Wann ist Gewalt Gewalt?

Hallo

Genau das ist einer der Aspekte, die ich so interessant finde
und hinterfrage: Warum hat in deinem Fall dein Vertrauen/
deine Beziehung gelitten und in meinem nicht? Warum haben
meine Geschwister und ich die Schläge nicht als demütigend
empfunden? Kann es daran gelegen haben, dass das zu unserer
Kinderzeit ein normales Erziehungsmittel war und deswegen eine
andere Akzeptanz hatte? Oder war das „Gegengewicht“ an Liebe
und Akzeptanz in unserem Fall höher als in deinem?

Ich wette, es liegt an der bewussten und unbewussten Absicht der Eltern, die das Kind genau fühlt, auch wenn sie nicht ausgesprochen wird. In einem Falle waren die Eltern wütend und wollten das Kind demütigen, im anderen Falle waren die Eltern vielleicht wütend, hielten es aber auf jeden Fall für die richtige, gerechte und angebrachte Art, auf Ungezogenheiten zu reagieren.

Viele Grüße

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Hallo,

In einem Falle waren die Eltern wütend und wollten das Kind demütigen, im anderen Falle waren die Eltern vielleicht wütend, hielten es aber auf jeden Fall für die richtige, gerechte und angebrachte Art, auf Ungezogenheiten zu reagieren.

Eine sehr interessante Idee, wie ich finde!

Schöne Grüße,
Jule

Hallo Jule,

ich habe noch nie ein Kind gehauen oder absichtlich verletzt (neulich bin ich mal auf einen kleinen Jungen draufgetreten, aber das war ein Versehen). Kein Erwachsener sollte ein Kind schlagen. Punkt.
Kinder sind Erwachsenen unterlegen. Ich wette, ich könnte locker so gut wie jedes Kind unter 12 verprügeln und/oder zum Heulen bringen. Gleiches gilt für die meisten Senioren und Behinderten.
Diese Personengruppen MÜSSEN sich aber drauf verlassen können, dass ich das eben nicht tue, egal wie nervig sie sind.
Ich persönlich empfinde Gewalt als planvolles Erziehungsmittel übrigens als wesentlich schlimmer als eine ausgerutschte Hand. Eben deswegen weil ich, wenn ich Gewalt als Erziehungsmittel einsetze (und für mich zählen auch Klapse dazu) von vornherein auf das körperliche und gesellschaftliche Machtgefälle setze. Wenn ich bis zur Weißglut gereizt werde und mir dann die Hand ausrutscht, könnte man zu meinen Gunsten vielleicht noch sagen, ich habe eben diese Machtgefälle kurzfristig aus den Augen verloren.

Viele Grüße

Hallo Karlsson,

es ging nicht um die Frage, ob Schläge ein angemessenes Erziehungsmittel sind - es steht außer Frage, dass sie das nicht sind - sondern darum, woher unterschiedliche Bewertungen der Definition von „Gewalt“ kommen.

Schöne Grüße,
Jule

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Hallo,

ich selber finde psychische Gewalt viel schlimmer, als wenn „mal die Hand ausrutscht“, und das aus eigener Erfahrung. Ich bin jahrelang in meiner Schule Mobbingopfer gewesen, das daraus resultierende Schulschwänzen führte für mich zuhause mehrfach zu einer Tracht Prügel. Viel schlimmer als diese körperliche Gewalt jedoch fand ich die Tatsache, das meine Eltern gar nicht nach meinem Befinden fragten, sondern den psychishcen Druck noch verstärkten (wie kann man denn so dumm sein…)etc.

Ich selber habe meine Kinder schon gehauen und fand das ganz furchtbar - auch wegen des Kontrollverlustes in diesem Moment. Ich als Mutter ! Wie konnte mir das passieren???

