch ein paar Zeilen zu diesem Gedanken…

LG, Rolo

Kant, Wilber und das Brahman
Hi Rolo.

Ist alles schön und gut, was dieser Herr (Wilber - H.Tr.) da schreibt, aber auch das ist SPEKULATION. Es gibt keine Möglichkeit, diese Thesen zu verifizieren…

Nun, er hat seine Theorie (insbesondere die transpersonalen Stufen des Modells) hauptsächlich aus Elementen von Lehren zusammengesetzt, die für sich durchaus in Anspruch nehmen, empirisch zu sein. D.h. viele Vertreter z.B. des Vedanta (eines der sechs indischen Systeme, die auf dem „Veda“, einer klassischen hinduistischen Textsammlung, beruhen) berichten von unmittelbaren geistigen Einsichten in höhere Dimensionen des Seins.

Zum Vedanta:

http://www.phillex.de/vedanta.htm

„Die Vedanta-Philosophie betrachtet das empirische Wissen als Nichtwissen. Dem wahren Wissen enthüllt sich die Vielheit der Dinge und Individuen als Schein, als Illusion (Schleier der Maja).“

Zitat Ende.

Objektive Verifikation, wie du sie verstehst, ist hier allerdings nicht möglich. Denn du meinst sicher eine inter-subjektive Vermittelbarkeit des „Erkannten“ an andere Personen über das Medium des Messens bzw. des Zeigens auf Objekte oder Prozesse in der physikalischen Außenwelt.

Jene „höheren“ Ebenen aber sind auf der physikalischen Ebene nicht nachweisbar, weil hier keine physikalischen Dinge/Prozesse der Gegenstand der Erfahrung sind, sondern der menschliche Geist s e l b s t (genauer: der Geist überhaupt).

Der menschliche Geist ist sich selbst zugänglich, wenn auch zunächst in einem begrenzten Rahmen: im Rahmen des Bewusstseins, und das ist normalerweise begrenzt. Der menschliche Verstand projiziert auf das Feld der Sinnesdaten diverse Kategorien, u.a. die Kategorien Innen/Außen. So wird getrennt zwischen „inneren“ Phänomenen (Gedanken, Gefühle, Empfindungen, geistige Bilder usw.) und „äußeren“ Phänomenen (die Objekte bzw. Prozesse der sog. Außenwelt, zu der auch der biologische Leib zählt).

Konventionelle Wahr-Nehmung und die entsprechende „Wahrheit“ finden also auf einer Ebene statt, die bereits vor-strukturiert ist. Die Strukturen selbst (Kant nannte sie Anschauungsformen und Kategorien) aber werden bei der Wahrheitsfrage normalerweise nicht thematisiert oder relativiert, sie gelten einfach als unhinterfragbare Basis des Erkennens.

Kant nannte diese Strukturen „transzendental“. Sie wirken spontan, wenn wir „erkennen“.

http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie_(Philosophie)

Zitat:

"Bei Immanuel Kant, der somit als bedeutender Erneuerer der bis dahin „vorkritischen“ Kategorienlehre gilt, finden sich zwölf „Kategorien der reinen Vernunft“. Für Kant sind diese Kategorien Verstandesbegriffe, nicht aber zwangsläufig auch Ausdruck des tatsächlichen Seins der Dinge an sich…

Die Kategorien nach Kant

Realität Substanz und Akzidenz Möglichkeit
Vielheit Negation Ursache und Wirkung Dasein
Allheit Limitation Wechselwirkung Notwendigkeit"

Zitat Ende.

Allerdings spricht nichts dagegen, auch diese Strukturen in Frage zu stellen. Ich wiederhole aus dem Zitat: „Für Kant sind diese Kategorien Verstandesbegriffe, nicht aber zwangsläufig auch Ausdruck des tatsächlichen Seins der Dinge an sich…“

Zu diesen Kategorien kommen für Kant noch die „Anschauungsformen“ Raum und Zeit. Diese sind, lt. Kant, ebenso wie die Kategorien keine objektiven Eigenschaften der Wirklichkeit, sondern auf diese Wirklichkeit projizierte Wahrnehmungsstrukturen.

Insofern steht der konventionelle Wahrheitsbegriff ziemlich problematisch da. „Wahr“ im Sinne der objektiven Verifizierbarket bedeutet, folgt man Kant, nicht: absolut wahr, sondern nur: relativ wahr, und zwar relativ in Bezug auf die projizierten Denkstrukturen.

Auf den „höheren“ Wahrnehmungsebenen aber - und jetzt sind wir wieder bei Wilber und der mystischen Tradition - gelten diese relativen Strukturen sukzessive n i c h t mehr. D.h. mit jeder höheren Ebene fallen sie weg bzw. verlieren sie an Relevanz. Was auf der „mystischen“ höchsten Ebene davon übrig bleibt, ist Zero.

