Moin,
ziemlich damit beschäftigt, aus mir selbst einen „anständigen“
Menschen zu machen und einigen Leuten hier im Forum schwer auf
die Nerven zu gehen 
-). Ersteres ist sehr löblich und respektabel, aber für mich
ist meine Verantwortung damit noch nicht ganz zu Ende.
Für mich ist Ersteres die Grundvoraussetzung für alles weitere. Ich will dann auch mal etwas aus dem Nähkästchen plaudern. Ich bin seit meiner Jugend aktiv in Gruppen gegen Antisemitismus, gegen Nazis etc. gewesen, hab an „Friedenscamps“ teilgenommen, Ausstellungen mitorganisiert, an Gedenkveranstaltungen teilgenommen etc. Über Jahre fand diesbezüglich eine intensive Auseinandersetzung mit den Themen Nationalsozialismus, Holocaust, Ausländerfeindlichkeit, Faschismus, Gewalt etc. statt…allerdings war dies im Wesentlichen eine intelektuelle Auseinandersetzung. Nichtsdestotrotz waren will alle (einschließlich mir) fest davon überzeugt, hätten wir „damals“ gelebt, wir wären „selbstverständlich“ im Widerstand gewesen, hätten Juden versteckt undundund.
Ein Schlüsselerlebnis kam dann vor einigen Jahren, als ich in einem Bus (öffentliches Verkehrsmittel) saß und in 2 Meter entfernung miterlebte, wie eine Gruppe angetrunkener Skins einen Asiaten anpöbelte und schikanierte. Und wo war jetzt mein Geist des Widerstands? Tatsächlich saß ich starr vor Angst auf meinem Sitz und hab es nicht mal geschafft, dem Busfahrer Bescheid zu geben, weil ich dann an der Gruppe vorbei gemusst hätte.
Andererseits hab ich gebrechliche Omas erlebt, die Gruppen von Jugendlichen, die eine Bushaltestelle vollmüllten, ordentlich die Meinung gegeigt haben.
Meine Schlussfolgerungen aus diesen Begebenheiten waren, dass es nicht reicht, diesen ganzen „Wiederstandskram“ im Kopf zu haben, dass es vielleicht nicht mal eine Voraussetzung ist, sondern dass das wichtige letztendlich ist, selbst den Mut aufzubringen, in einer entscheidenden Situation für das einzutreten, was einem wichtig ist. Die erfordert allerdings in erster Linie die Arbeit an einem selbst. Ich weiß, dass ich mit so einer Situation im Bus jetzt anders umgehen kann. Das meinte ich mit „ein anständiger Mensch werden“. Das betrifft aber nur meinen Anspruch an mich selbst, nicht den an andere Menschen.
Ich habe an diesen Beispielen FÜR MICH den Schluss gezogen,
dass es nicht reicht, wenn alleine ich mich untadelig
verhalte. Ich habe auch einen Teil an Verantwortung für das
Tun der Meinen. Meiner Familie, meiner Freunde, meiner
Kollegen, meiner Nachbarn, meiner Gemeinde, meiner Landsleute.
Derer, die am Nebentisch im Gasthaus sitzen oder die 5 Meter
von mir auf Markusplatz stehen. Nicht in allen Fällen habe ich
eine Chance, etwas zu bewirken, aber ich habe es dann
wenigstens versucht. Und wenn ich nicht durchdringe, dann
sollen wenigstens so viele wie möglich wissen, dass meine
Ansicht eine andere ist.
Trotz allem hat dich das nicht davor bewahren können, den Versuch zu unternehmen, vom Fehlverhalten einiger Muslime auf den ganzen Rest zu schließen. Genau dies ist aber der fruchtbare Boden auf den die Hetze gegen Gruppen von Menschen (sei es Religionsgemeinschaften, Zugehörige eines bestimmten Volkes etc.) fällt.
Es gibt kaum einen in D, er sich nicht in irgend einer Form mit der deutschen Nazi-Vergangenheit auseinander gesetzt hat. Einige mögen nichts daraus gelernt haben, andere sind dadürch bezüglich des Thema „Antisemitismus“ sensibilisiert, laufen aber völlig blind daran vorbei, wenn ähnliche Mechanismen wie die des Antisemitismus gegen andere Gruppen von Menschen angewandt werden und wieder andere versuchen die Strukturen und Hintergründe all dieser Vorkommnisse zu verstehen. Wieder andere nehmen genau diese Mechanismen als Grundlage, wiederum gegen andere Volksgruppen zu hetzen.
Was nutzt es uns in dieser Gesellschaft, wenn wir zwar dem Antisemitismus begegnen, aber statt dessen brennen dann Asylbewerberheime oder Moscheen?
Mein Credo, meine gefühlte Verantwortung. Deine Entscheidung,
wie du es halten willst.
Damit hab ich kein Problem, aber ich finde es gut, dass wir darüber reden können.
Gruß
Marion