was ich schon lange beobachte, ist: Es gibt offensichtlich
„anerkannte“ Religionen, und „verpönte“ Religionen, auch
„Sekten“ genannt.
Nur am Rande: Es ist sinnvoll, ein paar Begriffe zu unterscheiden:
Religion als Oberbegriff (z.B. Christentum, Islam, Judentum, Hinduismus, Naturreligionen…).
Konfession = eine bestimmte Richtung innerhalb des Christentums - z.B. Katholiken, Protestanten, Orthodoxe, Freikirchen - sofern sie einen gewissen Organisationsstandard haben und in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen oder dem Ökumenischen Rat der Kirchen mitarbeiten)
> Auch im Islam und Judentum gibt es unterschiedliche Strömungen, die werden jedoch meist nicht Konfessionen, sondern eben „Richtungen“ genannt. Egal ob Konfessionen oder Richtungen - alle gehören immer jeweils zur selben Religion.
Einer Religion gehört man durch seinen Glauben an, oder eben nicht. Man ist aber nie „Mitglied“ einer Religion (sondern eben Angehörige/-r oder Anhänger/-in).
Und auf der anderen Seite:
Religionsgemeinschaft - eine konkrete, menschengemachte Organisation oder Einrichtung wie z.B. die evangelische oder katholische Kirche, die „Zeugen Jehovas“; aber auch Scientology, Universelles Leben oder der Humanistische Bund. Hier kann man Mitglied werden - und austreten.
Sekte als (wörtlich) „Abspaltung“ von einer Religionsgemeinschaft; wobei sich Sekten in der Regel dadurch auszeichnen, daß sie für sich und ihre Mitglieder eine Heilsexklusivität beanspruchen (d.h. nur wer dazu gehört, darf auf Erlösung hoffen, alle anderen sind verloren - kurz gesagt). Oftmals gibt es in Sekten auch eine Führungsperson, die die Mitglieder zu binden vermag (z.B. L.R. Hubbard oder G. Wittek).
Problematisch sind…
…z.B. Religionen, Sekten und Religionsgemeinschaften, die ihren Angehörigen oder Mitgliedern den Austritt verwehren. Z.B. gilt als „Moslem“, wer in einer islamischen Familie aufwächst. Heiratet eine Christin einen Moslem, können ihre Kinder als Moslems gelten, und eine Taufe kann aus Abfall gewertet und mit dem Tod bestraft werden - der bewußte Eintritt eines erwachsenen Moslems in eine christliche Kirche ebenso (KANN - muß nicht!!!). Zahlreichen Sekten oder Gemeinschaften (wie auch den Zeugen Jehovas oder Scientology) wird z.B. unterstellt, daß sie Abtrünnige bedrohen (oder deren Familien), um sie zurückzuholen oder erst gar nicht austreten zu lassen.
Nur am Rande: Jude ist man, wenn die Mutter Jüdin war. Das läßt sich auch nicht mehr ändern. Aber es sind keine Verfolgungen von Juden bekannt, die z.B. durch ihre Taufe Christen geworden wären (von den ersten Jahrzenten nach Jesus Christus mal abgesehen) oder als Atheisten leben. Hier überschneiden sich verschiedene Zugehörigkeitsmodelle, ohne daß es zu Problemen käme.
…z.B. Religionen, Sekten und Religionsgemeinschaften, die ihre Angehörigen oder Mitgliedern algemein unter Druck setzen. So wird z.B. dem Universellen Leben (ob zu Recht oder Unrecht sei dahingestellt) nachgesagt, es verbiete seinen Mitgliedern Kontakte nach außen. Hochzeiten sind oftmals nur mit Mitgliedern erlaubt. U.U. wird die Abgabe des gesamten Vermögens und das Lossagen von Verwandten, die „ungläubig“ sind verlangt. Damit stehen den Mitgliedern keine Zufluchtsorte außerhalb der Gruppe mehr zur Verfügung. Es gibt Gemeinschaften, die über teure Kurse „spirituelle Kompetenzen“ vermitteln und so Menschen in finanzielle Abhängigkeit bringen. Nicht zu vergessen ist hier natürlich der „Heilsaspekt“: Wenn tiefgläubigen Menschen oft genug gesagt wird: „Wenn Du uns verläßt, bist Du verloren“, dann setzt auch das unter Druck.
In der Folge können diese Gemeinschaften dann Forderungen stellen, denen sich die Angehörigen nicht mehr (oder nur schwer) entziehen können. Sexuelle Übergriffe gehören dazu, der Zwang zu Missionsarbeit oder Arbeit allgemein. In gewisse Weise kann auch das Verbot der Bluttransfusion unter Zeugen Jehovas hier angesiedelt werden - oder die Ablehnung ärztlicher Behandlungen in bestimmten radikalen christlichen Gruppen.
…z.B. Religionen, Sekten und Religionsgemeinschaften, die radikale Ansichten vertreten und diese ggf. auch mit Gewalt durchzusetzen bereit sind. Hierzu gehören z.B. radikale Richtungen des Islam (wohlgemerkt nur diese, und nicht „der Islam“ an sich!), oder Gruppen, die einen religiösen Staat einrichten wollen und Menschen anderer Glaubensrichtungen unterdücken. Besonders bedrohlich werden solche Züge, wenn sie mit Heilsversprechungen für die Mitglieder oder Angehörigen der Gemeinschaft versehen werden: „Wenn Du für unsere Sache stirbst, kommst Du in den Himmel“ (einfach gesagt). Im Unterschied dazu stehen „echte“ Märtyrer, die zwar auch für ihren Glauben gestorben sind - aber durch die Hand anderer und ohne dabei andere Menschen mit in den Tod zu reißen (also nicht als Selbstmordattentäter).
…z.B. Religionen, Sekten und Religionsgemeinschaften, die verdeckt arbeiten. So ist zum Beispiel auf vielen Wochenmärkten (zumindest in Franken) die Marke „Gut zum Leben“ vertreten. Daß sie zum „Universellen Leben“ gehört, wird jedoch nirgends erwähnt. Ebenso soll Scientology viele Tarnfirmen betreiben. In jüngster Zeit sind z.B. nach großen Unfällen auch „Seelsorger“ aufgetreten, die nicht etwa von den anerkannten Notfallseelorgesystemen kamen, sondern Missionare solcher Organisationen waren, ohne das nach außen kenntlich zu machen.
Nun haben auch die Kirchen wirtschaftlich arbeitende Unternehmenszweige - z.B. das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche. Der Unterschied ist, daß sie zu dieser Verbindung stehen.
Solche Züge lassen Religionen, Religionsgemeinschaften oder Sekten „verdächtig“ oder bedrohlich werden. Das Schwierige ist allerdings, daß man so etwas in der Regel nicht verallgemeinern kann. Es gibt zwar radikale Moslems, aber nicht alle Moslems sind radikal. Es gibt zwar unterdrückende Strukturen in christlichen Gruppen, aber nicht alle Christen werden wirklich unterdrückt oder unterdrücken andere.
Gruß, Martinus…
P.S. ist doch länger geworden, als geplant…