Hallo Polstetten,
das ist eine gute und schwierige Frage. Ich habe, weil mich das auch interessiert hat, vor einigen Jahren mal viele Leute, die ich kannte, danach gefragt. Komischerweise konnte das niemand so richtig beantworten!
Ich habe mir daraufhin selbst Gedanken gemacht. Ich schreibe dir, zu welchen Schlüssen ich dabei gekommen bin.
Es scheint viel zu un zu haben mit „Dazugehören Wollen“. Zu einer vermeintlich coolen Clique, wo die anderen auch rauchen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Gruppendruck.
Manche fangen an, weil die Eltern es verboten haben, als eine Art Protest.
Manche wollen älter und reifer wirken oder eben einfach „cooler“ (was auch immer das heißen soll).
Du sagst, alle wissen ja, dass es ungesund ist. Das stimmt natürlich. Aber Wissen sitzt im Bewusstsein. Das Verhalten wird aber zu einem großen Teil von anderen Hirnregionen gesteuert. Das „Dazugehören Wollen“ ist eine Art Urtrieb des Menschen. Den haben auch Tiere, zumindest die, die in Rudeln oder Gruppen zusammenleben. Sie dürfen nicht riskieren, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden, denn das würde ihr Leben gefährden!
Beim Menschen kann dieser ursprüngliche Überlebenstrieb dann zu so komischen Dingen führen. Um dazuzugehören, macht er auch Dinge, von denen er eigentlich weiß, dass sie ihm schaden. Das Dazugehören ist wichtiger als der Gesundheitsschutz. Dieser Konflikt (zwischen A-dazugehören und vielleicht der Gesundheit schaden oder B-wahrscheinlich gesund bleiben, aber ausgeschlossen werden) wird unbewusst entschieden.
Nebenbei gesagt, ist es ja nicht so, dass jemand, der raucht, schnell einen gesundheitlichen Schaden spürt. Dieser Schaden tritt wahrscheinlich erst viel später auf. Raucher meinen häufig, sie selbst trifft das alles schon nicht. Die meisten kennen irgendjemanden, der 50 Jahre geraucht hat und bis ins hohe Alter quietschfidel war (oder sie haben von irgendwem gehört, und sei es ein englischer Politiker vor 100 Jahren). Jeder Mensch glaubt, was in sein Weltbild passt, das darf man nicht vergessen.
Wichtiger als das Wissen über die Schädlichkeit ist das soziale Umfeld der betroffenen Person. Wer ist mein Vorbild, raucht oder trinkt diese Person? Wenn ich so sein möchte wie dieses Vorbild oder mich zumindest daran orientiere, mache ich wahrscheinlich vieles so wie sie, ob es nun objektiv gesehen eher gut oder eher schlecht ist.
Wohne ich in einer Gegend, wo die meisten Menschen rauchen (das gilt auch fürs Trinken von Alkohol, Drogenkonsum oder körperliche Gewalt und vieles andere), werde ich das wahrscheinlicher tun, als wenn ich woanders aufwachse, wo das Gegenteil der Fall ist.
Und es gibt noch ein soziales Phänomen, das eine Rolle spielt: Das Selbstwertgefühl. Ein selbstsicherer Mensch braucht es nicht so dringend, dazuzugehören, wie einer mit schwachem Selbstwertgefühl. Er gibt in seinem sozialen Umfeld daher oft auch eher den Ton an, statt sich anzupassen.
All diese Fakoren spielen eine Rolle, bei jedem Menschen spielen sie unterschiedlich zusammen.
Die meisten Menschen fangen als Jugendliche mit dem Rauchen an, also BEVOR sie erwachsen sind, bevor ihre Persönlichkeit ausgereift und stabil ist. Also in einer Phase, in der sie sich nicht mehr wie vorher an ihren Eltern, sondern stark an Gleichaltrigen und etwas Älteren orientieren. Nun hängt also einiges davon ab, wie diese Leute so „drauf“ sind. Natürlich spielt auch die bisher ausgebildete Persönlichkeit eine Rolle und die Herkunftsfamilie, aber eben nicht nur.
Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen. Ich würde mich über eine Rückmeldung von dir freuen.
Grüße, Ania