Hallo Ralf,
wahrscheinlich wirfst Du hier ein paar Begriffe durcheinander.
Folgt man der klassischen Systematik, so bilden Säugetiere eine Klasse der Wirbeltiere. Die Wirbeltiere sind also eine umfassendere Gruppe, nämlich ein Unterstamm der Chordatiere.
Diese Einteilungen sind historisch gewachsen und orientieren sich hauptsächlich an morphologischen Kriterien. Sie bilden ein hierarchisches System. Der biologische Sinngehalt socher Einteilungen ist, nunja, überschaubar (um es positiv zu formulieren), aber der Mensch braucht solche Kategorien, um damit arbeiten zu können.
Ein Vergleich aus unserer unmittelbaren Erlebniswelt sind zB. die Begriffe „Fahrzeug“ und „Auto“: Fahrzeug = Unterstamm, Auto = Klasse. Man sieht: Alle Autos sind Fahrzeuge, aber nicht alle Fahrzeuge sind Autos. Fahrräder, Skateboards, LKW’s usw. wären andere Klassen der Unterstamms. Weiter spezialisiert kann man auch verschiedene Autos unterscheiden. Die Hersteller (Opel, VW, usw) wären dann verschiedene Ordnungen der Klasse „Auto“. Andersherum kann man auch weiter generalisieren und Fahrzeuge, Flugzeuge und Schiffe zusammenfassen zu einem Stamm „Fortbewegungsmittel“.
Ok, zurück zur Biologie:
Wirbeltiere sind ein Unterstamm. Wie der Name schon sagt, sind das alle Tiere, die eine Wirbelsäule besitzen. Außerdem haben Wirbeltiere einen richtigen Schädel, eine spezielle Haut, Haare und Zähne. Auch der Aufbau der Augen und bestimmte Teile des Zentralnervensystems sind bei allen Wirbeltieren charakteristisch.
Andere Unterstämme der Chrodata sind Manteltiere und Schädellose. Im Ggs. zu den Wirbeltieren besitzen diese eben keine Wirbelsäule und keinen Schädel, keine „Wirbeltierhaut“, „-zähne“, „-auge“ und „-hirn“. Allen diesen Unterstämmen ist aber gemeinsam, dass die eine Chorda dorsalis (so ein Rückenstabilisierendes Teil als Vorläufer der Wirbelsäule) besitzen (die Wirbeltiere bilden das im Laufe der Embryogenese zurück - es wird durch die Wirbelsäule ersetzt). Ansonsten ist es die Embryonalentwicklung, die für Chordatiere charakteristisch ist. Bei anderen Stämmen wie zB. den Stachelhäutern, den Armfüßlern, den Weichtieren, den Ringelwürmern etc. läuft das im Detail eben etwas anders.
Andere Klassen der Wirbeltiere sind die Knorpelfische (Haie+Rochen), die Knochenfische (Forelle & Co), Amphibien (Frösche etc), Reptilien (Echsen) und die Vögel.
Die Evolution der Atmung:
Der Entwicklung von Atmungsorganen erfolgte in der Evolution mehrfach und ganz unterschiedlich. Die kleinen, dünnhäutigen Tierchen brauchen keine aktive Atmung. Ihnen reicht die Diffusion der Gase durch die Haut. Bei der Entstehung dickerer Häute und Schalen blieben immer Hautbereiche frei, über die der Gasaustausch stattfinden konnte. Gliedertiere hatten dann ein sehr einfaches Konzept entdeckt, die Körpergröße zu erhöhen, was natürlich die relative Größe der Gasaustauschfläche verringert. Um das zu kompensieren, wurden parallel zwei Methoden verfolgt. Im Wasser lag es nahe, einfach zunächst die Extremitäten oder auch einfach Hautlappen zur Unterstützung heranzuziehen. Da viele Arten sowieso Nahrung mit viel Wasser durch ihren Darm schleußten, konnten zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden, indem überschüssiges Wasser durch Spalten im Vor-Darm herausgeschleußt wurde (um die Nahrung zu filtern). Hier waren dünne Hautlappen gut angebracht, um dem vorbeiströmenden Wasser Sauerstoff zu entnehmen (->„Kiemendarm“). Bei Übergang an Land konnte die Kiemenatmung durch den Gasaustausch an der dünnen, geschützt im Körperinneren liegenden Darmwand unterstützt werden. Hier wurde die Fläche einfach durch eine weitere Einstülpung erreicht, so dass ein Luftsack entstand, den man heute noch bei Lungenfischen und anderen „primitiven“ Wirbeltieren sehen kann. Wir haben heute im Prinzip auch nur einen solchen Luftsack, die Lunge, die bei uns aber in unzälige Bläschen (Alveolen) unterteilt ist, um die Fläche zu vergrößern. Damit haben wir zwar eine recht leistungsfähige Lunge, aber das ist nichts gegen die Vogellunge. Die basiert zwar auch auf dem „Luftsack“, ist aber stark umgebaut worden (zu sog. Lungenpfeifen mit ausgeklügeltem Blasebalgsystem) und wird so zu einem hocheffizienten Gegenstromtauscher. Einen ganz anderen Weg sind einige Arten mit fester Außenhülle gegangen: Sie haben Röhren ins Körperinnere eingestülpt, um die Luft direkt ins Körperinnere zu bringen („Tracheen“). Das haben Insekten bis zur Perfektion gebracht, wo die Ausläufer der Tracheen feiner sind als Einzelzellen und bis in die Zellen hinein direkt zu den Sauerstoff-verbrauchenden Zellkraftwerken (Mitochondrien) reichen. Das ist also praktisch ein „Direkteinspritzer-System“.
Man kann also ungefähr folgende Atmungstypen unterscheiden:
- Hautatmung
- Kiemeatmung (Kiemen als Aus stülpungen der Haut)
- Lungenatmung (Lungen als Ein stülpungen der Haut/des Darms)
- Tracheenatmung (direktes Röhrensystem als Einstülpung des Exoskeletts)
In der Systematik lässt sich die Atmung nicht gut nutzen. Es gibt Schnecken mit Kiemen und mit Lungen (zB. die Weinbergschnecke), Asseln haben sogar „Tracheenlungen“, sogar Wassergurken als echte wasserlebende Tiere haben eine Lunge, die hier am Enddarm ansetzt (sie atmen also über ihren Popo). Bei Wirbeltieren gibt es Kiemen und Lungen. Bei den Säugern gibt es nur Lungen. Also: Jedes Säugetier hat eine Lunge, aber nicht jedes Tier mit Lunge ist ein Säugetier!
Damit kamm man Deine Frage
Sind alle Säuger Lungenatmer?
Klar mit Ja beantworten. Das gilt auch noch für die nächst höhere Ebene der Zusammenfassung: für die Landwirbeltiere oder Tetrapoda („Vierfüßler“). Bei genau diesen hat sich nämlich die Lunge als das Gasaustauschorgan beim Übergang zum Landleben etabliert und erst danach haben sich die unterschiedlichen Landwirbeltierklassen (Amphibien,Reptilien,Vögel,Säuger) herausdifferenziert (sie bilden eine monophyletische Gruppe).
Grüße,
Jochen
PS: Sorry, ist doch lang geworden…