Ich glaube, das körperliche Bestrafung nichts nützen - für mich kommen sie nie wieder infrage. Nur : wo fängt denn körperliche Gewalt an ? Hatte da schon sehr lebhafte Diskussionen. Zählt das festhalten eines tobenden Kleinkindes nicht auch dazu? Im Endeffekt ist das ja auch ein Demonstrieren der erwachsenen körperlichen Überlegenheit. was ist mit dem Festhalten eines Kindes, wenn es Schelte bekommt? Oder wenn man ein Kind bewußt sich ausprobieren läßt, und es dann beim balancieren fällt? Oder ein festhalten der Hand, und das Kind versucht sie mit Gewalt wegzuziehen, um ein anderes Kind zu schlagen?

Und wo fängt psychische Grausamkeit an? Bei mir schon bei Kommentaren wie „das kannst du aber besser“, oder auch druck, in entsprechenden Situationen gute Leistung zu erbringen („das kann doch der xyz auch“).

Ich denke ,das die eigene Erfahrung da viel mitschwingt. Hatte man das Gefühl, als Kind geliebt zu werden ? Wie einschätzbar waren da die Eltern ? Und auch, wie weit ging Gewalt ? Ein (nicht schmerzhafter) Klapser hat für mich einen anderen Stellenwert als eine Ohrfeige ins Gesicht oder Schläge mit dem Rohrstock (alles schon gesehen). Und wenn man das Gefühl hat, trotzdem geliebt und angenommen zu werden, kann man da in gewissen Maßen eher mit umgehen und das erlebte hinnehmen.

Persönlich halte ich Gewalt für kein gutes Erziehungsmittel - weiß aber auch, das es in den meisten Fällen Hilflosigkeit, Stress und Druck als AuslÖser hat.

lg

brenna

Servus,

lass mich mal raten: Du bist vor 1980 geboren. Stimmts?
Mal eine abgedroschene, aber immer noch wahre Floskel: Wir sind aus anderem Holz geschnitzt.
Natürlich kann man das wissentschaftlich hinterfragen und bestimmt auch irgendwie belegen.

Treffend beschrieben ist es hier.

Wir (und alle Generationen vorher) hatten kein Internet um vorgefertigte Problemlösungen oder Denkansätze geliefert zu bekommen. Wir mussten sie uns selbst erarbeiten. Und dabie sind wir anderen auf den Schlips getreten.
Die sich dann durchsetzen wollten. Mit Argumenten. Oder der Faust.
Wenn man ein Probelm zu lösen versucht, greift man auf Erfahrung zurück.
Findet sich in der Erfahrung keine Lösung, wird im Angeborenen (Neandertal) gesucht. Denke ich mir mal.

Gruß
widecrypt

Hallo Jule,

Ich habe z.B. den Schubser der Nachbarin als nicht besonders schlimm bewertet und fand es stattdessen schlimmer, dass die Kinder das nicht unter sich regeln konnten.

Ich bin in der etwa gleichen Zeit zwar nicht auf dem Dorf, aber in einer Umgebung aufgewachsen, in der in 200m Umkreis bestimmt an die 40 Kinder lebten. Wir hatten gar keine andere Möglichkeit, Streitereien untereinander selbst zu lösen, sonst hätten unsere Mütter mit oft drei und mehr Kindern ewig zwecks Schlichtung irgend welcher Animositäten unterwegs sein müssen.

Im Vergleich zur Zeit meiner Kindheit und der meiner Kinder muss ich aber ganz eindeutig sagen, dass wir „brutaler“ miteinander umgegangen sind. Da wurde schon mal jemand für ne halbe Stunde an den „Marterpfahl“ gebunden, Urin als Apfelschorle ausgegeben und sich einfach geprügelt, weil einer beim Fußball nicht mitspielen durfte.
Gerade bei den Prügeleien waren die die schlimmsten, bei denen das Mittel der Erziehung durch die Eltern aus Prügel bestand.

Wer allerdings nach Mama gerufen hätte, wäre völlig unten durch gewesen.
Hin und wieder wechselten die Allianzen unter uns Kindern, ausgegrenzt blieb aber auf Dauer keiner. Es fand sich immer wieder jemand.

