Selbst

Hi Bob
Sprache kann nie die Wirklichkeit in toto abbilden, folglich
auch nicht -was vermutlich noch schwerer ist- die psychische
„Anatomie“.

Richtg, Branden, ich sehe auch gar nicht, weshalb Bobs Aussage auf Selbste und Iche mehr zutreffen sollte als auf Systeme, Nationen oder Atomkerne beispielsweise.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

selbst wenn die sprache ausreichen würde, wäre jede
beschreibung oder erklärung subjektiv. meiner meinungs nach
kann es keinen einheitlichen Begriff von Ich, Selbst oder
Bewusstsein geben.

Wie Candide schon gerade eins drüber schreibt, trifft dies auf alle Entitäten und Objekte zu. Das „Ich“ und as „Selbst“ sind da keine speziellen Ausnahmen.
Gruß,
Branden

Hi,

Danke erstmal an alle!
Was mein eigentliches Problem ist:

Wenn über das „Selbst“, nun keine, wie Branden das
formulierte, semantische Einigkeit besteht, wie
kann man/ich, der ja nun selbst mit seinem „Selbst“, :wink:
vorbelastet ist, verschiedene Positionen unterschiedlicher
Selbste, also etwa Adorno, Lacan, Freud, Hegel, Marx etc.
vereinbaren?
Etwa wenn gesagt wird, dass Adorno hegelianisch denkt,
aber Marx oder Freud thematisiert.
Die Diskussionen hier, etwa zwischen Horst und Candide
sind wegen ihrer, (subjektiv für mich!) manchmal doch
inflationären Begriffs-, Lehren-, Systematiken-, usw.
-vielfalt, ein undurchschaubares Patchworklabyrinth.

Ist es sinnvoll, so viele verschiedene Positionen
zu vereinbaren?

Nicht jeder ist ein Wittgenstein und schafft eine
singulare Philosophie, klar!
Nur beschäftigt mich die Frage, ob sich die Philosophie
nicht in der Situation des sprichwörtlichen Hasen
befindet, dessen Tod die selbstreferenziellen Hunde sind.

Ist weniger nicht mehr? Oder kompliziere ich nur unnötig
Kompliziertes? Bin ich ein Haarspalter, der auch das
gespaltene Haar noch viertelt und Dreadlocks daraus
dreht, obwohl er zu reduzieren versucht?

Gruß
ST

Hi
Wenn ich da etwas richtig aus deinem Posting herauslese, liegt dir ja vielleicht weitaus mehr am Herzen, dein eigenes Selbst tiefgehender kennen zu lernen. Da bringt die Philosophie einen nicht unbedingt schneller ans Ziel; da würde ich eher einen Individuationsweg vorziehen, z.B. eine Psychoanalyse oder Zen in der Kunst des Bogenschießens.
Gruß,
Branden

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Hi Branden,

Wenn ich da etwas richtig aus deinem Posting herauslese, liegt
dir ja vielleicht weitaus mehr am Herzen, dein eigenes Selbst
tiefgehender kennen zu lernen.

da magst du recht haben lieber Branden, nur wem liegt das
nicht am Herzen?
Mitunter erscheint es mir aber genau umgekehrt, mein Selbst
sucht mich und ist dabei nicht grade zimperlich! :smile:

Gruß
ST

ot
Hallo!

Die Diskussionen hier, etwa zwischen Horst und Candide
sind wegen ihrer, (subjektiv für mich!) manchmal doch
inflationären Begriffs-, Lehren-, Systematiken-, usw.
-vielfalt, ein undurchschaubares Patchworklabyrinth.

Ist es sinnvoll, so viele verschiedene Positionen
zu vereinbaren?

Nachdem ich hier genannt bin: Nein, für echte philosophische Arbeit ist diese schnelle Vermengung von allem und jedem natürlich nicht sinnvoll.
Teilweise habe ich das hier am Beispiel Horst+Lacan vor einiger Zeit mal etwas grundsätzlicher gestreift:
/t/wahrheit–3/4900176/52
(vornehmlich ab Punkt 5)

Ich habe aber auch nicht den Anspruch, hier echte philosophische Arbeit zu leisten. Ich will entweder spezifische, klar umrissene Wissensfragen -so sie denn hier im Brett überhaupt auftauchen- möglichst korrekt beantworten oder eben in den Unterthreads mit maximalem Amusement philosophierend plaudern, was mich aber oft auf nette unverhoffte Gedankengänge bringt, und was ich daher auch für ziemlich fruchtbar halte.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

da magst du recht haben lieber Branden, nur wem liegt das
nicht am Herzen?