Wilber nennt diese Ebene „nondual“, im Vedanta spricht man vom „Brahman“ (siehe:

http://www.yoga-vidya.de/Yoga–Artikel/Art-Artikel/A…)

… und der kürzlich von Suzette eingebrachte Nikolaus von Kues sieht hier das Zusammenfallen aller Gegensätze, die „coincidentia oppositorum“.

Diese „höchste“ Wahrheit - wenn es denn eine ist - kann, verschiedenen Lehren und Berichten zufolge, innerhalb des menschlichen Geistes erfahren werden, nämlich dann, wenn er - vermittels diverser mentaler Techniken - die Wirksamkeit der Denkstrukturen temporär aufhebt.

Gruß

Horst

Denkstrukturen und innere Dimension
Hi Rolo.

Unsere Postings haben sich überschnitten, also verweise ich an manchen Stellen einfach auf meine Antwort „Kant usw.“.

Ist doch positiv, wenn eine Diskussion
aufkommt. Auch wenn nicht immer Übereinstimmung herrscht. Das ist ja gerade das Wesen einer Diskussion, dass verschiedene Standpunkte vorgetragen werden und auch gestritten wird.

Sehr wohl. Der Punkt ist nur, dass Pendragon den Wunsch hat, ich solle mich zum Thema B##dh##m#s (meine scherzhafte Unkenntlichmachung - H.Tr.) zurückhalten. Ich werde ihr (und ein, zwei anderen) in Zukunft den Gefallen tun und stattdessen, bei Bedarf, argumentativ auf den Vedanta zurückgreifen. Das geschieht auch schon in der anderen Antwort an dich.

Ich hoffe, dass damit das Problem gelöst oder zumindest reduziert ist.

Ich denke, dass es sehr tiefe Gräben zwischen manchen
Religionen gibt, die unüberbrückbar sind, auch wenn Michael von Brück das anders sieht :smile:. :

Ich denke, dass das keine echten Gräben sind. Es sind
sozusagen virtuelle Gräben, erfundene Gegensätze. Was geglaubt wird und was nicht, ist ja völlig willkürlich.

Nun, ich glaube nicht, dass B####a (meine Unkenntlichmachung - H.Tr.) die Grundlagen des B########s einfach nur ausgewürfelt hat. Das beruht schon auf einem empirischen Fundament.

Grunsätzlich lässt sich sagen: der Graben zwischen einer theistischen Religion und einer atheistischen (eben der B########) ist unüberbrückbar. Aber, wie gesagt, das Thema möchte ich hier und fürderhin in Bezug auf den B####### nicht weiter vertiefen.

Was vielleicht noch ganz interessant wäre, ist das Motiv des Menschen, überhaupt an etwas Übersinnliches glauben zu wollen.

Es g i b t das Übersinnliche. Das ist wohl der Hauptgrund. Ich weiß es aus eigener Erfahrung, sowohl auf der „mystischen“ Ebene wie auch auf der parapsychologischen (ich habe Hunderte von parapsychologischen Phänomenen selbst erlebt - nicht aus Auslöser derselben, wohlgemerkt). Ich rede hier allerdings von Wissen. Du meinst das Glauben. Glauben tun nur die, die nicht wissen. Das ist ein anderes Thema, ein psychologisches bzw. soziologisches.

Wie kommt der Mensch überhaupt auf die Idee, dass es so etwas wie einen Gott geben könnte.

Da muss man in die ferne Vergangenheit zurückschweifen, dorthin, wo Mythen noch als Realität galten bzw. als solche vermittelt wurden von mächtigen Priesterschaften. Der Ein-Gott-Glaube entsteht erst relativ spät, vorher gab es den Animismus und den Polytheismus.

Manche suchen die Lösung in der Hirnforschung und sagen, dass die Anlage zum Glauben ein Trick der Psyche sei, die Tatsache der irdischen Vergänglichkeit erträglicher zu machen…

Die Jungs und Mädels aus der Hirnforschung sagen viel, wenn der Tag lang ist. Das sollte man nicht allzu ernst nehmen.

Da das ganze Thema aber weitgehend OT ist und ins Relibrett gehört, gehe ich zum nächsten Punkt.

Jeder von uns, ab hübsch oder reich oder berühmt oder eben nicht, wird irgendwann einmal Humus sein. DAS IST SICHER. Zumindest innerhalb der uns erfahrbaren Dimension. Wenn wir uns dieser Tatsache immer
bewußt wären, würden wir wahrscheinlich durchdrehen.

Du sagst selbst: innerhalb der uns erfahrbaren Dimension. D.h. diese Dimension ist begrenzt. Ich habe das in der anderen Antwort thematisiert. Übrigens bleibt von uns nach dem physischen Tod sicher nicht nur Humus. Das „Geistige“, denke ich, wird fortleben, wenn auch in einer anderen Dimension.

