Hallo Wolfgang,
Da wir als „Entscheider“ aufgrund der bekannten,
systemimmanenten Konstruktionsfehler, jedoch
überdurchschnittlich viele Lehrer, Juristen und :Angestellte des Öffentlichen Dienstes haben, gibt es nach
einer Logik keine sinnvollen :Entscheidungen ausserhalb :dieser Sachgebiete.
Hallo Mathias!
Die in den Parlamenten vertretenen Berufsgruppen und Schichten
sind kein Abbild der Bevölkerung. Das zieht sich quer durch
alle Volksvertretungen und ist schon in den
Gemeindevertretungen sichtbar. Weil mir deren Arbeitsweise am
nächsten liegt und ich Einblick in die Entscheidungsgänge
habe, bringe ich ein kleines Beispiel aus meiner Gemeinde: Ein
Mitglied des Gemeinderats, im Hauptberuf Sozialarbeiter, wurde
ausgeguckt, sich um die Neugestaltung rund um den Bahnhof zu
kümmern und die Einrichtung eines P+R-Platzes zu prüfen. Es
gibt ein geeignetes Gelände mit einem abbruchreifen Gebäude
direkt an den Gleisen. Der Gemeindevertreter muß dafür
Eigentumsverhältnisse klären, was bei Bahngelände keineswegs
einfach ist; er muß sich durch einen Wust von
Förderrichtlinien arbeiten; er muß mit diversen
Tochtergesellschaften der Bahn reden und herausfinden, was
geht und was nicht geht.
Was mir bei der Geschichte fehlt ist, ob er das ordentlich machen konnte, da ihm ja offenbar zu Beginn des Projektes jedwede Kenntnis bzgl. des Projektes fehlte.
Hat er wirklich optimal verhandelt?
Kurz: Der Mann ist Monate beschäftigt
und hat sich intensiv in das vielschichtige Problem
eingearbeitet. Zwischendurch berichtet er immer wieder über
den Fortgang seiner Arbeit, so daß die anderen
Gemeindevertreter auf dem Laufenden sind. Am Ende geht es fast
immer um Geld, über das die Gemeindevertretung gemeinsam
entscheidet. So gibt es Dutzende Entscheidungen, die vom
Kindergarten bis zur Abwasserentsorgung reichen. Hinter den
meisten Problemen steckt viel Arbeit, bis es zu einer
Entscheidung kommen kann. Durch die Hände jedes einzelnen
Gemeindevertreters sind ungezählte Akten, Vorlagen, Entwürfe
und Gesprächsnotizen gelaufen, bis er zur Sache abstimmt. Mit
diesem Hintergrund kann dann auch ein Holzeinkäufer oder ein
Ingenieur über die Belange der Schule oder der Feuerwehr
abstimmen.
Die Bevölkerung des Ortes hat diesen Informationshintergrund
nicht. Er wird ihnen keineswegs vorenthalten, denn die
Sitzungen der Gemeindevertretung sind öffentlich und jeder
Bürger hat das Recht, Fragen zu stellen. Leider macht kaum ein
Bürger von seinem Informations- und Fragerecht Gebrauch. Die
Menschen halten sich vielmehr selbst dumm.
Das stimmt. Hier fasse ich mir auch an die eigene Nase. Ich werde allerdings Deine Empfehlung, welche Du ja immer mal wieder einfliessen lässt, aufgreifen und bei der nächsten Stadteilsitzung (wie auch immer das heissen mag, wo und wann auch immer das sein wird, ich hoffe die Stadtverwaltung kann mir hierbei helfen…) nachfragen, weshalb im zweitteuersten Stadteil Münchens die Gehsteige teilweise nicht gepflstert sind. Ist ein schönes Beispiel denke ich, um in das Thema als Bürger einzusteigen.
Bei solchen Verhältnissen sind basisdemokratische
Vorstellungen grotesk. Es kann nur Unsinn dabei herauskommen,
wenn man den Bauchentscheidungen der Leute folgen wollte, bei
Dingen, die eine intensive Beschäftigung mit der Materie
voraussetzen.
Das stimmt in vielen Belangen natürlich. Deshalb wählt der Bürger sich ja auch eine Auswahl an Experten, welche solche Entscheidungen für ihn treffen sollen.
Nur ist die zur Wahl stehende Auswahl an Personen unbefriedigend.
Und hier muss der Bürger ran und den partgeienproporz knacken. Nur wie?
Auf Gemeindeebene sind alle Gemeindevertreter, der
Bürgermeister, Amts- und Dienststellenleiter für jeden
einzelnen Bürger greifbar. Es kommt aber nur höchst selten
vor, daß sich ein einzelner Bürger über Gemeindebelange
informieren will, Anregungen geben oder helfen möchte.
Vielmehr bedarf es regelmäßig einiger Anstrengung, überhaupt
Leute zu finden, sei es als Kandidaten im Gemeinderat, als
Wahlhelfer, Schöffen oder für die Gremien in der Schule. Statt
dessen kann man mit Deppen, die sich öffentlich über Zweige
vom Nachbargrundstück aufregen wollen, die Straße pflastern.
Das glaube ich gerne.
Schon auf der hautnahen Gemeindeebene gibt es nur eine
verschwindend kleine Minderheit, die die Bereitschaft
mitbringt, sich mit Sachverhalten auseinander zu setzen. Die
Kreis-, Landes- und Bundesebene ist den Menschen noch viel
ferner. Viele wollen mitreden, aber auch nur das Lesen und
Verstehen eines Textes, der über eine Schlagzeile aus maximal
3 Worten hinaus geht, überfordert viele.
Das liegt am Schulsystem.
Von mir aus sollen die Menschen basisdemokratisch über den
Sieger bei rgendwelchen Schlagerwettbewerben abstimmen. Das
paßt. Was darüber hinaus geht, würde zur Katastrophe.
O.K., ich versteh, wasx Du meinst. Es sind jedoch nicht alle Menschen derart dumm. Viele Haben auch keine Zeit zu Sitzungen während der Woche zu gehen. So hält sich die regierende Klasse ganz locker den anstrengenden Bürger vom Hals.
Grüße,
Mathias