Du sagst es, lieber ST, du sagst es.

Mitunter erscheint es mir aber genau umgekehrt, mein Selbst
sucht mich und ist dabei nicht grade zimperlich! :smile:

Das scheint mir aber eine nahezu ideale Voraussetzung für das Beschreiten des Individuatinsweges zu sein!
Es grüßt dich
Branden

was ich meine ist: gegenstände (also atomkerne, autos…was weiß ich) kann man durch seine sinne (oder durch hilfsmittel) beschreiben und erkennen, ein ICH kann ich nicht sehen, hören, riechen… daher meine ich dass eine objektivierung sinnlos wäre. ich bin mir bewusst, dass ich jetzt eine erkenntnistheoretische debatte lostreten könnte. aber das kann man in der philosophie ja sowieso immer so weiter führen.

Hallo Candide,

Nachdem ich hier genannt bin

verzeih mir bitte, es ist mir wegen der Aktualität
nur herausgerutscht und ist nicht persönlich gegen dich
oder Horst oder gar diskreditierend gedacht.

Ich habe aber auch nicht den Anspruch, hier echte
philosophische Arbeit zu leisten.

Was die Möglichkeiten des Mediums auch sprengen würde,
das ist klar.

Gruß
ST

Lieber Sun Tsu!

einmal mag ich noch, dieses mal inhaltlicher:

Etwa wenn gesagt wird, dass Adorno hegelianisch denkt,
aber Marx oder Freud thematisiert.

Die Diskussionen hier, etwa zwischen Horst und Candide
sind wegen ihrer, (subjektiv für mich!) manchmal doch
inflationären Begriffs-, Lehren-, Systematiken-, usw.
-vielfalt, ein undurchschaubares Patchworklabyrinth.

Naja, es ist ja dann, wenn man sich vom bloßen Namen des Theoretikers löst, auch die Frage, was die Einheit einer Position ist, wo eine Position aufhört, und wo die nächste anfängt. Zum Beispiel lautet die Stelle bei mir, auf die du oben anspielst, im Wortlaut so:

Nein, sie stimmt m.E. nicht, weil Adorno hier zu hegelianisch denkt und die Moderne als Totalität begreift, die sie nicht ist…
Man könnte hier übrigens Adorno vs. Althusser diskutieren in Bezug auf das, wie man Marx liest.

Das ist halt kein eigentliches Patchwork und auch kein unbedingt sprunghafter Übergang, sondern der ganze Übergang hängt an der Kenntnis des Namens „Althusser“.
Althusser vollzieht das, was Adorno nicht macht, eine fein säuberliche Trennung von Marx und Hegel in der Marx-Lektüre.

Entsprechend ist die Einführung von „Althusser“ in dieser Passage eine ganz grobe Qualifizierung meiner Aussage des „zu hegelianischen“ bei Adorno.
Es geht inhaltlich darum, dass man mit Althusser zeigen könnte, dass Adorno eine „expressive Totalität“ denkt, die laut Althusser ein hegelianischer Rest bei Marx ist, der „richtige“, der reife Marx dagegen denkt eine „strukturale Totalität“. Ich weiß eben, dass Horst das einigermaßen bekannt ist, darum habe ich halt der Kürze halber einfach nur den Namen „Althusser“ fallen lassen, um anzudeuten, welchen „hegelianischen Rest“ ich bei Adornos Marx-Verständnis sehe, bzw. dass ich den durch eine Althussersche Brille sehe.

Ich will damit sagen: diese Passage Adorno-Marx-Hegel-Althusser ist für mein Verständnis kein Patchwork, es ist auch keine Vermengung von Positionen, sondern im Grunde ist es im Gegenteil die Konkretisierung der Position Adornos, um die es Horst ging.
Adorno ist quasi schon der „vermengte“ selbst, an den ich eigentlich nicht etwas anderes anreihen wollte, sondern den ich damit eher in seine vielen Mengen zerlegen wollte, zumindest an dieser Stelle in einen Marx-Adorno und einen Hegel-Adorno (ich spreche hier von konkurrierenden Lesarten und Theorieanschlüssen).