Was meinst Du genau mit „Innere Dimension“? Kannst Du mir da bitte noch ein paar Beispiele liefern, damit das Ganze für mich griffiger wird?

Ich habe das in der anderen Antwort angedeutet. Da das Thema sehr kompliziert ist und ich jetzt nicht soviel Zeit habe, werde ich darauf konkreter (und gerne, denn das Thema ist wichtig) die nächsten Tage eingehen (Montag?). Hier schon mal ein Hinweis aus der Philosophie des Geistes:

http://de.wikipedia.org/wiki/Qualia

„Unter Qualia (Singular: Quale, von lat. qualis „wie beschaffen“) oder phänomenalem Bewusstsein versteht man den subjektiven Erlebnisgehalt eines mentalen Zustandes. Das Verständnis der Qualia ist eines der zentralen Probleme der Philosophie des Geistes, da oft angenommen wird, dass ihre Existenz nicht mit den Mitteln der Neuro- und Kognitionswissenschaften erklärbar ist.“

Zitat Ende.

Natürlich hat „Wahrheit“ noch ganze andere Dimensionen.
Ethisch oder moralisch gesehen ist „Wahrheit“ letztlich ein begrifflicher Bestandteil des Paares „Gut“ und „Böse“, wobei das „Böse“ wohl genauso gut ist, denn ohne das „böse“ gäbe es ja nichts „Gutes“.

Es ist aber nicht klar, ob diese Polarisierung objektiv existiert oder nur in der Psyche des Menschen.

Das ist richtig. Unser Denken funktioniert nun einmal dualistisch, das hat einfach praktische (pragmatische) Gründe und hängt zusammen mit den logischen Strukturen des Denkens. Genau genommen, bestehen die Unterschiede bzw. Gegensätze nur innerhalb des Psychischen. Das entwertet sie aber nicht, denn sie sind wichtig für die Evolution.

Ich betone auch schon in der anderen Antwort, dass die Wahrheiten, die uns das Denken liefert, nur relative Wahrheiten sind. Begründet wird das dort.

Was wäre mit der Wahrheit, oder mit Gut und Böse oder mit Recht und Unrecht, wenn menschliches Leben nie entstanden wäre oder wenn die Menschheit untergehen würde?

„Wahrheit“ im konventionellen Sinne - das ist Aussagenwahrheit, es gibt sie also nur im Bewusstsein von Lebewesen. Sie ist ein sprachliches Urteil über eine Aussage („Es ist wahr, dass es schneit“ - simples Beispiel). Hier gibt es aber zwei Ebenen: die erste Ebene ist die Aussage „Es schneit“. Sagt das jemand, dann behauptet er, dass die Aussage wahr ist. D a n n aber kommt jemand anders, schaut aus dem Fenster und sagt: „Stimmt (es ist wahr), es schneit.“

Man kann also unterscheiden zwischen einer Wahrheitsbehauptung (es schneit) und einem Urteil über diese Behauptung (es ist wahr oder unwahr, dass es schneit).

Das alles findet aber statt auf der Ebene des strukturierten Denkens. Ich begründe in der anderen Antwort, warum diese nur relativ ist.

Ebenso enthält die i n n e r e Dimension des menschlichen Geistes ein Potential, das dem alltäglichen Denken verschlossen ist, aber deswegen keineswegs irreal ist.

Spielst Du mit „innerer Dimension“ auf solche Dinge wie das „kollektive Bewußtsein“ an?

Wie gesagt, es gibt kaum ein kompliziertes Thema als die „innere Dimension“, und ich gehe darauf ein andermal ein. In meinen Augen wäre es sinnvoll - bevor man sich damit befasst - , sich mit den Grundgedanken der „Erkenntnistheorie“ von Immanuel Kant vertraut zu machen.

Gruß

Horst

PS. Ich hatte irgendwie irrtümlich im Gedächtnis, dass du aktuell in München lebst.

bla

ich habe Hunderte
von parapsychologischen Phänomenen selbst erlebt - nicht aus
Auslöser derselben, wohlgemerkt). Ich rede hier allerdings von
Wissen.

richtig. die eigene wahrnehmung ist selbstverständlich das maß der dinge und nicht falsifizierbar, oder?

Die Jungs und Mädels aus der Hirnforschung sagen viel, wenn
der Tag lang ist. Das sollte man nicht allzu ernst nehmen.

genau. die müssen nur die zeit zwischen den kaffeepausen rumkriegen, ein paar affen quälen und langweilige, unemotionale studien erstellen, die sowieso keiner versteht.

zum wahren verständnis der dinge empfehle ich dir die lektüre der alten schriften lorbers, bevor du mit wilber weiter nervst.
ich fürchte, das könnte dir sogar gefallen.
e.c.

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