Nicht beichten, nicht lügen
Hallo Mike,
ich stolpere etwas über den Begriff „beichten“. Die Krankheit gehört eben zu Dir - da gibt es nichts zu „beichten“. Wenn sich das Kennenlern-Gespräch in diese Richtung wendet, wäre ich ehrlich. Was bringt Dir eine Lüge?
Du musst aber die Krankheit nicht zum „Aushängeschild“ machen; Du hast ja schließlich noch mehr zu bieten, oder?
Ich bin seit Geburt an (Belastungs-)Asthmatiker und konnte nie wirklich Sport machen. Ich bin mit so tollen Ärzte-Aussagen aufgewachsen, wie „Das Kind kann jederzeit sterben!“, „Das Kind wird nicht alt!“ etc. Mit 12 wurde ich stark kurzsichtig, mit Mitte 20 Jahre kamen Knieprobleme dazu. Trotzdem hatte ich einen sehr sportlichen Mann, der Adleraugen besaß. Ich bin immer davon ausgegangen, dass ich vor ihm sterbe, und dann wurde bei ihm Krebs diagnostiziert. Sein Verfall war rapide, womit er psychisch überhaupt nicht klar kam.
Ich denke, ich hätte ihn nicht bis zu seinem Tod pflegen können, wenn ich kerngesund auf die Welt gekommen wäre. Und Du siehst: Man weiß nie, was passiert, um wirklich planen zu können.
Seit seinem Tod hat sich mein Kontakt zu einem alten Schulfreund wieder intensiviert. Er hatte vor zwei Jahren einen Schlaganfall. Auch ihm sieht man es nicht (auf den ersten Blick) an, aber natürlich ist er behindert.
Unsere Gespräche/Treffen sind ganz besonders, da wir offen und ehrlich über Krankheit/Tod reden, uns darüber lustig machen, Wetten abschließen, wer schneller schlapp macht - wir haben unwahrscheinlich viel Spaß bei aller Ernsthaftigkeit/Eingeschränktheit!
Da wir „nur“ sehr gut befreundet sind, weiß ich aber auch viel von seinen Sorgen/Ängsten im Umgang mit Frauen. Er will die Verantwortung für Frau/Kinder nicht übernehmen, da er jederzeit mit einem weiteren Schlaganfall rechnen muss. Er hat sich grundsätzlich gegen Beziehung entschieden.
Ich weiß nicht, wie gesunde Frauen mit Kinderwunsch in Deinem Alter ticken, aber ich fühle mich mit meinem Hintergrund in der Gegenwart meines Schulfreundes gerade sehr, sehr wohl.
Letztens schrieb er mir: „Bei Dir kann man immer so normal sein!“
Darum geht es doch!
Leb mit Deiner Krankheit, aber lasse sie nicht über Dein Leben bestimmen! Wer mit Deiner Krankheit Berührungsängste hat, wird auch keine Partnerin sein!
Viel Glück wünscht
Kathleen