Ist es sinnvoll, so viele verschiedene Positionen
zu vereinbaren?

Deine Frage scheint mir vorauszusetzen, dass es diskrete Ausgangspositionen gibt, die nicht schon selbst eine Vereinbarung vieler verschiedener Positionen wären.
Insofern passt diese Frage m.E. durchaus auf Horsts Neigung zur Parallelisierung von Lacan, Hegel usw. mit dem Buddhismus, evtl. auch auf Adorno-Lacan, sie passt aber nicht auf Adorno-Hegel-Marx-Freud, denn da ist immer schon alles vermengt.

wie
kann man, verschiedene Positionen unterschiedlicher
Selbste, also etwa Adorno, Lacan, Freud, Hegel, Marx etc.
vereinbaren?

Ich behaupte, dass man zeigen könnte, wie Adorno über seine verschiedenen, recht unterschiedlichen, Schaffensphasen hinweg, aber auch innerhalb einzelner Werke, höchst unterschiedliche Selbst-Konzepte hervorbringt, die jeweils ihre Quellen aus Freud, Hegel und Marx beziehen.
Vor diesem Hintergrund wird deine Frage dann irgendwie sinnlos, weil beispielsweise quasi eine diachrone Linie Freud-Adorno inhaltlich gesehen keineswegs sprunghafter wäre als eine synchrone Linie Adorno(Autoritärer Charakter)-Adorno(Dialektik der Aufklärung), im Gegenteil sicher noch leichter vermittelbar.

Pauschal nach einem „Selbst“ zu fragen ohne dabei einen Theorie- oder sonstigen Hintergrund vorzugeben, halte ich für vollkommen sinnlos. Wenn man dafür aber einen philosophischen Theoriehintergrund heranziehen will, dann zieht man natürlich die angesprochenen selbstreferentiellen Hunde hinterher. Ich halte Selbstreferenz aber auch nicht für den Tod, sondern für den einzigen Lebensstoff der Philosophie.

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was ich meine ist: gegenstände (also atomkerne, autos…was
weiß ich) kann man durch seine sinne (oder durch hilfsmittel)
beschreiben und erkennen, ein ICH kann ich nicht sehen, hören,
riechen… daher meine ich dass eine objektivierung sinnlos
wäre.

Du kannst viele Dinge nicht sehen, hören oder riechen. Zum Beispiel radioaktive Strahlen. Sie sind aber objektiv da und zeitigen starke Wirkung.
Gruß,
Branden

nun, man kann sie (Strahlen), wie gesagt, mit hilsmitteln messen, das Ich kann man so nicht messen.

nun, man kann sie (Strahlen), wie gesagt, mit hilsmitteln
messen, das Ich kann man so nicht messen.

Es sind halt andere Hilfsmittel, mit denen man die Relationen zwischen ICH, ES und ÜBER-ICH erennen kann.
Das M e s s e n im Sinne der einfachen, positivistischen Vorgehensweise greift hier natürlich zu kurz.
Das ist aber bei vielen Wissenschaftszweigen so. Wenn einem das Angst macht, sollte man sich vielleicht mit d i e s e n Zweigen der Wissenschaft nicht näher beschäftigen. :wink:
Gruß,
Branden

Lieber Candide!

einmal mag ich noch, dieses mal inhaltlicher:

lass mich dagegen noch einmal unsachlich bleiben.
Du hast das doch so schön formuliert:

was mich aber oft auf nette unverhoffte Gedankengänge bringt, und was ich daher auch für ziemlich fruchtbar halte.

Und genau solche subjektiven Gedankengänge hat
eure Diskussion bei mir ausgelöst. Ob die Gedankengänge
in diesem Fall so nett waren sei mal dahingestellt.
Es ging mir eigentlich nicht um euch, sondern um mich.
Ich bereue zutiefst, dass ich eure Namen genannt habe!
Die Frage war, wie vermenge und kontaminiere ich selbst
all die philosophischen Inputs, die ich im Laufe der Jahre
aufgenommen habe.

Pauschal nach einem „Selbst“ zu fragen ohne dabei einen
Theorie- oder sonstigen Hintergrund vorzugeben, halte ich für
vollkommen sinnlos.

