Hallo!
Ich finde Deine en passant aufgestellten Thesen ziemlich aufschlußreich: Obwohl Du schreibst, recht wenig mit Psychologie zu tun zu haben, siehst Du sie nicht als Wissenschaft an. Starker Tobak für einen Naturwissenschaftler. Sollte man nicht den Gegenstand kennen, bevor man Aussagen über ihn macht? Wie würdest Du einen Naturwissenschaftler bezeichnen, der Aussagen über etwas macht, von dem er gleichzeitig sagt, daß er mit ihm sehr wenig zu tun hat?
Sie ist in meinen Augen nur keine Wissenschaft,
d.h. ein durch Experimente belegtes Wissen. Doch das nur
nebenbei.
Nun, da meine Wissenschaft auch stark auf Experimenten aufbaut und ich das gebündelte Wissen hübsch verpackt in haufenweise Prüfungen wiederkäuen durfte, erzeugt dies bei mir doch ein gewisses Schmunzeln, Herr Kollege.
Wann wird ein Verhalten als psychologisch Krankhaft eingestuft
und wann nicht?
Schwierige Frage, auf die es keine eindeutige und endgültige Antwort gibt. Hier ein paar Kriterien:
- Abweichendes Verhalten (Abweichung von Normen),
- Leidensdruck,
- Beeinträchtigung von lebenswichtigen Funktionen,
- Fremd- und Selbstgefährdung.
Ich frage deswegen, weil ich mir bei einigen Menschen, die
angeblich psychisch krank sein sollen, gar nicht so sicher
bin.
Das ist möglicherweise eine andere Frage: Ob jemand - eine Person - psychisch gestört ist, ist eine Frage der Diagnose, keine nach der Existenz von psychischen Störungen an sich. Durchaus können sich 2 Diagnostiker in der Diagnose nicht einig sein.
Ist es nicht denkbar und ggf. sogar möglich, dass eigentlich
das Verhalten der Gesellschaft krankhaft ist und nicht
derjenigen Person, auf die sie es gerne projizieren möchte?
Das ist die These der Antipsychiatrie von Thomas Szasz. Diese Position halten die meisten Kliniker für falsch. Es gibt dagegen viele Argumente. Ein wichtiges Argument ist das folgende: Selbst wenn man jemanden, der heute als „schizophren“ bezeichnet wird, nicht mehr als „schizophren“ bezeichnet werden würde, man seinen Zustand gar nicht benennen würde - wäre er dann fähig, sich am Leben zu erhalten? Schwer vorstellbar, wenn man weiß, wie „Schizophrenie“ aussehen kann.
Einen schönen Gruß!
Oliver