Hallo Alexander,
also, ich hab Dir die katholische Theologie gewissermassen zusammengepresst und aufs Bleitablett gepackt, darum ist sie etwas schwer.
Ich buchstabier’s Dir gerne auseinander:
Nehmen wir mal an, Du hast die Möglichkeit, Dich von Neuem zu
entscheiden
bedeutet: Adam und Eva hatten sich zu entscheiden. Die Möglichkeit, uns zwischen Paradies und Erde zu entscheiden, haben auch wir, nur mit dem Unterschied, dass wir anfangs auf der Erde sind, während sie anfangs im Paradiese waren.
Was habe ich schon entschieden
Du hast Dich noch nicht in vollem Mass für Gott entschieden, ebensowenig wie ich, der Papst und jeder andere Katholik, in vollem Masse kann man sich erst im Tod entscheiden, darum ist jene Stunde so wichtig, und keiner weiss genau, wie sich das anfühlt. Gegen Ihn entscheiden kann man sich jedoch in tausend kleinen Situationen, nämlich zum Beispiel aus dem Gefühl heraus, zu kurz zu kommen, nicht wie Er zu sein, evtl. sterblich zu sein oder sich für ein kleinstes Quentchen besser zu halten als andere.
Mal angenommen, Du hast Dich in all diesen Situationen stets für Gott und nicht für die andern Dinge entschieden, so schwebst Du doch immer in der Gefahr, Dich später doch noch für anderes zu entscheiden, das hört dann in der Todesstunde allerdings endlich auf.
Was für ein Hingehen?
Das Hingehen zum Paradies, das Hineingehen in die offene Pforte, durch welche Adam und Eva vertrieben wurden, weil sie Gott nicht gehorcht hatten.
Dieses Hingehen bedeutet eine gewisse Anstrengung: Das offene Tor zum Paradies bedeutet zum Beispiel, dass die hinein können, die Gottes Frieden lieben. Liebst Du immer den Frieden? Ich kann das auch von mir nicht behaupten. Und damit sind wir auch nicht im Paradies.
Von Natur aus sind wir gut. Jedoch durch Egoismus und menschliche Schwächen sind wir gefährdet, aus dieser Gutheit der Natur zu fallen, die Natur trägt also trotzdem dass sie in gewisser Weise gut sein mag auch den Stachel der Gefahr in sich, dass die Seele fallen kann.
Ein kleiner Auslöser wie z. B. eine schlaue Schlange bei einer frischen Frucht hat genügt, und schon fielen die ersten Menschen. Es ist richtig erkannt von Dir, dass wir nicht nur deswegen auf der Erde sind, weil die Menschen fielen, sondern auch deswegen so leicht fallen, weil wir auf der Erde sind.
D. h. wir brauchen eine Hilfe von oben, eine Ahnung von Gott, zunächst mal das Wissen, dass das Paradies irgendwo irgendwann irgendwie vorstellbar da war; das Erahnen und Hören von einem Gesetz Gottes. An diesem erkennen wir dann unsere Schwachheit und Unvollkommenheit. Bereits diese Offenbarung ist eine Zuwendung Gottes an uns, ein Nicht-Vergessen, ein gütiges Herabschauen, eben ein Strahl der Gnade, d. h. der Zuwendung Gottes.
Durch die Erkenntnis unserer Unvollkommenheit sind wir allerdings noch lange nicht erlöst. Es braucht zusätzlich die Einsicht, Reue, Umkehr und den Glauben, dass wir jetzt Besseres kennen als vorher, und dass dieses Bessere ein gangbarer Weg ist, auch für uns schwache Menschen gangbar. Dieser Weg muss von Gott vorgezeigt werden und wird vorgezeigt und grundgelegt im Leben, Leiden und Tod Christi auf Golgotha, stellvertretend eröffnet, sodass wir Menschen wie einst im Paradies wieder erkennen können, dass Gott wirklich da ist und Sich auch in Leiden oder Tod um uns kümmert und unser ganzes Wirken mit Gnade erfüllt, auch im Übel, also dass z. B. ein Übel keineswegs immer als Strafe Gottes aufgefasst werden muss und anderes mehr.
Wenn ich Deinen Startbeitrag nochmals lese, dann sehe ich die Frage: Warum werden wir nicht einfach im Paradies geboren, sondern auf der Erde. Dazu kann ich nur sagen: Die Entscheidung haben wir sowohl dort (siehe Adam und Eva) als auch hier (siehe Christus und die Muttergottes) zu treffen. Dass wir zu leiden haben, ist nunmal Tatsache. Wir haben aber auch eine Chance, die Adam und Eva nicht hatten.
Mag sein, dass die Entscheidung hier schwieriger wäre, als sie im Paradies war, weil hier mehr Gottvertrauen verlangt wird. Dafür ist sie uns ja ein schönes Stück weit abgenommen durch das, was wir von Gott vernehmen können, sofern wir wollen.
Gott gibt uns also durchaus die Chance von Adam und Eva, ja sogar die grössere, weil wir von der Vorgeschichte wissen. Dass Du leidest, beengt Deinen freien Willen dann nicht, wenn Du annimmst und erkennst, dass da ein Gott ist, Der mitleidet.
Gruss
Mike