Genau das ist der neuralgische Punkt!
Sobald ich eine Theorie oder sonstigen Hintergrund
benenne, ist es eben nicht mehr das „Selbst“, sondern
ein, verzeih mir das Wort, ein „Fremd“.
Ich erinnere hier an Adornos Behauptung, der Entfremdung
des Selbst und der Kunst als einzige Bastion.
Wahrscheinlich hat Branden recht, philosophisch
komm ich hier nicht weiter!

Herzliche Grüße
ST

Lieber Sun Tsu!

Pauschal nach einem „Selbst“ zu fragen ohne dabei einen
Theorie- oder sonstigen Hintergrund vorzugeben, halte ich für
vollkommen sinnlos.

Genau das ist der neuralgische Punkt!
Sobald ich eine Theorie oder sonstigen Hintergrund
benenne, ist es eben nicht mehr das „Selbst“, sondern
ein, verzeih mir das Wort, ein „Fremd“.

Das kann ich nicht nachvollziehen.
Vielleicht missverstehe ich dich, vielleicht bin ich dafür auch zu betriebsblind oder aus anderen Gründen unempfänglich.

Wie könnte ich aber überhaupt von einem „Selbst“ sprechen, ja, ein „Selbst“ denken, das im Moment des Sprechens oder Denkens nicht automatisch zum „Fremd“ wird? Jedes Sprechen oder Denken des „Selbst“ hat notwendig einen (fremden) Hintergrund bzw. kann nur mittels irgendeines (fremden) sprachlichen Codes artikuliert werden.
Oder gehts dir darum gar nicht?

Wahrscheinlich hat Branden recht, philosophisch
komm ich hier nicht weiter!

Aber psychoanalytisch (oder mit Zen, wie Branden das formulierte) dann doch auch nicht.
Er selbst schrieb unten an Bob sinngemäß und auf das „Selbst“ übertragen, dass das Selbst auch in der Psychoanalyse nur dasjenige sein kann, das durch ein Hilfsmittel (die psychoanalytische Gesprächstechnik) erschlossen werden kann.

Liege ich eigentlich falsch, wenn ich vermute, dass es dir in diesem Thread so ziemlich um das gleiche geht, um das es dir im Habermas-Thread bei der „Praxisrelevanz“ ging?
Ich habe deinen Punkt schon da nicht verstanden. Versteh das nicht falsch, ich vermute hier ein Verständnisproblem meinerseits.

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nun, man kann sie (Strahlen), wie gesagt, mit hilsmitteln
messen, das Ich kann man so nicht messen.

Huhu!

Also, ich würd’ für mich persönlich sagen, das ich zumindest mein „Ich“ sehr stark wahrnehme, d.h. „messe“.
Und Ethologen (Verhaltensforscher) „messen“ Ich-Bewusstsein (zugegebenermaßen etwas anderes als „Ich“) mit Farbflecken und Spiegeln - wenn ein Lebewesen sich selbst im Spiegel erkennt, d.h. nach dem Farbfleck tastet, hat es Definitionsgemäß eines.
(Das trifft IIRC u.a. für Schimpansen, Delphine und Elephanten zu.)
Das Problem mit dem messen ist, das man zum messen erstmal eine solide Definition braucht. Oder zumindest eine Idee. Und Möglichkeit, „Ich“ und „Selbst“ zu definieren, wurde in diesem Thread schon ausgeschlossen.
Wodurch es gleichzeitig unmeßbar wird.
Viele Grüße!
Ph.

Hi Candide,

Wie könnte ich aber überhaupt von einem „Selbst“ sprechen, ja,
ein „Selbst“ denken, das im Moment des Sprechens oder Denkens
nicht automatisch zum „Fremd“ wird?

Das ist gar nicht so verkehrst, was du sagst!
Kennst du solche kreativen Momente, in denen
eine Idee o.ä. ganz plötzlich und wie von
„fremder Hand“ auftaucht? Es erscheint „fremd“
obwohl es aus einen selbst kommt. Was ist nun diese
„Selbst“, das man nicht zu steuern oder behrrschen
vermag, das aber offensichtlich existiert?
Ist es dasselbe Selbst von dem die Philosophen
reden oder ist ist es ein anderes Selbst?
Das eigentlich nicht so genannt werden dürfte?
Bin ich bei der Psychologie besser aufgehoben
oder korrelieren Philosophie und Psychologie hier?

Liege ich eigentlich falsch, wenn ich vermute, dass es dir in
diesem Thread so ziemlich um das gleiche geht, um das es dir
im Habermas-Thread bei der „Praxisrelevanz“ ging?

