Ok,
Schön, daß Du mit den Spielchen aufhörst…
um etwas vorauszuschicken, ich halte anonyme Anzeigen für
ziemlich mies und recht nahe am Denunziantentum.
Da stelle ich mir die Frage, was verstehst Du unter Denunziantentum. Im Allgemeinen versteht man darunter die Anzeige von Tatsachen oder Handlungen, die
- zwar strafbar sind, moralisch von großen Teilen der Gesellschaft aber als akzeptabel betrachtet werden oder
- die nicht strafbar sind, den Angezeigten aber in schlechtes Licht rücken oder ihm sonstige Nachteile bescheren.
In Punkt 1 kann eine anonyme Anzeige einer Denunziation gleichkommen. Ich frage mich aber, warum es verwerflich sein soll eine strafbare Handlung anzuzeigen, auch wenn andere die Handlung nicht als strafwürdig betrachten.
Damit sind wir bei Deinem Hauptargument, hinter dem Wunsch nach einer anonymen Anzeige stehe fast nie die Angst vor Rache sondern die Angst davor für seine Überzeugung einzustehen.
Ein sehr passendes Beispiel ist Steuerhinterziehung: weite Teile der Gesellschaft betrachten die kleinen Mogeleien bei der Steuererklärung regelrecht als Notwehr gegenüber dem Fiskus. Wer also den Nachbarn anzeigt, weil dieser die bestehende Fahrgemeinschaft nicht angibt, muß mit der Möglichkeit rechnen in Zukunft erheblich geschnitten zu werden (und das nicht nur vom betroffenen Nachbarn).
Der Anzeigende stimmt aber nicht mit dem „Mainstream“ überein und hält auch kleine Steuerhinterziehungen für verwerflich. Soll der sich jetzt, nur um „Zivilcourage“ zu beweisen, ins soziale Abseits stellen?
Anderes Beispiel: man bekommt mit, daß ein Nachbar in kleinerem Umfang Hanf anbaut. Mit diesem Nachbarn muß man auch in Zukunft noch leben können, Nachbarschaftstreitereien gehören zum Übelsten, was unsere Gesellschaft zu bieten hat (das kann einem jede Lebensfreude nehmen). Der Anzeigende ist aber überzeugt von der Notwendigkeit des totalen Cannabisverbots und will den Anbau daher anzeigen. Soll der sich jetzt der Gefahr aussetzen in Zukunft kein vernünftiges Auskommen mit dem Nachbarn mehr zu haben, nur um „Zivilcourage“ zu beweisen?
Von euch wird
die Angst vor Repressalien von Seiten des Angezeigten als
Grund für anonyme Anzeigen vorgebracht. Dies kann nicht so
stehen bleiben. Der überwiegende Teil der Anzeigen betrifft
Kleinkriminalität
Ich habe in meinem Leben genug „Kleinkriminelle“ kennen gelernt, die wenig Hemmungen vor einer Körperverletzung oder Sachbeschädigung haben. Die Angst davor als grundsätzlich unbegründet abzutun, ist in meinen Augen ausgesprochen arrogant.
oder auch Anzeigen wegen vermeintlicher
Straftaten („Herr X läuft immer mit dem Strahlenkoffer durch
die Nachbarschaft und macht alle krank“).
Nun, in solch einem Fall dürfte die Anzeige regelmäßig in der Rundablage landen. Wo ist da das Problem, Geraniengesichter mit Langeweile gab es schon immer.
Bei Hinweisen auf Gewalt gegen Kinder, Gewalt in der
Familie ist es typisch, dass zwar Gewalttaten angezeigt
werden, diese Gewalt sich aber ausschließlich gegen Schwächere
richtet, also der Anzeigende nichts zu befürchten hat.
Das Motiv für diese Anonymität ist nicht die Angst vor
Repressalien, sondern die Angst, in der Öffentlichkeit zu
stehen oder dem Anzeigenden als der bekannt zu werden, der ihn
in die Pfanne gehauen hat - selbst wenn die Anzeigen auf
Schwereres hinweisen. Also um es kurz zu sagen: Man möchte
nicht für das stehen, was man sagt oder tut.
Also ich finde, man hat durchaus auch das Recht ein Feigling zu sein. Das Bestreben Unanehmlichkeiten zu vermeiden, ist imho durchaus legitim. Nicht jeder hat das Selbstvertrauen, für seine eigentlich richtigen Handlungen/Meinungen öffentlich einzustehen. Man mag das bedauern, „mies“ ist solch eine Haltung aber ganz sicher nicht.
Meiner Auffassung nach steht die anonyme Anzeige kurz hinter
dem „Wegsehen“, nur dass der Wegseher noch weniger
Zivilcourage hat als Anonymus.
Hier widerspreche ich Dir ganz entschieden! Dem „Wegseher“ ist egal was in seiner Umgebung passiert, der „Anonymus“ ist im Zweifel halt ein Feigling.
Nicht jeder kann mutig sein und Gleichgültigkeit ist etwas völlig anderes. Für mich ist dieser Satz von Dir hochgradig arrogant!
Wenn das Motiv für die Anonymität aber wirklich Angst vor
Repressalien ist, dann sollte man sich Polizei oder
Staatsanwaltschaft anvertrauen, sie werden Mittel und Wege
finden, entsprechende Hilfe zu leisten.
Und morgen kommt der Weihnachtsmann…
Gruß Stefan