War Spinoza originell?

Hallo Leute

Spino bezieht sich in seiner Ethik ja gar nicht auf Vorgaenger, so
dass man nur diesen Text kennend auf die Idee kommen koennte, alle
seine Ideen seien von ihm. Sekundaerliteratur zieht aber Vergleiche
zu z.B. Aristoteles oder Descartes oder zu scholastischer
Philosophie. Wie originell war Spino eigentlich, was war das wirklich
Neue bei ihm?
Danke fuer Antworten, Tychi

P.s. Jetzt, nach einem halben Jahr, habe ich die ersten zwei Teile
geschafft, aber trotz des langsamen Vorgehens wahrscheinlich
hoechstens die Haelfte verstanden. Echt 'ne harte Nuss der Bursche.

Hallo Tychi,

Wie originell war Spino eigentlich, was war das
wirklich Neue bei ihm?

ohne Frage war Spinoza originell. Die Rückführung von allem auf eine einzige Substanz, die er mit Gott identifiziert, ist immerhin so originell, dass sie ihm sowohl zu einer Professurberufung nach Heidelberg (die er aber ablehnt) als auch zu einer Verurteilung durch die Kirche seiner Religionskritik wegen einbrachten. Er ist mit dieser Theorie der neuzeitliche Gründer des Monismus geworden, der sich dem Dualismus des Descartes (von dem er ausgeht) deutlich entgegenstellt.

Gleichzeitig ist er Naturalist (Deus sive natura), was ihm auch keine Freunde unter den religiösen Zeitgenossen einbrachte. Dass er darüber hinaus liberal eingestellt war, verschärfte die Sache weiter, denn wir befinden uns ja im 17. Jahrhundert.

P.s. Jetzt, nach einem halben Jahr, habe ich die ersten zwei
Teile geschafft, aber trotz des langsamen Vorgehens wahrscheinlich
hoechstens die Haelfte verstanden. Echt 'ne harte Nuss der Bursche.

Das ist kein Wunder. Seine „Ethik“ gehört zu den schwierigsten Abhandlungen der Philosophiegeschichte und hat daher auch zu ziemlichen Kontroversen geführt. Den sachlichen Höhepunkt dieser Debatte stellt wohl der Deutsche Idealismus dar, aber auch heute ist Spinzosa nicht unumstritten. Das spricht aber wiederum nicht gegen seine Bedeutung und Originalität, sondern gerade für diese.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Tychi, Hallo Thomas Miller,

Das ist kein Wunder. Seine „Ethik“ gehört zu den schwierigsten
Abhandlungen der Philosophiegeschichte und hat daher auch zu
ziemlichen Kontroversen geführt. Den sachlichen Höhepunkt
dieser Debatte stellt wohl der Deutsche Idealismus dar, aber
auch heute ist Spinzosa nicht unumstritten. Das spricht aber
wiederum nicht gegen seine Bedeutung und Originalität, sondern
gerade für diese.

der von den Idealisten, vor allem Hegel, oft zitierte Satz: „determinatio est negatio“, stammt aus „Epistolae“, genau gesagt aus einem Brief an J. Jelles und nicht aus der „Ethik“. In den „Briefen“, wird Spinoza am ehesten transparent, weil er dort in Engelsgeduld seinen Schülern und Freunden seine komplizierten Gedankengänge zu erläutern versucht. Folglich hat auch Hegel dort gespickt! :smile:
Ob es die Briefe allerdings auch einzeln gibt, müßte ich erst recherchieren. Ich besitze „Sämtliche Werke“, (M. Walter).

Mit freundlichen Grüßen

Susi

Hallo Tychi,

Spinoza war ein Mystiker.
Mystiker sind immer originell,
da keiner in seinem Erleben dem anderen gleich ist.

Gruß
Merkur

Hallo Merkur,

Spinoza war ein Mystiker.

ja, aber leider nur aus der Sicht der Mystiker :smile:, er selbst sah sich als Rationalist.

Mystiker sind immer originell,

Hier kann ich zustimmen.

da keiner in seinem Erleben dem anderen gleich ist.

Nein, das ist nicht der Grund dafür, dass sie originell sind, sondern sie sind originell, weil sie sich gegen den Zeitgeist stellen. Heutzutage aber nehmen leider die Berufungen auf das innere Erleben überhand, so dass mystisches Erleben zum Zeitgeist wird. Und in solchen Fällen ist es dann eher so, dass der Rationalismus originell ist. Freilich - das sehe ich auch so - wird in einigen Fällen der Rationalisierung über das Ziel hinausgeschossen, aber das ist unter denen, die sich der Mystik zurechnen, heute häufiger als früher der Fall.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Mystiker?
Hallo Merkur

Ein Mystiker? Das ist mir ganz neu. Sind Mystiker nicht solche, die
besonders intensive Gottesoffenbarungen erleben, also sehr
spirituelle Erfahrungen machen? Aber wenn ich Spinoza richtig
verstehe, dann ist bei ihm nicht viel Spiritus in Gott, und schon gar
kein erfahrbarer, sondern Gott ist fuer ihn etwas so Abstraktes, dass
der Mensch ihn nicht erfahren, sondern hoechstens rational
erschliessen kann. Diese Erkenntnis allerdings sei des Menschen
hoechste Freude und Quelle von Gelassenheit.