Mit unserem ersten Kind haben wir noch in der Stadt gewohnt, das einzige Kind in der Straße (und auch der Nachbarstraße). Treffen mit anderen Kindern waren von den Müttern organisiert, das Argusauge schaute mit.
Mit Kind Nummer zwei sind wir dann aufs Land gezogen, in eine kinderreiche Umgebung. Es war sicher eine schöne Kindheit für die Kinder. Keines hat je eine Backpfeife bekommen, ich kann mich nicht erinnert, dass eines meiner Kinder je in eine Prügelei, nicht einmal untereinander, involviert war.

Den einzigen Stress, den man heute wohl als Mobbing bezeichnen würde, war ein „Erpresserbrief“, zusammengeklebt aus Zeitungsschnipseln, den ein Nachbarmädchen bekam. Stress kam aber weder von dem betroffenen Kind noch deren Mutter, sondern der Mutter eines der Briefschreiber. Nun, die Kinder haben den Gang nach Canossa begangen und sich entschuldigt und gut war.

Für mich bleibt die Erkenntnis, dass Kinder in einer körperlich gewaltfreien Umgebung selber gewaltfreier leben. Ich möchte behaupten, für Kinder, die keine körperliche Gewalt als Erziehungsmittel kennen, und sei es nur Schubsen, werden diese nicht im Konfliktfall anwenden, auch nicht unliebsamen Mitmenschen gegenüber.

Nichtsdestotrotz stimme ich dir zu, dass Kinder lernen sollten, aus selbst eingebrocktem Schlamassel selber herauszufinden.
Dies aber hoffentlich in Form von Worten können.

„Schlägereien“ können natürlich auch in Worten stattfinden, keine Frage.
Das ist wohl eher die aktuelle Ebene der Gewalt. Körperliche Gewalt dagegen zusetzten ist aber nur Hilflosigkeit.

Grüße
aqua

Einfach
Hallo Jule,

im Grunde genommen unterscheiden sich meine Kindheitserfahrungen hinsichtlich körperlicher Gewalt wenig von den deinigen. Ebenso wenig (verständlicherweise?) deren Bewertung in Bezug auf eigenes Handeln/Denken heute, im Nachhinein. Die Bewertung psychischer Gewalt ist ähnlich (trotz unterschiedlicher Erfahrungen. Du liebevolle, ich „gerechte“ Eltern. Und Unterschiede hinsichtlich meiner Geschwister, der gegenseitigen und für mich nachhaltigen (Miss)Achtung meiner Eltern untereinander).

Und nun interessiert mich sehr, warum eure Bewertungen zum Teil so anders sind.

Hinsichtlich der unterschiedlichen Meinungen: Weil, wie du es vor kurzem so schön geschrieben hast (zumindest so gemeint), ein Mensch hinter den Beiträgen in diesem Forum steht. In seiner realen Welt! Mit seinen Erfahrungen, seiner Persönlichkeit, seinem Empfinden, seinen Wahrnehmungen, seiner Wertung, seinen Emotionen, seiner sozialen Umgebung, seiner Bildung, seiner Angemessenheit in der Bewältigung von Problemen und Fragen.

Vielleicht ist es ganz gut, wenn manche ihre „alten“ Standpunkte vertreten. In unserer veränderten neuen Welt. Der Welt der globalen Erreichbarkeit enormen Wissens und Erfahrung. Richtung geben, aufzeigen. Auch wenn es schwierig für andere sein mag hinsichtlich Toleranz und Respekt und dem Drang zu verändern.

Franz

Hallo,

bis auf die Sache mit dem Auto ( das ist heute schon sicherer, oder *zwinker*), finde ich das sehr treffend.

Vor allem was das Leben draussen und mit Freunden betrifft. :smile: War schon ein bißchen gerührt und auch traurig, weil mein Sohn da einiges nicht von erleben wird.

Lg

Brenna

Servus,

Vor allem was das Leben draussen und mit Freunden betrifft. :smile: War schon ein :bißchen gerührt und auch traurig, weil mein
Sohn da einiges nicht von erleben wird.

Wir können drüber heulen oder anfangen Lösungen zu erarbeiten, damit unsere Kinder auch Erlebnisse haben, die sie Ihren Kindern dann verbieten möchten. Was natürlich auch schief geht.

