Hallo Jule,
„Ich habe z.B. den Schubser der Nachbarin als nicht besonders schlimm bewertet“
Natürlich, wie sollst Du etwas als unrecht erkennen, was Du ein Deiner Kindheit als völlig normal erlebt hast: Gewalt durch die Stärkeren (Erwachsenen). Aus genau diesem Grunde ist heute Gewalt in der Erziehung grundsätzlich verboten. Ausnahmslos!
„und fand es stattdessen schlimmer, dass die Kinder das nicht unter sich regeln konnten“
soziales Verhalten muss gelernt werden, wie soll dies geschehen, wenn ein Erwachsener diese Aufgabe erledigt? Diese Erwachsenen sind die Stärkeren. Sie haben aufgrund dieser Stärke Sonderrechte, die aber gesetzlich nicht gedeckt sind. Sie gelten nur in einer solchen Umgebung! Bin selbst von der Stadt aufs Land gezogen (weil ich zu meiner Frau zog!) und konnte diese Diskrepanz am eigenen Leib erfahren! Meine Schwiegermutter stellte sich als Opfer dar (genauso wie Du das mit dem einen Jungen beschrieben hast, nur dass es halt nicht so war) und die erlernten Mechanismen funktionierten genauso wie Du es beschrieben hast. Keiner dachte nach, keiner ging der Sache auf den Grund und ich war der Böse. Auf diese Art werden Mechanismen geschaffen, die ohne jegliches prüfen der Situation funktionieren, und der Gemeinschaft schaden (will jetzt nicht genauer darauf eingehen). Jeder in so einer Umgebung kennt solche Situationen, und wenn jemand behauptet dass es da und da auch so ist, wird es ohne Prüfung geglaubt. Weil niemand gelernt hat, eine solche Situation zu prüfen. Es haben ja immer andere die Probleme gelöst.
„aber es gab durchaus Situationen, in denen wir diese Strafe billigend in Kauf nahmen, weil das, was wir anstellen wollte, uns das wert war“
Hier lieferst Du selbst das Killerargument für diese Art der Erziehung: Du hast nicht gelernt Dich anständig zu verhalten, sondern Du hast gelernt abzuwägen, ob Dein Verhalten die Strafe „Wert“ ist. Im Zweifelfall gilt das Motto sich nicht erwischen zu lassen! Für mich überhaupt kein Thema!
Auch das Beispiel mit dem Jungen aus Deiner Nachbarschaft zeigt: In einem solchen Umfeld werden keine Probleme gelöst, es wird nur etwas „Balsam“ verstrichen.
„Untereinander haben wir uns gelegentlich geprügelt und wieder vertragen „ Auch hier zeigst du deutlich: Gewalt ist in einer solchen Umgebung etwas völlig normales! Und wenn von außen jemand kommt, halten alle zusammen, im Erwachsenenalter führt das zu Mobbing, das ist dann völlig normal! „
„die unsere Eltern wohl auch kaum interessiert hätte“, auch hier: Gewalt ist in dieser Art der Erziehung nur ein Thema, wer Gewalt ausübt. Ich musste selbst erleben, wie mein Sohn mit einem roten Augapfel nach Hause kam, weil ihm ein anderes Kind an der Bushaltestelle einen Eisblock ins Gesicht geworfen hat. Die Nachfrage bei der Aufsicht an der Bushaltestelle erbab die Bemerkenswerte Antwort: „Wenn er dann groß ist kann er das ja auch machen!“ - Und was ist, wenn das Auge ausgelaufen wäre und mein Sohn nun auf einem Auge blind wäre???
„Wenn wir jemanden geärgert hatten und erwischt wurden, waren wir heilfroh, wenn dieser uns bestrafte, aber unseren Eltern nichts sagte.“ Ich bin Gewaltfrei erzogen worden, und hatte es nicht nötig andere zu ärgern! Damit war das Thema Eltern in diesem Falle keins! Auch deshalb weise ich jedes Ansinnen, ich solle mich doch in dem Dorf anpassen kategorisch zurück! Horst Eberhard Richter hat sogar ein Buch zum Thema geschrieben: „Bedenken gegen Anpassung!“ Und der hat den Friedensnobelpreis bekommen!
„Das Einmischen der Mutter führte dazu, dass wir mit dem Mädchen nichts mehr zu tun haben wollten. Sie wurde nach und nach aus der Gruppe gedrängt.“ Das ist psychische Gewalt. Du schreibst hier laufend wie gewalttätig Deine Jugend verlaufen ist. Aber das entspricht durchaus der Erfahrung, die ich hier auf dem Land mache! Für mich kein Thema!
Ja, was Du schreibst, ist in manchen Gegenden so! Aber ich finde so eine Jugend nicht spannend! Ich bin heute so, dass ich es nicht nötig habe, andere zu ärgern oder zu verletzten! Für mich sind derartige Gewaltorgien nur abstoßend.