Hi,
das ist schon eine äußerst schwierige Frage! Im Grunde fragst Du ja nach der Theorie der Revolution.
ich frage mich, woher der deutsche Pessimismus seine Wurzel
findet.
Erst mal: es ist überhaupt nicht auf die Deutschen beschränkt, sondern gilt für andere noch viel mehr;
warum wehren sich die Afrikaner nicht dagegen, dass wir sie verrecken lassen?
Dabei geht es nicht darum, dass es nichts zu beklagen
gibt. Viel mehr interessiere ich mich dafür, warum es keine
Bewegungen mehr gibt, die eine Entschlossenheit wie '68
mitbringen.
Ich glaube, Du romantisierst 68 viel zu sehr;
aus meiner Sicht waren die Leute damals nicht grundsätzlich anders, sondern die Situation war eine andere.
Es gibt Zeiten, da sind die Protestgründe so aufeinander bezogen, dass sie ineinandergreifen, und da ist die Zeit auch reif für Veränderungen, so dass anfängliche vereinzelte, sporadische, diskontinuierliche Proteste konvergieren und sich gegenseitig verstärken und so verstetigen können.
ein altes Posting zu 68 von mir: http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Diese Möglichkeit sehe ich heute nicht! Nur weil viele einzelne Protestgründe bestehen, und nur weil insgesamt viel protestiert wird (eine Demo jagt die andere!), heißt dies doch nicht, dass Veränderungen möglich sind.
Das deutsche Volk erscheint mir als gänzlich ohne
gemeinsame Interessen oder irgendein Ideal vor sich hin zu
vegetieren.
ich glaube jeder Deutsche hat seine Ideale: mehr Geld, besseren Sex, schönere Musik, Karriere, etc.
Das ist nicht zu leugnen;
aber es besteht nicht die Situation, in der man mit dem Wunsch nach Karriere und nach besserem Sex politisch aktiv wird; dies war 68 anders.
Ich will damit sagen: die großen politischen Ideale: Freiheit, Gleichheit, Kommunismus, Recht auf freie Auslebung der Sexualität, etc, sind in jeder Revolution nicht von Anfang an vollkommen entwickelt da gewesen, sondern haben sich im Laufe von kleinen Revöltchen immer mehr herausgebildet, bis sie selbst einer großen Bewegung Fahrt geben konnten.
Soziale Ungerechtigkeit ist in vielen Gesichtspunkten nicht zu
leugenen:
Richtig, keiner würde sie leugnen, aber die einen finden das ungerecht und die anderen genau das Gegenteil …
Alle lassen sich hemmungslos schröpfen oder rumschupsen und
bilden summa summarum höchstens Demos mit
Lichterkettencharakter.
Der erste, der die Lichter zum Anzünden von Autos, Häusern und Polizisten verwendet, wird dafür schwer bezahlen müssen…
Keiner will also der erste sein. Der erste ist immer nur ein „Krimineller“; erst wenn er einen Zweiten, Dritten, Vierten, … findet wird er zum Urheber der Revolution;
dessen kann er sich aber im Moment seiner Tat nicht gewiß sein.
Wenn aber aus einem vielleicht eher unpolitischen Grund -vielleicht wie in Frankreich geschehen so ein seltsamer Jugendkrawall- den Anfang macht, dann ist der erste ja bereits der zweite und wer weiß was dann losgeht …
Wenn also, anders als in Frankreich, große Gruppen sich politisch an diesen ersten anhängen, dann ist vorbei mit Lichterkettencharakter …
Ich frage mich alleine, woher die Gleichgültigkeit
kommt
Ich glaube, das was Du „Gleichgültigkeit“ nennst, ist in erster Linie die (nicht bewusste) realistische Einschätzung der Menschen, dass die Situation im Moment nicht die passende ist.
Was glaubst Du, wie schnell sich das ändern kann, wenn die Situation mal passt? Du kannst dies sehen an 68, an 89, aber auch an der (fast) ganzen ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Mit der „deutschen Gleichgültigkeit“ scheint es mir gar nicht so weit her zu sein 
Kopf hoch und sei bereit! 
Viele Grüße
franz