WIE könnten wirs anpacken und WER macht mit?

Gruß
widecrypt

WIE könnten wirs anpacken und WER macht mit?

Ich mache mit - tue mal etwas unglaubliches : Ich lasse meinen Sohn einfach draussen mal ganz alleine spielen, was er will und wie er will. Frage nicht, wenn er sich Hammer und Nägel holt und ein paar alte Latten. bin aber mit Pflastern da, falls er sich wehtut.
Ich lassen ihn einfach mal alleine zu seinem besten Freund gehen , und gehe nicht mit ! und weiß , das er den Weg findet und die beiden ihre Konflikte alleine austragen.
Ich lasse ihn selbstbestimmen, ob er auf den Spielplatz oder die Bolzwiese will und wünsche ihm viel spaß! Ohne ihm zu sagen, wie gefährlich das sein kann!
Ich lasse ihn auch bei Regen in Matschsachen raus, und bei einstelligen Temperaturen Fahrrad fahren, und vertraue darauf, das das Immunsystem sich davon ganz alleine stärkt!
Wenn er Stress mit Freunden hat, lasse ich das zu, denn dann merkt er selbst, wie verletzend etwas sein kann, und wie schön es ist, wenn man sich verträgt- daraus wird er lernen!
Ich vertraue ihm einfach, das er weiß was er darf, und merkt, wenn was falsch läuft . und bin dann einfach da, wenn er mist baut und zeige ihm, das ich ihn trotzdem liebe.

Wär das ein Anfang?

Lg

Brenna

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Hallo,

nun, offensichtlich habe ich mich unzureichend ausgedrückt: Die Definition von Gewalt hängt eng zusammen mit der Anerkennung von Machtgefällen.
Nimm ein typisches nerviges, quengeliges Kind: Bin ich mir des natürlich bestehenden Machtgefälles nicht bewusst, könnte ich es so sehen, dass Kind möchte mich quälen und sämtliche von mir ausgeführte Handlungen sind nun durchaus angebrachte Notwehr. Schubsen, hauen, anschreien - keine Gewalt in dem Sinne, weil das Kind und ich ja auf einer Stufe stehen. Nehme ich aber wahr, dass ich dem Kind in jeder Hinsicht überlegen bin, kann so gut wie alles zu Gewalt werden. Auch Dinge, die bei objektiver Betrachtung durchaus angebracht und vernünftig sind.
Ein schwieriges Spannungsfeld, nicht nur im Umgang mit Kindern.

Viele Grüße

Guten Abend,

ich habe in meiner Kindheit Ohrfeigen von meiner Mutter bekommen, wenn ich mich falsch oder schlecht benommen habe. Ein Beispiel, was ich in jener Zeit falsch oder schlecht gemacht habe, kann ich nicht geben, weil ich es einfach nicht mehr weiß.

Die Ohrfeigen als solche schmerzen heute nicht mehr. Schlimmer war, dass meine Mutter danach tage- oder auch mal wochenlang nicht mehr mit mir sprach, weil ich so ‚schlecht‘ war und sie mich zusätzlich bestrafen wollte. DAS war die richtige Hölle. ---- ist sie in Gedanken heute noch.

LG
Maralena

Hallo,

ich nehme mal auf den Titel bezug: wann ist Gewalt Gewalt und hier widerum auf in Bezug auf Kinder und Kindererziehung.

Beobachte mal die Tiere bei der Erziehung ihrer Kinder: ich habe da das Bild von Löwinnen vor Augen. Sie sind unglaublich geduldig. Ihre Kinder turnen auf sie herum während sie döst, sie beissen ihr überall rein und ziehen an den Ohren und am Schwanz. Geduldig erträgt sie es bis es wirklich nervt und weh tut- dann mault sie erstmal zur Warnung bevor sie die Jungen „handgreiflich“ zu Recht weist. Das Gewähren lassen gehört zu ihrer Erziehung dazu, sollen doch die Löwenkinder irgendwann lernen ein Tier zu töten um zu überleben. Diesen Trieb versucht sie bis zum Schluss nicht zu stören - erst als ihre eigene Grenze eindeutig überschritten ist, reagiert sie.