Gruss, Tychi

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo Susi,

aus „Epistolae“, … nicht aus der „Ethik“

Tychi hat sich an der Ethik versucht, daher mein Hinweis.

In den „Briefen“, wird Spinoza am ehesten transparent

Ja, das denke ich auch, nur sind die eben - wie du schon andeutest - nicht so leicht zugänglich wie die Ethik, die man in verschiedenen Taschenbuchausgaben für wenig Geld bekommt.

Folglich hat auch Hegel dort gespickt! :smile:

Ganz sicher. Es ist aber kein Wunder bei der Doppelgesichtigkeit der Philosophie Spinozas, dass sich neben Hegel und seinen Vorgängern auch Schopenhauer und Nietzsche als Spinoza-Erben fühlen. Spinoza wird selten so gelesen, wie man ihn lesen sollte, nämlich aus ihm selbst heraus. Viel häufiger wird in ihn etwas hineininterpretiert, was mindestens einseitig ist, in vielen Fällen aber auch unrichtig.
Darauf wollte ich mit meiner Antwort auf Merkur hinweisen.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Thomas Miller,

Ganz sicher. Es ist aber kein Wunder bei der
Doppelgesichtigkeit der Philosophie Spinozas, dass sich neben
Hegel und seinen Vorgängern auch Schopenhauer und Nietzsche
als Spinoza-Erben fühlen. Spinoza wird selten so gelesen, wie
man ihn lesen sollte, nämlich aus ihm selbst heraus. Viel
häufiger wird in ihn etwas hineininterpretiert, was mindestens
einseitig ist, in vielen Fällen aber auch unrichtig.
Darauf wollte ich mit meiner Antwort auf Merkur hinweisen.

meine Antwort sollte eine Ergänzung und keine Kritik an deiner Ausführung sein. :smile: Richtig aufgegangen ist er mir erst durch seine „Briefe“. Allerdings zweifle ich noch immer, ob ich, wie du das hier so schön sagst, nicht etwas hineininterpretiere, was ich dort gerne sehen würde.
Wie meinst du das, wenn du sagst: „wie man ihn lesen sollte, nämlich aus ihm selbst heraus“? Ist so etwas überhaupt möglich?

Freundliche Grüße

Susi

Hallo,

meine Antwort sollte eine Ergänzung und keine Kritik an deiner
Ausführung sein. :smile:

das habe ich auch nicht so verstanden, sondern ich wollte nur deine Ergänzung noch weiter ergänzen. :smile:

Allerdings zweifle ich noch immer, ob ich, wie
du das hier so schön sagst, nicht etwas hineininterpretiere,
was ich dort gerne sehen würde.

Nein, damit meinte ich dich nicht, sondern damit meinte ich Merkur und die üblichen Mystifizierungen Spinozas, die mit Spinoza selbst so gut wie nichts zu tun haben.

Wie meinst du das, wenn du sagst: „wie man ihn lesen sollte,
nämlich aus ihm selbst heraus“? Ist so etwas überhaupt möglich?

Ich denke schon, dass das möglich ist, freilich im Falle von Spinoza eben wegen seiner Komplexität und Schreibweise ziemlich schwierig zu realisieren. Mit meiner Formulierung meinte ich, dass man die Gedankengänge anhand seiner Einzelargumente selbst nachvollzieht und unvoreingenommen die Texte so nimmt, wie sie dastehen. Schopenhauer z. B. tut genau das nicht, bei Hegel bin ich mir im Moment etwas unsicher, vermute aber, dass auch er ihn missbraucht, um seine eigenen Ideen zu stützen. Man kann sich natürlich lange darüber unterhalten, was Spinoza nun hier oder dort gemeint hat, aber die meisten späteren Denker sehen ihn eher aus ihrer eigenen Sicht, ohne die Argumente ausführlich zu verfolgen, mit denen Schopenhauer seine Ansichten entwickelt.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Cornelia,

Spinoza war ein Mystiker.

Tu es Dir mal an, einen Blick in „Die Ethik“ zu werfen. Du wirst sehen, daß das alles andere als mystisch ist - im Gegenteil, extrem formal. Das war ja gerade sein Ansinnen, und hat auch - soweit ich das beurteilen kann - einen erheblichen Anteil seiner Stellung zu Leibniz ausgemacht, dem er sich ja quasi entgegengestellt hat, auf gleichem formalen! Level.
Seine Ideen, Inspirationen, mögen mystischer Natur gewesen sein, aber das macht noch lange keinen Mystiker aus ihm.

Gruß,

Malte.

Hallo Thomas ,

Die Rückführung von allem
auf eine einzige Substanz, die er mit Gott identifiziert,

Gleichzeitig ist er Naturalist (Deus sive natura),

====> Im Grunde Pantheismus .