Nein nicht ganz, wir setzen z.B. Luhmanns Systemtheorie
(oder weiter führende wie Willke z.B),
recht fruchtbar, praktisch in unserer täglichen Arbeit
um bzw. ein. Es ist ein praktisch relevantes Instrument.
Ein Mittelding zwischen positivistischer Naturwissenschaft
und spekulativer Philosophie.

Ich habe deinen Punkt schon da nicht verstanden. Versteh das
nicht falsch, ich vermute hier ein Verständnisproblem
meinerseits.

Es ist m.E. eines der schwierigsten menschlichen Probleme,
das gegenseitige Verständnis. Auch ich habe meine Probleme
damit. Auch glaube ich nicht der Nabel der Welt zu sein,
oder die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben.

Manchmal verwirrt mich die Philosophie eben mehr, als dass
sie ein Problem löst, jedenfalls geht es mir so.
Es erscheint mir wie ein „um den heissen Brei tanzen“
ohne wirklichen Mut stringent in die „Höhle
des Löwen“ vordringen zu wollen.
Aber nicht generell gesehen und nicht alle Vertreter.

Gruß
ST

P.S:
Hallo nochmals,

ich vergaß, diesen Abschnitt von dir zu erwähnen:

„Pauschal nach einem „Selbst“ zu fragen ohne dabei einen Theorie- oder sonstigen Hintergrund vorzugeben, halte ich für vollkommen sinnlos. Wenn man dafür aber einen philosophischen Theoriehintergrund heranziehen will, dann zieht man natürlich die angesprochenen selbstreferentiellen Hunde hinterher. Ich halte Selbstreferenz aber auch nicht für den Tod, sondern für den einzigen Lebensstoff der Philosophie.“

Das ist für mich ein Widerspruch in sich selbst, die
prototypische Aussage einer Selbstentfremdung!
Wenn es mir noch nicht einmal gelingen kann,
mich „selbst“, mein ureigenstes Wesen zu hinterfragen
ohne auf Theorien oder sonstige „fremde“ Hintergründe
zu rekurrieren, dabei aber Selbstreferenz als
Lebensstoff fordere, dann kann bzw. will ich nicht
mehr folgen.
Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit philosophischen
und geisteswissenschaftlichen Schriften und trotzdem
ist mir das was mir am nächsten liegt so fern und fremd wie
eh und je, wenn nicht noch fremder.

Bitte jetzt nicht persönlich nehmen, sondern sachlich!
Ich erlebe auch bei mir selbst, dass ich bei bestimmten
Fragen immer zuerst den Schatz meiner Bildung heranziehe
und schon fast verlernt habe instinktiv und spontan
zu denken. Deshalb die Überschrift: Selbstzweifel!

Gruß und danke für deine Mühe!

ST

„Fremdzweifel“
Hallo,

… dann kann bzw. will ich nicht mehr folgen.
Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit philosophischen
und geisteswissenschaftlichen Schriften und trotzdem
ist mir das was mir am nächsten liegt so fern und fremd wie
eh und je, wenn nicht noch fremder.

Ich denke, du nimmst das nicht als verlorene Zeit
und bist froh, dass du das (geistig) überlebt hast
(s. „fast“ im Folgenden) und nicht, wie viele Philosophen
und Philosophierende, erstarrt – oder beliebig
flexibel geworden – bist.

Ich erlebe auch bei mir selbst, dass ich bei bestimmten
Fragen immer zuerst den Schatz meiner Bildung heranziehe
und schon fast verlernt habe instinktiv und spontan
zu denken. Deshalb die Überschrift: Selbstzweifel!

Wäre deine Verfassung nicht, im Gegenteil, mit „Fremdzweifel“
zu bezeichnen? Du bezweifelst doch den Wert des meisten, was in den
vielen Schriften Anderer (Fremder) steht, für dein Leben,
wenn ich dich richtig verstanden habe.

Gruss
Nescio

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Das Netzwerk der Philosophie
Hi Sun Tsu.

Ich habe die Debatte zwischen dir und Candide verfolgt und will zwei Dinge anmerken, wobei Candide das Wesentliche schon rübergebracht hat.