Bei Menschen ist diese Frustrationsgrenze oft niedriger gesteckt und wir sind von dem seltsamen Glauben geprägt, dass Kinder kleine Erwachsene sind und sich auch so zu benehmen haben. Leise sein, artig sein und rücksichtsvoll. Nur wie lernt man das? Durch seelische Grausamkeiten, wie schreien, demütigen und ständiges Zurechweisen oder durch das Vorleben der Eltern und einen liebevollen und aufmerksamen Rückhalt?

Gerade die „wilden Jungs“ haben es schwer - damals wurden sie noch geprügelt und mit Ritalin gefüttert um sie zu bändigen. Ich kenne einige von diesen Jungs, die heute über vierzig sind und von sich sagen können, dass sie eine schlimme Kindheit hatten. Während die ruhigeren und gefügigeren Geschwister aus gleichem Haushalt ein positiveres Bild von ihrer Kindheit hatten. Das was diese Kinder (auch Mädchen) gebraucht hätten wären starke Eltern gewesen, die ihr Kind wie ein Löwe erzogen hätten: mit viel Geduld, Liebe und mit klaren Grenzen. Statt dessen erfuhren sie Liebesentzug und Prügel. Gerade wenn die Eltern diese Mittel unberechenbar, je nach ihrer eigenen Stimmung, einsetzen ist es nicht selten, dass die Kinder später eine Persönlichkeitsstörung entwickeln oder depressiv werden.

Vielleicht sollte man sich fragen, wozu man ein Kind erzieht. Was überhaupt die Werte der Gesellschaft sind für die es sich lohnt sein Kind auf den Weg zu bringen. Wenn in Berlin über ein Viertel aller Kinder von Harz IV Empfängern erzogen werden, die dem Kind kein Vorbild für die Berufswelt liefern, dann stimmt es unmutig gegenüber der Zukunft dieser Kinder. Wenn man die Polizei um Hilfe bittet, weil ein Kind geschlagen wird und diese dann meinen „ist doch nicht schlimm, ohne ‚ne Backpfeiffe würd‘ ich meine Kinder auch nicht in die Spur schicken können“, die großen Vorbilder der Politik und Wirtschaft, die eine „Mitnehm-und-Ellenbogen-Politik“ betreiben oder Lehrer, denen nur die stillen Kinder lieb sind - so lange sollte man nicht zu viel erwarten von der nächsten Generation.

Ich empfinde eine tiefe Zuneigung und ein großes Mitgefühl für die Rebellen der Gesellschaft - auch wenn sie erst sechs Jahre alt sind.

Viele Grüße

moin Jule,
für mich handelt es sich dann um Gewalt wenn jemand einem anderen bewußt Schaden zufügt.

seute *friedlich*

In der Diskussion
Hi!
In der Diskussion unten ging die Sache ja von einem Schubser aus, den ich auch an sich nicht für so einschneidend empfinden würde. Bei mir wäre quasi erst Alarmstufe „Gelb“ und besondere Aufmerksamkeit angesagt.

Bedenklich finde ich dabei eben schon, dass ein Erwachsener (und das nicht aus der akuten Situation heraus, sondern herbeigeholt) derart die Nerven verliert, dass er ein Kind körperlich angeht. Zumindest merkwürdig und ein Gespräch mit dem Betroffenen wert.

Die Ohrfeige wurde ja dann von anderen in Beispielen angeführt, was zu meinen grundlegenden Äußerungen zum Thema geführt hat.

Grüße
kernig

Die Ohrfeigen als solche schmerzen heute nicht mehr. Schlimmer

war, dass meine Mutter danach tage- oder auch mal wochenlang
nicht mehr mit mir sprach, weil ich so ‚schlecht‘ war und sie
mich zusätzlich bestrafen wollte. DAS war die richtige Hölle.
---- ist sie in Gedanken heute noch.

Hi,

das kann ich nur unterstreichen.