Beide Punkte eindeutig Kennzeichen der mystischen Gottesvorstellung.

Gruß
Merkur

Sind Mystiker nicht
solche, die
besonders intensive Gottesoffenbarungen erleben, also sehr
spirituelle Erfahrungen machen?

DAS ist das angestrebte Endziel eines Mystikers. Aber auch bevor er es erreicht hat ist er einer .

Diese Erkenntnis allerdings sei des
Menschen
hoechste Freude und Quelle von Gelassenheit.

Ähh… und was ist das ? keine Mystik ?

Gruß
Merkur

Hallo Merkur,

Die Rückführung von allem
auf eine einzige Substanz, die er mit Gott identifiziert,
Gleichzeitig ist er Naturalist (Deus sive natura),

====> Im Grunde Pantheismus .

das ist möglich, aber nicht zwingend.

Beide Punkte eindeutig Kennzeichen der mystischen
Gottesvorstellung.

Selbst wenn es so wäre (was ich bezweifle), dass es eindeutige Kennzeichen sind, hieße das immer noch nicht, dass damit Spinoza ein Mystiker wäre. Denn nur weil ein Fisch zwei Augen hat und das bei mir auch so ist, bin ich ja noch kein Fisch. Tut mir leid, aber so einfach ist die Sache eben nicht.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Sind Mystiker nicht
solche, die
besonders intensive Gottesoffenbarungen erleben, also sehr
spirituelle Erfahrungen machen?

DAS ist das angestrebte Endziel eines Mystikers. Aber auch
bevor er es erreicht hat ist er einer .

Ich glaube aber, dass Spino dieses Ziel nicht verfolgte, und seinem
Gottesverstaendnis nach ist es auch nicht moeglich, da Gott (die
gleichgueltige Substanz) sich nicht offenbart.

Diese Erkenntnis allerdings sei des
Menschen
hoechste Freude und Quelle von Gelassenheit.

Ähh… und was ist das ? keine Mystik ?

Beachte bitte den Unterschied zwischen Erkenntnis und Erfahrung. Der
Mystiker macht oder sucht eine Erfahrung, die ihn mit Leib und Seele
ergreift. Eine Erkenntnis ist eine Vorgang der Art „Aha, jetzt
verstehe ich, warum der Satz des Pythagoras richtig ist.“

Gruss, Tychi

Hallo Thomas,

Denn nur weil ein Fisch zwei Augen
hat und das bei mir auch so ist, bin ich ja noch kein Fisch.

Der Vergleich hinkt, denn wir sprechen nicht von körperlichen Gegebenheiten, sondern von geistigen Erkenntnissen. Die erworben werden und daher Aussagekraft über den Individuationsprozeß des betreffenden haben.

Tut mir leid, aber so einfach ist die Sache eben nicht.

So isses.

Gruß

Merkur

Hallo Tychi,

da Gott(diegleichgueltige Substanz) sich nicht offenbart.

Wie Thomas festgestellt hatte , offenbarte sich Gott für Spinoza in der Natur.

Eine Erkenntnis ist ein Vorgang der Art „Aha, jetzt
verstehe ich, warum der Satz des Pythagoras richtig ist.“

Irrtum, Erkenntnis ist nicht immer oder ausschließlich geistiger (rationaler) Natur.
Erkenntnis ( Erleuchtung ) ist auch auf der psychischen Ebene
möglich.

Gruß

Merkur

Hallo Merkur,

Der Vergleich hinkt

sehr richtig, genau das wollte ich dir mit diesem Vergleich zeigen. Dass du mich nicht verstehst, liegt daran, dass du mit viel zuviel Ballast an deine Interpretationen herangehst. Dadurch werden deine Erkenntnisse immer das gleiche Ergebnis bringen. Aber das spricht nicht für die Erkenntnisse, sondern dafür, dass sie nicht unvoreingenommen sind.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

offtopic
Hallo Merkur,

Wie Thomas festgestellt hatte , offenbarte sich Gott für
Spinoza in der Natur.

ein schönes Beispiel für deine Voreingenommenheit, denn das habe ich so nicht gesagt.

Über deine Unterscheidung von Geist und Psyche schweige ich jetzt einmal höflich, weil ich mich nicht in deine Diskussion mit Merkur hineinschleichen, sondern nur den obigen Sachverhalt betonen will.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Thomas,

damit hast Du nun vollkommen recht, denn wer seine Wahrheit gefunden hat,

ist nicht mehr unvoreingenommen.

Gruß

Merkur

Hallo Merkur,

damit hast Du nun vollkommen recht, denn wer seine Wahrheit
gefunden hat,
ist nicht mehr unvoreingenommen.

fein, dass wir hier einer Meinung sind. Das Problem dabei ist nur, dass damit auch die Philosophie als Philosophie ad acta gelegt wird.
Aber nun wollen wir unseren Disput vielleicht ruhen lassen.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

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