  1. Er weist sinngemäß darauf hin, dass kein Denker ex nihilo die Philosophie erfindet, dass also jeder Denker sozusagen vom Start weg erst mal patchworkmäßig operiert, d.h. er hat verschiedene Theorien bereits assimiliert, hat eine von ihnen in der Regel als Hauptbezugspunkt und fügt all dem dann seinen „eigenen Senf“ dazu, entweder in Übereinstimmung oder in konstruktiver Kritik anderer Theorien oder Theoreme. Es gibt aber gewisse Urväter der Philosophie, die Archetypisches hervorgebracht haben, das für die weitere Philosophiegeschichte notwendiger Bezugspunkt bleiben wird: Beispiele Heraklit, Parmenides, Platon, Plotin. Meines Wissens nicht mehr zurückführbar sind dabei nur Heraklit und Parmenides, während sich Platon und Plotin (ihre Archetypen sind die Idee bzw. das Eine) bereits von Heraklit und Parmenides herleiten lassen.

Auch alle anderen bekannten Denker haben jeweils Originelles produziert, das sie als (postive oder negative) Bezugspunkte für philosophische Debatten wertvoll macht. Daher z.B. meine oder Candides Methode, auf bekannte Denker Bezug zu nehmen. Das ist einfach ein gängiges wissenschaftliches Verfahren, das die Kommunikation erleichtert und bereichert. Keiner kann und darf für sich in Anspruch nehmen, die Philosophie neu erfinden zu können und dabei auf das Bezugnehmen auf etablierte Theorien zu verzichten. Da käme man nicht weit. Besser ist es, da anzufangen und weiterzumachen, wo die anderen aufgehört haben. Nur so ist Fortschritt möglich. Dazu muss man die „anderen“ aber erst mal draufhaben, was ein gutes Stück Arbeit ist. Das Risiko eigenwilliger Aneignungen ist dabei sehr groß, wobei gerade die originellsten Denker dafür bekannt sind, dass sie ihre Vorbilder sehr frei (relativ verfälschend) adaptiert haben. Man wirft Lacan vor, Freud falsch auszulegen, Hegel soll Kant falsch verstanden haben, Heidegger wiederum Hegel. Jemand behauptet, die Analytische Philosophie beruhe nur auf einem Missverständnis der Lehre Wittgensteins. Usw.usf.

Gerade so aber vollzieht sich Fortschritt.

  1. Zum Thema Selbst antwortest du Candide:

Wenn es mir noch nicht einmal gelingen kann, mich „selbst“, mein ureigenstes Wesen zu hinterfragen ohne auf Theorien oder sonstige „fremde“ Hintergründe zu rekurrieren, dabei aber Selbstreferenz als Lebensstoff fordere, dann kann bzw. will ich nicht mehr folgen.

Da setzt du aber bereits das voraus, was es doch erst zu untersuchen gilt, auch im Hinblick auf die Frage, ob es überhaupt existiert: nämlich das Selbst. Du behauptest vom Start weg, dies sei dein „ureigenstes“ Wesen. Du übernimmst damit aber bereits „fremde Theorien“, ohne dir dessen scheinbar bewusst zu sein.

Die Rede vom Selbst und vom eigenen Wesen - das ist dir und keinem anderen angeboren. Das übernimmt man aus der Kultur, in die man hineingeboren wird. Du vergisst diese Herkunft und nimmst das „Selbst“ und das „Wesen“ als a priori Gegebenes. Das aber ist genau der Punkt, den das philosophische Denken ja hinterfragen muss.

Nicht zu vergessen, dass die Rede vom Ich und vom Du andressiert ist - so muss man das wohl ausdrücken. Das Kind wird in dieses Ich-Du-Er-Wir-Paradigma definitiv hineingepresst, ohne Möglichkeit, das zu hinterfragen. Bis es erwachsen ist, ist der Glaube an die Realität eines Ich so verwurzelt, dass er nur sehr schwer in Zweifel gezogen werden kann. Ob es aber so etwas wie ein Ich gibt, das ist die ganz große Frage, die von diversen Theorien verschieden beantwortet wird.

Fakt ist jedenfalls: der Glaube an ein Ich kommt aus „dem Fremden“, aus dem „Andern“, wie Lacan sagt. Dieser Glaube ist ein fremdes Produkt.

Insofern ist es kein Problem, mit „fremden“ Theorien das Thema des „Selbst“ oder des Ich anzugehen, da dieses „Selbst“ ja gerade selbst ein Produkt fremder Theorien ist.

Gruß

Horst