Meine Mutter war Meisterin der psychischen Gewalt. Es gab Situationen, da hätte ich mir eine Ohrfeige gewünscht.

Gruß
Tina

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Hallo Jule,

„Ich habe z.B. den Schubser der Nachbarin als nicht besonders schlimm bewertet“

Natürlich, wie sollst Du etwas als unrecht erkennen, was Du ein Deiner Kindheit als völlig normal erlebt hast: Gewalt durch die Stärkeren (Erwachsenen). Aus genau diesem Grunde ist heute Gewalt in der Erziehung grundsätzlich verboten. Ausnahmslos!

„und fand es stattdessen schlimmer, dass die Kinder das nicht unter sich regeln konnten“

soziales Verhalten muss gelernt werden, wie soll dies geschehen, wenn ein Erwachsener diese Aufgabe erledigt? Diese Erwachsenen sind die Stärkeren. Sie haben aufgrund dieser Stärke Sonderrechte, die aber gesetzlich nicht gedeckt sind. Sie gelten nur in einer solchen Umgebung! Bin selbst von der Stadt aufs Land gezogen (weil ich zu meiner Frau zog!) und konnte diese Diskrepanz am eigenen Leib erfahren! Meine Schwiegermutter stellte sich als Opfer dar (genauso wie Du das mit dem einen Jungen beschrieben hast, nur dass es halt nicht so war) und die erlernten Mechanismen funktionierten genauso wie Du es beschrieben hast. Keiner dachte nach, keiner ging der Sache auf den Grund und ich war der Böse. Auf diese Art werden Mechanismen geschaffen, die ohne jegliches prüfen der Situation funktionieren, und der Gemeinschaft schaden (will jetzt nicht genauer darauf eingehen). Jeder in so einer Umgebung kennt solche Situationen, und wenn jemand behauptet dass es da und da auch so ist, wird es ohne Prüfung geglaubt. Weil niemand gelernt hat, eine solche Situation zu prüfen. Es haben ja immer andere die Probleme gelöst.

„aber es gab durchaus Situationen, in denen wir diese Strafe billigend in Kauf nahmen, weil das, was wir anstellen wollte, uns das wert war“

Hier lieferst Du selbst das Killerargument für diese Art der Erziehung: Du hast nicht gelernt Dich anständig zu verhalten, sondern Du hast gelernt abzuwägen, ob Dein Verhalten die Strafe „Wert“ ist. Im Zweifelfall gilt das Motto sich nicht erwischen zu lassen! Für mich überhaupt kein Thema!

Auch das Beispiel mit dem Jungen aus Deiner Nachbarschaft zeigt: In einem solchen Umfeld werden keine Probleme gelöst, es wird nur etwas „Balsam“ verstrichen.

„Untereinander haben wir uns gelegentlich geprügelt und wieder vertragen „ Auch hier zeigst du deutlich: Gewalt ist in einer solchen Umgebung etwas völlig normales! Und wenn von außen jemand kommt, halten alle zusammen, im Erwachsenenalter führt das zu Mobbing, das ist dann völlig normal! „

„die unsere Eltern wohl auch kaum interessiert hätte“, auch hier: Gewalt ist in dieser Art der Erziehung nur ein Thema, wer Gewalt ausübt. Ich musste selbst erleben, wie mein Sohn mit einem roten Augapfel nach Hause kam, weil ihm ein anderes Kind an der Bushaltestelle einen Eisblock ins Gesicht geworfen hat. Die Nachfrage bei der Aufsicht an der Bushaltestelle erbab die Bemerkenswerte Antwort: „Wenn er dann groß ist kann er das ja auch machen!“ - Und was ist, wenn das Auge ausgelaufen wäre und mein Sohn nun auf einem Auge blind wäre???

„Wenn wir jemanden geärgert hatten und erwischt wurden, waren wir heilfroh, wenn dieser uns bestrafte, aber unseren Eltern nichts sagte.“ Ich bin Gewaltfrei erzogen worden, und hatte es nicht nötig andere zu ärgern! Damit war das Thema Eltern in diesem Falle keins! Auch deshalb weise ich jedes Ansinnen, ich solle mich doch in dem Dorf anpassen kategorisch zurück! Horst Eberhard Richter hat sogar ein Buch zum Thema geschrieben: „Bedenken gegen Anpassung!“ Und der hat den Friedensnobelpreis bekommen!

„Das Einmischen der Mutter führte dazu, dass wir mit dem Mädchen nichts mehr zu tun haben wollten. Sie wurde nach und nach aus der Gruppe gedrängt.“ Das ist psychische Gewalt. Du schreibst hier laufend wie gewalttätig Deine Jugend verlaufen ist. Aber das entspricht durchaus der Erfahrung, die ich hier auf dem Land mache! Für mich kein Thema!

Ja, was Du schreibst, ist in manchen Gegenden so! Aber ich finde so eine Jugend nicht spannend! Ich bin heute so, dass ich es nicht nötig habe, andere zu ärgern oder zu verletzten! Für mich sind derartige Gewaltorgien nur abstoßend.

Moin,

Warum nehmen manche Menschen bestimmte Formen körperlicher
Übergriffe anders wahr als andere?

Meiner Meinung nach wird das gar nicht anders wahrgenommen sondern der Unterschied liegt darin, was man glaubt, was man mit Kindern noch machen kann oder nicht.

Stell die Frage dochmal so, welche Art von Gewalt man sich selbst gegenüber (z.B. vom Chef) als erzieherische Maßnahme noch ok findet? Da wirst du wahrscheinlich viel eher Konsens erzielen.

Leider glauben viele Leute immer noch, dass Gewalt gegen Schwächere o.k. ist. Spätestens wenn die „Kinder“ dann 16 sind und einen Totschläger am Handgelenk haben werden diese dann auch nicht mehr geschubst. Die Frage, warum diese „Kinder“ überhaupt so aggressiv geworden sind, stellt aber leider auch kaum einer.

Gruß
M.

Hi,

das kann ich nur unterstreichen.

Meine Mutter war Meisterin der psychischen Gewalt. Es gab
Situationen, da hätte ich mir eine Ohrfeige gewünscht.

Hallo Tina,

noch einmal: Es ist ja nicht etwa so, als ob zwischen zwei Übeln das geringere gewählt werden müsste: psychische oder physische Gewalt. Gewalt sollte es in der Kindererziehung überhaupt nicht geben. Wenn ich hier Sachen lese wie „Die Ohrfeigen hatte ich aber immer verdient“ oder „Ich nahm die Ohrfeigen in Kauf, weil es mir wert war“, dann sehe ich schon, woran diese Diskussion krankt: Viele haben gelernt, dass es normal ist, derart bestraft zu werden - und derart zu strafen.

Genauso wenig kann ich das Argument akzeptieren: „Wenn man von den Eltern ansonsten genug Liebe bekommt, kann man auch die eine oder andere Ohrfeige gut aushalten“ (wurde nicht wörtlich so geschrieben, aber sinngemäß) oder: „Wenn die Eltern einen mit der Ohrfeige nicht demütigen, sondern gerecht bestrafen wollen, kommen Kinder damit zurecht.“

Die Frage bleibt: Wieso erachten es manche für notwendig, in der Kindererziehung überhaupt Gewalt anzuwenden?

Und: Wieso sehe ich, die ich als Kind bisweilen sowohl physischer als auch psychischer Gewalt ausgesetzt war, das heute so „eng“? Meine Eltern waren durchaus auch liebevoll zu mir, deutlich öfter sogar als strafend. Verzeihen kann ich ihnen die Ohrfeigen (sowohl die physischen als auch die „psychischen“) trotzdem nicht, und ich wiederhole diese nicht in der Erziehung meiner Kinder.

Liebe Grüße

P.S. Wenn ich geschrieben habe, dass mir die Ohrfeigen im Gedächtnis geblieben sind, so meinte ich damit nicht, dass ich seelische Verletzungen vergessen habe; aber andere Strafen wie gestrichenes Taschengeld konnte ich gut verkraften.

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